Nun geniesst Barbara Haab ihre Esel für sich allein, nachdem sie die Tiere lange in der Psychotherapie genutzt hat.
Viele Jahre war Barbara Haab als Psychotherapeutin tätig und behandelte Personen mit Depressionen bis hin zu schweren Traumata. «In den letzten Jahren massiv zugenommen haben Burn-outs», weiss sie. Oft verursacht durch Probleme am Arbeitsplatz oder in der Familie.
Burn-out unter Bauern
Auch Bauern erkranken immer häufiger an Burn-out, erzählt sie. «Bauern sind gestresst durch Administratives und ständig wechselnde Vorschriften, während sie gleichzeitig überall und nirgends sein sollten und nie richtig gelernt haben, auch mal auf sich selbst zu hören», erklärt sie. Das trifft vor allem auf Bauern zu, die Vieh besitzen und für die Tiere sieben Tage pro Woche da sind. «Aus diesen Sachzwängen heraus fällt es vielen schwer, sich bewusst Freizeit zu nehmen oder einfach mal gar nichts zu tun», meint Haab.
Tiere können anderseits auch hilfreich sein, wie sie aus eigener Erfahrung weiss. In Says, etwas oberhalb von Chur gelegen, hält sie selbst vier Esel. «Ihr Futter kaufe ich, und etwa 1,3 Hektaren Land nutze ich als Weide», erzählt sie. Bis Ende letzten Jahres hat die inzwischen 70-Jährige die Esel auch genutzt, um tiergestützte Psychotherapie anzubieten. Wobei sie betont: «Ich habe nur Patienten zu mir nach Says genommen, die schon für Gesprächstherapien in meiner Praxis in Chur waren und von denen ich wusste, dass sie meinen privaten Raum zu Hause respektieren.»
Esel besonders geeignet
Zwar werden auch Pferde für diese Form von Psychotherapie genutzt, Haab hält Esel jedoch für besonders geeignet. «Im Vergleich zum Pferd sind Esel individualistischer, mit weniger ausgeprägten Hierarchien innerhalb der Herde, weshalb sie sich weniger leicht unterordnen. Das bedeutet, dass ein Mensch einen Esel mehr gewinnen muss», erklärt Haab.
Esel können sprichwörtlich stur sein, wobei diesem Verhalten drei Ursachen zugrunde liegen können. Es kann sein, dass sie müde sind und nur eine kurze Pause brauchen. Oder Esel bleiben stehen, wenn sie vor etwas Angst haben. In diesem Fall muss der Mensch dem Esel helfen, die Angst zu verlieren. Schliesslich mag ein Esel auch mal nur keine Lust haben – dann müsse man den Mut haben durchzugreifen.
«Als Eselbesitzer ist es wichtig, unterscheiden zu können, welche der drei Ursachen für sein ‹störrisches› Verhalten gerade vorliegt.» Reagiert der Esel nicht, spiegelt er dabei oft nur wider, was in einer Person abgeht. «Esel spüren, wenn jemand etwas anderes sagt, als er denkt. So helfen sie einem Patienten wie in einem Spiegelbild seine inneren Widersprüche zu erkennen, deren sich die meisten davor nicht bewusst waren», erklärt Haab.
Nähe wieder zulassen
Wenn Patientinnen und Patienten sich durch das Spiegelbild im Esel bewusst werden, woran sie arbeiten müssen, hilft der Esel schliesslich, eine Verhaltensweise zu korrigieren. Burn-out-Patienten können etwa lernen, sich besser durchzusetzen, und das sowohl in Worten als auch durch die Körpersprache. «Am Esel können sie etwa lernen, dass es legitim ist, von ihm etwas zu verlangen», sagt Haab.
Bei Trauma-Patienten, darunter häufig Frauen, die sexuell missbraucht wurden, ist es meist zusätzlich wichtig zu lernen, durch die sanfte Unterstützung des Esels Nähe und Berührung wieder zuzulassen und den Körper zu spüren.
«Sowohl die Esel, vor allem aber Therapeutinnen und Therapeuten müssen für eine solche Aufgabe sehr gut ausgebildet sein», sagt Haab. Die tiergestützte Psychotherapie dürfe auch nicht mit anderen tiergestützten Aktivitäten wie z.B. Lamatrekking verwechselt werden. Denn in einer Psychotherapie würden Probleme mit gezielten Interventionen angegangen und diese würden individuell auf die Bedürfnisse jeder Patientin und jedes Patienten abgestimmt.

