Wenn ein Milchviehbetrieb von selbst laufen muss

Werden Milchkühe im Jahr 2035 so gehalten wie bei Armin Högenauer? Der Deutsche melkt 80 Kühe im Nebenerwerb. Der Landwirt zeigt, wie er mit Automatisierung und ausgeklügeltem Management eine hochleistende Holsteinherde mit wenig Arbeitsaufwand hält. 

Adrian Haldimann |

In Deutschland werden 52  Prozent der Betriebe im Nebenerwerb geführt. Das bedeutet, dass auf diesen Betrieben das Haupteinkommen nicht aus der Landwirtschaft kommt. Ein Beispiel eines Nebenerwerbsbetriebs ist derjenige von Armin Högenauer. Er hielt einen Vortrag an der Zukunftskonferenz «Kühe halten 2035», der sogenannten Roadshow Milchpraxis 2025, organisiert vom DLG-Verlag.

«Fleckvieh raus, Holstein rein»

Högenauer bewirtschaftet 52 ha LN, davon 45  ha Ackerfläche (Silomais/ Wintergerste/Kleegras/Luzerne) und 7 ha Dauergrünland. Seine Frau Monika Högenauer arbeitet 24 Stunden pro Woche als Krankenschwester und erledigt abends Stallarbeiten. Er hat seinen Betrieb entsprechend aufgestellt. Bereits 2009 entschied er sich, die Milchviehrasse zu wechseln. «Fleckvieh raus, Holstein rein. Das war ein Befreiungsschlag», gibt Högenauer zu verstehen.

Mit dem Charakter des deutschen Fleckviehs und den Kälbern, die nach der Geburt kaum Sauglust zeigten, konnte er nichts anfangen. «Den frischgeborenen Holsteinkälbern zeige ich zweimal, wie sie trinken müssen, dann läufts.» Ein Beispiel, das zeigt, dass auf dem Betrieb Högenauer die Arbeitsvorgänge effizient ablaufen müssen ‒ zudem professionell und möglichst automatisiert.

«Probleme hausgemacht»

«Wenn ich im Stall kaum Probleme habe, dann habe ich auch kaum Arbeit», so Högenauer weiter. Deshalb züchtet er nicht nur robotertaugliche Kühe mit viel Milch und hohen Inhaltsstoffen, sondern auch Kühe mit langer Nutzungsdauer. Und: «Ganz wichtig ist der Charakter der Tiere. Wenn mich eine Kuh zweimal ärgert, dann ist sie weg. Das Wesen des Tiers muss einfach stimmen.» Genetik sei ein Schlüsselfaktor für den Erfolg.

Entwicklung

  • 2007: Landwirt Armin Högenauer übernimmt den Betrieb seines Vaters mit 35  Milchkühen; 6’500  kg Milchleistungsschnitt in Anbindehaltung.
  • 2008: Umbau auf Laufstall für 40 Kühe mit 2×4-Melkstand.
  • 2009: Rassenwechsel: von deutschem Fleckvieh auf Holstein.
  • 2013: Laufstall für 80 Kühe mit Melkroboter.
  • 2014: Jungviehaufzucht wieder auf dem Betrieb.
  • 2019: Aufzucht ausgelagert.
  • 2024: Erweiterung Fahrsiloanlage auf 3’900m3 . hal

Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Fütterung. Diesbezüglich arbeitet er mit Profis zusammen. «Weshalb hat Israel die höchsten Milchleistungen? Weil sie nur mit Spezialisten zusammenarbeiten», so Högenauer. Er setzt unter anderem auf unabhängige Beratung von Möller Agrarmarketing und berechnet den Milcherlös nach Futterkosten mittels IOFC (Income Over Feed Cost). «Die Fütterung ist der Hauptkostenfaktor, und es kann viel Geld verloren gehen – deshalb muss alles passen.» Durchwegs eine gleiche Ration ist ihm wichtig, Fütterungswechsel seien für Kühe nicht gut, so Högenauer.

Selbstfahrender Futtermischwagen

Ein Must-have für ihn: ein selbstfahrender Futtermischwagen. Um eine kontinuierliche Futterration übers ganze Jahr zu haben, setzt er auf eine Fräsvorrichtung, mit der er alle Qualitäten der Silage im Fahrsilo gleichzeitig entnehmen kann. Auch auf dem Feld überlässt Högenauer nichts dem Zufall. Die Schnitthöhe müsse mindestens 8 cm betragen.

