Nationalrat Martin Candinas (GR/Mitte)
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Der 42-jährige Bündner Mitte-Politiker Martin Candinas ist am Montag, dem ersten Tag der Wintersession, zum neuen Nationalratspräsidenten gewählt worden. In seinen bisher elf Jahren im Nationalrat setzte er sich vor allem für Berggebiete und die Sprachenvielfalt ein.
Er ist definitiv kein «Hinterbänkler». Martin Candinas ist sowohl im Kanton Graubünden wie auch in Bern bekannt. In seinen elf Jahren im Nationalrat ergriff er 303 Mal das Wort und reichte 123 Vorstösse ein. 12 davon wurden angenommen.
Seine politische Haltung reicht – je nach Thema – von eher links bis konservativ. So kämpfte er aktiv für das Mediengesetz, für den öffentlichen Verkehr und die Digitalisierung. Für diese Themen brenne er, sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Stärkere Regulierung für den Wolf
Gesellschaftspolitisch ist er ruhiger und konservativer unterwegs. Bei der «Ehe für Alle» stimmte er Nein und beim Wolf setzt er sich klar für eine stärkere Regulierung ein.
Obwohl er während seines Präsidialjahres nicht aktiv politisieren darf, bleibt Candinas in den Kommissionen. So werde er insbesondere die Geschäfte in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen beobachten und begleiten, sich aber dezenter einbringen, sagte er. In der Sicherheitspolitischen Kommission will er allerdings kürzertreten.
Was macht ein Ratspräsident?
Der Ratspräsident leitet die Verhandlungen des Rats, legt im Rahmen der Sessionsplanung des Büros die Tagesordnung fest, leitet das Ratsbüro und vertritt den Rat nach aussen. In der Regel äussern sich Ratspräsidenten und -präsidentinnen nicht zur Sache und stimmen nur dann mit, wenn die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes Rates erforderlich ist. Bei Stimmengleichheit fällt er oder sie den Stichentscheid.
«Leer geschluckt»
Sein Präsidialamt erlaubt ihm auch nicht, zu viel Zeit in Kommissionsarbeit zu investieren. Schonfrist gibt es keine. Bereits in seiner ersten Session muss er die Ersatzwahlen für die zurücktretenden Bundesräte Ueli Maurer (SVP) und Simonetta Sommaruga (SP) leiten.
«Insgeheim träumt jeder davon», räumte Candinas ein. Es sei aber nicht zu leugnen, dass Nervosität mitspiele. «Als nach Bundesrat Ueli Maurer auch noch Bundesrätin Simonetta Sommaruga ihren Rücktritt bekanntgab, habe ich schon leer geschluckt.» Das Amt des Nationalratspräsidenten bezeichnet er als Höhepunkt seiner politischen Laufbahn.
Parlamentsausdrücke in Rumantsch
Mit 26 Jahren wurde der damalige Verkaufsleiter einer Krankenversicherung zum jüngsten Grossrat in Graubünden gewählt. 2011 zog er in den Nationalrat ein. Nach seinem Jahr als Nationalratspräsident möchte sich der dreifache Vater für eine weitere Legislatur zur Verfügung stellen.
Als einer von bloss drei Rätoromanisch sprechenden Politikern in Bern eröffnet Candinas seine Reden und Sitzungen oft mit einem Satz in der vierten Landessprache. Dies möchte er auch in seinem Präsidialjahr tun, wie er weiter ausführte. Ausserdem plant er für seine Ratskolleginnen und -kollegen eine 30-seitige Broschüre, in der Parlamentsausdrücke in Französisch, Italienisch, Rumantsch Grischun und Sursilvan übersetzt sind.
Sein Bündner Nationalratskollege – und ebenfalls Rätoromane – Jon Pult (SP) sagte auf Anfrage: «Graubünden macht mit Martin Candinas eine sehr gute Figur. Die Schweiz wird sich durch ihn noch besser seiner vierten Landessprache bewusst.»
«Ich möchte niemanden mit Rätoromanisch nerven»
Die Sprachenvielfalt ist ein wichtiges Thema für Candinas. In Rabius, in der oberen Surselva aufgewachsen, lernte er in der Schule Deutsch. Heute engagiert sich der Mitte-Mann als Präsident der Parlamentarischen Gruppe lingua e cultura rumantscha und als Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppe für Mehrsprachigkeit.
«Ich möchte niemanden mit Rätoromanisch nerven. Dennoch gehört es zu meiner Identität und diese werde ich leben», kündigte Candinas an.