-
YOUTUBE:ZM-2LXVt8xs -
Zum zweiten Mal wird in der Nähe von Brugg AG Reis im Nassanbau produziert. -
Toni Suter betreut im Auftrag der Schwarz Gemüsebau AG in Villigen das Reisanbau-Projekt. -
Überall im Reisfeld quakt es: den Fröschen gefällt es hier anscheinend ausgezeichnet. -
Auch seltene Libellenarten wie die Blutrote Heidelibelle haben hier einen Lebensraum gefunden.
Beim Reisanbau nördlich der Alpen hat vieles noch experimentellen Charakter, doch könnte sich diese Nische in Zukunft etablieren. Ganz zum Vorteil vieler seltener Amphibien-, Insekten- und Vogelarten (mit Video).
Frösche quaken und Libellen schweben im Tiefflug über das Wasser. Überall strecken Reispflanzen ihre Stängel aus dem seichten Wasser. Nein, wir befinden uns nicht in Asien, sondern in der Nähe von Brugg im Kanton Aargau. In Lauffohr wird bereits zum zweiten Mal Reis im Nassanbau angepflanzt.
Zuerst Trockenverfahren
Toni Suter, Bereichsleiter bei Schwarz Gemüsebau in Villigen ist für dieses besondere Projekt zuständig. Zielstrebig geht er näher an das geflutete Feld heran. Rechts und links von ihm hüpfen Frösche davon. «Ich bin wirklich beeindruckt von der Biodiversität, die sich hier bereits entwickelt hat», sagt er. Hier wurde vorher über Jahrzehnte intensiver Gemüsebau betrieben. Bereits im ersten Jahr haben sich mehrere bedrohte Pflanzen und etliche seltene Amphibien von der roten Liste im Feld etabliert. «Das ist erstaunlich und stellt der integrierten Produktion ein gutes Zeugnis aus», sagt Toni Suter.
Seit acht Jahren baut er hier im Auftrag seines Vorgesetzten Max Schwarz Reis an – im Trockenverfahren (siehe Box). «Max Schwarz hatte schon länger die Vision von Wasserschlossreis und diesen Namen bereits vor Jahren schützen lassen», sagt Suter. Schwarz sah im Aargauer Reis eine echte Marktchance. Doch hat sich der Trockenreisanbau mässig gut bewährt und Schwarz hat mehr investiert als gewonnen.
Trockenanbau von ReisWeltweit werden etwa 80% des Reises nass angebaut, nur etwa 20% im Trockenverfahren. Trockenreis wird vor allem in Regionen mit wenig Niederschlag oder in den Bergen angebaut. Diese Art, Reis anzubauen, ist sehr aufwendig, da Unkraut und Schädlinge nicht durch das Wasser ferngehalten werden. Der Aufwand durch das Jäten sowie die Gefahr von Pilz- oder Schädlingsbefall ist gross. Gleichzeitig sind die Erträge eher gering. Beim Trockenanbau sind warme Temperaturen zentral. Deshalb wird in der Schweiz schon seit vielen Jahren im Kanton Tessin Trockenreis angebaut.
Dann hat Toni Suter eines Tages eine Aufnahme des Versuch-Feldes im Berner Seeland gesehen. «Ich dachte zuerst an Fake News», sagt er. Nassreis-Anbau im Schweizer Mittelland? Geht das überhaupt? Deshalb habe er sich intensiv mit Hans Rudolf Mühlheim ausgetauscht, der in Zusammenarbeit mit Agroscope im seeländischen Schwadernau von Trocken- auf Nassanbau umgestiegen ist. «Er hat uns wirklich Mut gemacht und wir sahen unseren Weg plötzlich auch im Nassanbau», sagt Suter. Schon bald fand ein Treffen zwischen ihm, Max Schwarz und einem Projektteam von Agroscope statt.
Doch musste zuerst ein geeignetes Feld gefunden werden: möglichst nahe an der Aare, ein nicht zu durchlässiger Boden und vor allem möglichst flach. «Sobald ein Gefälle vorhanden ist, ist kein regelmässiger Wasserpegel möglich. Und dieser muss auf den Zentimeter genau stimmen», weiss Suter mittlerweile aus Erfahrung. Im April 2019 konnte es mit der ersten Nassreis-Saison im Kanton Aargau losgehen. Doch auf einen kühlen April folgte ein kalter Mai mit tiefen Nachttemperaturen. Trotzdem konnten schlussendlich alle involvierten Landwirte im Oktober 2019 Reis ernten und erfolgreich verkaufen.
Die Reispflanzen mögen es warm
Da war der warme und trockene April 2020 ein richtiger Segen. «Wenn die Sonne scheint, erreicht das Wasser jetzt schon zum Teil Temperaturen von etwa 25 Grad», sagt Toni Suter. Das sei ideal für das Wachstum der Reispflanzen. Drücke dabei kaltes Grundwasser aus tieferen Bodenschichten hinauf, führt dies zu einer Abkühlung des Wassers und der Reiswachstum wird abgebremst.