Er stellte ein Problem bei einigen Lohnunternehmern fest: «Sie arbeiteten teils nicht mit scharfen Messern, die Futter- und Wiesenqualität litt. Deshalb mähen wir seit fünf Jahren selbst. Die Messer werden vor jedem Einsatz geschliffen.» Die Grassilage wird immer in den Morgenstunden gehäckselt, um beste Qualität zu erhalten. «Am Vormittag wird eingeführt, am Mittag ist das Silo bereits geschlossen. Es gibt bei uns auch kaum Futterreste.» Högenauer ist überzeugt: «Probleme im Stall sind alle hausgemacht.»

«Bester Mitarbeiter»

«Tagsüber ist niemand auf dem Betrieb. Es muss von allein laufen, und es läuft.» Er gehöre zu den 27  Prozent der Landwirte, die weniger als zweimal pro Tag in den Stall gehen. Wichtig sei Robotertechnik, die zuverlässig funktioniert. Im letzten Jahr sei er nur zweimal nachts wegen einer Fehlermeldung beim Lely-Melkroboter gestört worden. Bald wird wegen des hohen Leistungsniveaus und der hohen Anzahl von 66 Kühen in Laktation ein zweiter Melkroboter installiert.

Kennzahlen 2024

  • 11’340 kg Milch Laktationsleistung mit 4,37% Fett und 3,58% Eiweiss
  • 23,9 Monate Erstkalbealter
  • 412 Tage Zwischenkalbezeit
  • 87,9% Non-Return-Rate
  • Besamung: 65% gesext, 35% Blaubelgier
  • 121 Tage Rastzeit
  • Zellzahl zwischen 90’000 und 160’000 Zellen/ml
  • Tierarztkosten: 0,6 Cent pro Kilo Milch (ohne Samendosen)

Dann kommt er auf den «besten Mitarbeiter» auf seinem Betrieb zu sprechen und appelliert an seine Berufskollegen: «Investiert unbedingt in einen Futterzuschieberoboter.» Nur so könne die Futteraufnahme maximiert werden. Die 170 m2 grosse Galt- und Abkalbebox wird mit einem Lucas-Einstreuwagen eingestreut. «Tägliches Einstreuen bringt nichts. Die Tiere sind viel sauberer, wenn wir nur ein- bis zweimal pro Woche einstreuen.»

Viel Zeit sparen

Auch beim Liegeboxenmanagement setzt er auf Effizienz. Zuerst streute er die Boxen mit einer Kalk-Stroh-Mischung ein. «Das gefiel mir nicht. Die Zitzen waren stets ausgetrocknet, und der Arbeitsaufwand war mit dem Bereitstellen einer Mischung alle vier Wochen zu hoch.» Dann stiess er auf die Sandbettwaben von Newfarms und baute diese vor zehn Jahren bei 80  Liegeboxen ein. «Die Newfarms-Sandbettwaben sind die einzigen, die funktionieren», so Högenauer.

«Ich bin begeistert davon. Es ist enorm, wie viel Arbeitszeit wir einsparen.» Die Boxen, die mit Holzpelletabrieb (wird bei einem Pelletwerk bezogen) eingestreut sind, werden morgens und abends mit einem Gartenrechen in wenigen Minuten zurechtgemacht. Der Keimdruck sei sehr gering, die Kühe würden immer eben und trocken liegen. Die Liegeboxen werden einmal pro Woche mit einer Rückenspritze flüssig desinfiziert.

Blick in die Zukunft

Högenauer schaut auch in die Zukunft. Er hat bereits eine Baubewilligung für ein Kälberzentrum mit Tränkeautomat und einem sogenannten Double-Jug-System. Das ist ein speziell für Tränkeautomaten konzipierter Milchtank. Durch seine zwei Behälter kann eine unterbrechungsfreie Milchversorgung sichergestellt werden. Weiter plant er einen Jungviehstall mit einer Dummy Box und Bandfütterung.

«Laufe nicht den Problemen hinterher, sondern kümmere dich um Lösungen»

Armin Högenauer

Eine Dummy Box ist eine Melkroboterattrappe. Die Rinder gehen in die Attrappe, um Futter zu fressen, genau wie sie es bei einem echten Melkroboter tun würden. Damit erhofft sich Högenauer, dass seine Erstlingskühe nach dem Abkalben bereits an den Melkroboter gewöhnt sind und mehr leisten. Auch hier geht es Högenauer darum, Probleme zu reduzieren und Arbeitszeit einzusparen. «Laufe nicht den Problemen hinterher, sondern kümmere dich um Lösungen», bringt es Högenauer auf den Punkt.

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