Pflanzen: Neue Züchtungstechnologien zulassen

Der Bundesrat will mit neuen Technologien gezüchtete Pflanzen künftig zulassen und verbreiteten Bedenken zur Gentechnologie dennoch Rechnung tragen. Dabei unterscheidet er zwischen neuen Züchtungstechnologien und herkömmlicher Gentechnik. Im Regal sollen solche Produkte gekennzeichnet werden.

sda/blu |

Die Landesregierung liess den am Mittwoch verabschiedeten Entwurf für das neue Gesetz über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien im Auftrag des Parlaments ausarbeiten. Solche Pflanzen seien eine Chance für die Schweiz, sagte Umweltminister Albert Rösti am Mittwoch in Bern vor den Medien.

Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule

«Die Konsumentinnen und Konsumenten können von einem breiteren Angebot profitieren, zum Beispiel von Pflanzen, die weniger Allergien auslösen», sagte er. Die Umwelt profitiere von Pflanzen, die weniger oder keine Pestizide benötigten. Und gegen Trockenheit resistentere Pflanzen bräuchten in heissen Sommern weniger Wasser.

Rösti nannte als Beispiel die Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln. «Mit neuen Züchtungstechnologien können manche Sorten resistent gemacht werde gegen diese Pilzkrankheit.» Das würde die Verluste verringern und die Versorgungssicherheit stärken. Zudem werde dank den neuen Züchtungen der Pflanzenschutzmitteleinsatz sinken.

Nachweislichen Mehrwert

Mit Blick auf die Bedenken in der Bevölkerung zur Gentechnologie will der Bundesrat bei der Öffnung behutsam vorgehen. Das Zulassungsverfahren soll sich seiner Meinung nach grundsätzlich an einem Vorschlag der EU-Kommission orientieren. Im Vergleich mit der EU plant der Bundesrat aber stärkere Kontrollmechanismen.

Die neue Regulierung soll für Pflanzen gelten, die mit neuen Züchtungstechnologien hergestellt worden sind, aber kein transgenes Erbmaterial enthalten und die einen nachweislichen Mehrwert haben. Dieses Kriterium soll sowohl für die Landwirtschaft gelten als auch für die Umwelt oder die Konsumentinnen und Konsumenten. Für Freisetzungsversuche ist dies hingegen nicht nötig.

Hier könnt Ihr die ganze Medienkonferenz nachverfolgen

Cisgenese und Mutagenese

Als neue Züchtungstechnologien gelten die gezielte Mutagenese und Cisgenese. Bei der gezielten Mutagenese kann das Erbmaterial von Pflanzen an bestimmten Stellen gezielt verändert werden, ohne dass dabei Erbmaterial von aussen eingebaut wird. Bei der Cisgenese wird einer Pflanze Erbmaterial eingefügt, das aus derselben oder einer nah verwandten Art stammt.

Mutagenese und Cisgenese seien klar zu unterscheiden von der herkömmlichen Gentechnologie, die auf den Einbau von artfremdem Erbgut ins Erbmaterial setze und transgene Pflanzen erzeuge, betonte Rösti. Für gentechnisch veränderte Organismen gilt ein Moratorium, sie dürfen weder angebaut noch in Verkehr gebracht werden.

Kennzeichnungspflicht und Trennung

Der Bundesrat stellt zwei Zulassungsverfahren zur Diskussion. 

  • Die Zulassung erfolgt gestützt auf die Vergleichbarkeit für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien: wenn bereits vergleichbare Pflanzen mit vergleichbaren Veränderungen, die mittels neuer Züchtungstechnologien erzeugt wurden, als sicher beurteilt wurden. Auf eine Umweltrisikobeurteilung kann verzichtet werden.
  • Die Zulassung erfolgt gestützt auf eine Umweltrisikobeurteilung für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien: wenn noch keine vergleichbare Pflanze mit vergleichbaren Veränderungen, die mittels neuer Züchtungstechnologien erzeugt wurden, als sicher beurteilt wurde.

Der Bundesrat schlägt ausserdem eine Kennzeichnungspflicht und getrennte Warenflüsse vor. Damit will er sicherstellen, dass Konsumentinnen und Konsumenten zwischen Produkten aus herkömmlichen Züchtungen und neuen Technologien wählen können.

Die Vernehmlassung dauert bis zum 9. Juli. Der Bundesrat will den Erlassentwurf im ersten Quartal 2026 dem Parlament überweisen. Gleichzeitig soll das geltende Gentechnik-Moratorium für fünf Jahre verlängert werden. Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien sollen davon ausgenommen sein und könnten somit ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes zugelassen werden.

Das Moratorium beschlossen Volk und Stände mit dem Ja zur Initiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft». Dieses wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis Ende 2025. Eine weitere Verlängerung bis Ende 2030 ist im Parlament in Diskussion.

«Etikettenschwindel»

Derweil fordert die im September 2024 lancierte Volksinitiative «Für gentechnikfreie Lebensmittel (Lebensmittelschutz-Initiative)» weiterhin Kontrolle über gentechnisch veränderte Organismen. Der Trägerverein kritisiert die Pläne des Bundesrates harsch. Die Risiken durch die neuen Züchtungstechnologien seien erheblich.

Mit der Streichung des Wortes «Gentechnik» aus dem Entwurf betreibe der Bundesrat Etikettenschwindel, schrieb er. Die Konsumentinnen und Konsumenten würden damit getäuscht. Ausserdem pocht der Verein auf eine Einzelfall-Risikoprüfung. Und ihm fehlen Massnahmen gegen die Kontamination von gentechnikfreien Kulturen durch Pollen.

Herkömmliche Gentechnik und neue Züchtungstechnologien

Als  Gentechnik  gilt jeder absichtliche technische Eingriff mit dem Ziel, direkt das Erbmaterial eines Organismus zu verändern. Aktuell unterscheidet man in der Pflanzenzüchtung zwischen der herkömmlichen Gentechnik und den neuen Züchtungstechnologien.

Die beiden wichtigsten herkömmlichen Gentechniken in der Pflanzenzüchtung sind die  klassische Mutagenese und die Transgenese . Bei der klassischen Mutagenese werden in einer Pflanze durch Bestrahlung oder Chemikalien zufällige Mutationen erzeugt. Diese Methode wird in der Pflanzenzüchtung seit fast 100 Jahren verwendet, um die Diversität zu erhöhen und neue Eigenschaften zu erzeugen. Bei der Transgenese wird ein Gen, das aus einem anderen Organismus stammt und zu einer neuen Eigenschaft wie dem Schutz vor Schädlingen führt, in eine Pflanze übertragen.

Mit den neuen Züchtungstechnologien  kann das Erbgut an einer Stelle gezielt verändert werden . Dabei werden DNA-Bausteine gelöscht, ausgetauscht oder eingefügt. Mit diesen Methoden lässt sich das Erbmaterial auf vielfältige Weise verändern, auch so, wie es auf natürliche Weise in der Natur durch die Kreuzung verschiedener Pflanzen passieren könnte. Mit den neuen Züchtungstechnologien können bestimmte Veränderungen der Pflanzeneigenschaft (wie theoretisch die Trockenheitsresistenz) erzielt werden, die mit herkömmlicher Gentechnik schwierig zu erreichen sind.

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