Toni Suter und sein Team haben Ende April Loto-Reis gesät und Carnaroli-Reis gesetzt. «Insgesamt haben wir im letzten Jahr im Wasserschloss vier weitere Sorten – darunter auch Langkornreis – getestet. Am erfolgreichsten etablierte sich die Sorte Loto», erklärt Katja Jacot die Wahl der Reissorte.
Der Nassreis-Anbau wird bezüglich Methanausstoss kritisiert – zurecht?Das kann so aktuell noch nicht abschliessend beantwortet werden, doch sind entsprechende Feld-Versuche bei Agroscope bereits in Vorbereitung. «Modellrechnungen zeigen, dass eine vorübergehende Flutung den negativen Effekt der Methanbildung so reduziert, dass die Nassreis-Kultur gegenüber organischen Böden bezüglich Treibhausgas-Bilanz sogar besser abschneidet», sagt Katja Jacot zu diesem Thema. Auf mineralischen Böden etwa gleich bis leicht schlechter. Ob diese Berechnungen zutreffen, wird sich in Feldversuchen schon bald zeigen.
Doch auch Carnaroli-Reis eignet sich gut. Da dieser eine etwas längere Vegetationszeit hat als Loto-Reis wurde er in diesem Jahr neu in Form von Setzlingen gepflanzt. Dies steigert die Zuverlässigkeit, dass diese Sorte im Herbst auch wirklich zu Reife kommt; die Vegetationszeit verkürzt sich so um etwa einen Monat.
Die Reis-Setzlinge konnten sogar trockenen Fusses gesetzt werden, denn das Feld wurde erst danach geflutet. Einzig der Seitenkanal des Feldes war damals schon nass. «Dieser Wassergraben am Feldrand sorgt dafür, dass das Wasser sich aufwärmen kann, bevor es sich im Feld verteilt», erklärt Katja Jacot, Projektleiterin bei Agroscope. Zudem sei der früh geflutete Wassergraben wichtig für die Entwicklung der Amphibien.
«Diese verbreitet sich rasch und gedeiht im Gegensatz zu den meisten anderen Pflanzen auch unter Wasser weiter. Letzte Saison haben wir deshalb 150 Stunden pro Hektare gejätet», sagt Suter. Er hoffe, dass dies in der aktuellen Saison etwas reduziert werden könne. Herbizide kommen jedenfalls keine zum Einsatz. Doch können die bisherigen Erfahrungen von Agroscope hier miteinfliessen. «Erste Versuche zeigen, dass über die Hälfte der Hirsepflanzen unterdrückt werden können, wenn das Feld möglichst früh geflutet werden kann», sagt Katja Jacot. So kommen laufend weitere Erfahrungen dazu.
«Wir streben eine langfristige Zusammenarbeit von Landwirten aus der Region an, die gemeinsam Wasserschlossreis produzieren», sagt Toni Suter. Auch ist die Schwarz Gemüsebau AG Mitglied in der Interessengemeinschaft Nassreis. Ein Erfahrungsaustausch der gerade bei neuartigen Kulturen eminent wichtig ist.
Ein Plus für die Biodiversität
Die Geschichte des Nassreis-Anbaus bei Agroscope2017: Ein erster Pilotversuch wurde 2017 in der Grenchener Witi auf einer kleinen Parzelle von 30m2 in Zusammenarbeit mit dem Landwirt Hans Mühlheim durchgeführt. Unterstützt wurde der Versuch vom Kanton Solothurn, Raumplanungsamt, Abteilung Natur und Landschaft. Der Reis wurde in Direktsaat und mit vorgezogenen Setzlingen angebaut. Der Versuch mit den Setzlingen war ein voller Erfolg. Hochgerechneter Ertrag: 1,3 Tonnen pro Hektare.2018: Auf einer etwas grösseren Fläche von zirka 20 Aren wurde in Schwadernau bei Biel an der Aare in Zusammenarbeit mit dem Bewirtschafter Hans Mühlheim Nassreis angebaut. Hochgerechneter Ertrag: bis zu 8 Tonnen pro Hektare.2019: Eine grössere Pilotphase in Zusammenarbeit mit der HAFL fand im Rahmen eines vom BLW, BAFU und den Kantonen Aargau, Bern und Waadt finanzierten Projektes statt. Auf 6 Feldern wurden in Zusammenarbeit mit der IG-Nassreis (www.nassreis.ch) in mehreren Regionen des Mittellandes verschiedene Anbaumethoden und Sorten getestet und der Einfluss auf die Biodiversität beobachtet.2020: Die Reisfelder wurden vergrössert, der Anbau optimiert. Im Frühling konnten dank weiteren Landwirten, die auf Reisanbau setzen, auf insgesamt 9 Feldern Reis angesät und später geflutet wurden. Der Anbau wird von HAFL, Vogelwarte, Infofauna, Pro Natura und Agroscope wissenschaftlich begleitet und vom BAFU sowie von den Kantonen VD und AG finanziell unterstützt.