Soll gleich teuer wie Diesel sein

In Niedergösgen SO wird seit 2020 grüner Wasserstoff hergestellt. Es ist die erste Produktionsanlage dieser Art in der Schweiz. Bei voller Leistung können 38 kg Wasserstoff pro Stunde produziert werden. Das reicht für 40 bis 50 Lastwagen oder 1’700 Personenfahrzeuge. Das Potenzial scheint schier unerschöpflich. 

Cyril Nietlispach |

In Niedergösgen SO betreibt das Unternehmen Hydrospider seit 2020 eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff. Grün deshalb, weil der Wasserstoff ausschliesslich mit erneuerbarer Energie aus dem nahe gelegenen Wasserkraftwerk der Alpiq produziert wird.

Erste Anlage der Schweiz

Es handelt sich dabei um die erste Anlage dieser Art in der Schweiz. Der Strom wird direkt vom Flusskraftwerk Niedergösgen zur Produktionsanlage geführt. «Von 51 Megawatt, die das Wasserkraftwerk liefert, benötigen wir 2 Megawatt», sagt Nicolas Crettenand, der Geschäftsführer der Hydrospider AG. Crettenand schildert den Produktionsprozess so: «Der Strom vom Kraftwerk wird als Erstes auf eine Spannung von 400 Volt reduziert und der Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt. Pro Stunde benötigen wir etwa 0,6 Kubik Leitungswasser vom Gemeindenetz.»

Bevor das Wasser allerdings eingesetzt werden kann, muss es zuerst komplett entmineralisiert werden. Erst nach dieser Aufbereitung kann das Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespaltet werden.

38 Kilo pro Stunde

Die Nebenprodukte des Prozesses sind Sauerstoff und Wärme, die in die Luft abgelassen werden. «Eigentlich könnte auch der Sauerstoff zum Beispiel für industrielle Zwecke aufbereitet werden, sofern man eine entsprechende Nachfrage in unmittelbarer Nähe hat», sagt Nicolas Crettenand. Der produzierte Wasserstoff ist gasförmig. Erst bei einer Temperatur von minus 250 Grad wird Wasserstoff flüssig.

Bevor das Gas für den Transport abgefüllt werden kann, wird es im Verdichter auf 350 bar komprimiert. Bei voller Leistung können 38 kg Wasserstoff pro Stunde produziert werden. Das ergibt pro Jahr eine Menge von rund 300 Tonnen grünem Wasserstoff. Rechnet man 80’000 gefahrene Kilometer pro Jahr pro Lastwagen, so reicht das für 40 bis 50 Lastwagen oder 1’700 Personenfahrzeuge.

Der produzierte Wasserstoff wird in vier Abfüllstationen in Container mit neun Druckspeichern abgefüllt. Ein Container kann so mit 350 kg Wasserstoff beladen werden. Die Container werden mit Lastwagen (LKW) zu den Wasserstoff-Tankstellen geführt, wo sie ebenfalls an Dockingstationen angeschlossen werden. Auf der Tankstelle wird der Wasserstoff erneut komprimiert, für Lastwagen auf 500 bar, für Autos auf 900 bar. Fünf bis fünfzehn Minuten dauert es, bis ein Tank gefüllt ist; bei LKWs reicht das für etwa 500, bei Personenfahrzeugen für 600 bis 900 Kilometer.

H2 Ecosystem funktioniert

«Wir wissen, dass das H2 Ecosystem, wie wir es nennen, funktioniert. Jetzt geht es darum, das System zu skalieren», sagt der Geschäftsführer und fügt an: «Wir könnten schon heute die doppelte Anzahl, also sicher 100 Lastwagen, mit grünem Wasserstoff betanken. Aktuell beziehen wir ihn von drei Produktionsanlagen, eine davon ist in der Ostschweiz, eine andere in der Nordschweiz.»

Im Jahr 2030 sollen es 300 bis 500 Fahrzeuge im H2 Ecosystem sein. Nicolas Crettenand ist zuversichtlich, dass dieses Ziel erreicht wird, sofern die Rahmenbedingungen den Markthochlauf mitunterstützen, und sagt: «Aktuell hat Hyundai 48 wasserstoffbetriebene Lastwagen im Einsatz. Es sollen mehr werden.» Andere Unternehmen wie Iveco, Volvo, Mercedes oder Scania sind mit ihren Wasserstoff-Fahrzeugen noch in der Testphase.

Strompreis als Knick

Städtische Verkehrsbetriebe, Postautobetriebe, Taxi-Unternehmen und diverse Transportunternehmen hätten ihr Interesse am H2 Ecosystem angemeldet und würden ihre Flotten in den nächsten Jahren mit wasserstoffbetriebenen Bussen, Autos, Kehrichtfahrzeugen und Lastwagen ergänzen, sagt der Geschäftsführer der Hydrospider AG. «Wir wollten, dass der Kilometerpreis für einen wasserstoffbetriebenen Lastwagen gleich teuer ist wie der eines Dieselfahrzeuges, und haben den Wasserstoffpreis deshalb an den Preis für Diesel indexiert», sagt Crettenand.

«Wenn wir eine Dekarbonisierung des Verkehrs und das Netto-null-Ziel erreichen wollen, braucht es neben erneuerbarem Strom auch erneuerbare gasförmige und flüssige Treibstoffe.»

Nicolas Crettenand, Geschäftsführer Hydrospider AG

So sei es möglich gewesen, dass Transporteure vom Diesel auf Wasserstoff gewechselt haben. Als dann aber der Strompreis sich derart massiv erhöhte, habe man den Wasserstoffpreis erhöhen müssen, und die Äquivalenz zum Diesel sei für ein paar Jahre verloren gegangen. Sofern der Strompreis weiter herunterkommt und fossile Energieträger wie Diesel sich verteuern, komme das wieder so, ist der Energiefachmann überzeugt.

5’000 Lastwagen als Ziel

In der Schweiz gibt es 54’000 Lastwagen. «Wenn wir nur 10 Prozent davon mit Wasserstoff betreiben können, sind das immerhin 5’000 Fahrzeuge für den Schwerverkehr», sagt Nicolas Crettenand. 5’000 wasserstoffbetriebene Lastwagen, das sei auch ein mögliches Ziel für das Jahr 2050. Um 5’000 Lastwagen mit grünem Wasserstoff zu versorgen, braucht es 125 Produktionsanlagen wie die 2-Megawatt-Anlage in Niedergösgen oder entsprechenden Import und etwa 200 Tankstellen.

Heute gibt es in der ganzen Schweiz 18 Tankstellen. Mit grünem Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) können auch gasförmige Energieträger wir Methan (CH4) oder flüssige wie Methanol (CH3OH) synthetisiert werden. Sie gelten ebenfalls als erneuerbare Energien und können als Fahrzeugtreibstoff verwendet werden.

«Wenn wir eine Dekarbonisierung des Verkehrs und das Netto-null-Ziel erreichen wollen, braucht es neben erneuerbarem Strom auch erneuerbare gasförmige und flüssige Treibstoffe. Es braucht eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Energiesektoren, denn nur gemeinsam schaffen wir das», sagt Nicolas Crettenand abschliessend.

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