Agri-Photovoltaik-Anlage über Apfelbäumen.
Bernd Schumacher
In den vergangenen Monaten wurde die Agro-Photovoltaik mehrmals thematisiert. Die kantonalen Landwirtschaftsdirektoren lehnen es mit aller Deutlichkeit ab, Landwirtschaftsland grossflächig für Photovoltaikanlagen zu nutzen. Zuerst müssten die Dachflächen genutzt werden.
In der «Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren» (LDK) sind die für die Landwirtschaft zuständigen Regierungsmitglieder der 26 Kantone und des Fürstentum Lichtenstein vereint. Sie haben kürzlich getagt.
11’500 ha Ackerfläche
Die LDK diskutierte auch über Agro-Photovoltaik (Agri-PV). An der ersten Tagung zur Agri-PV von Juli 2022 wurde dieser Energiegewinnung Potenzial zugeschrieben. «Rein theoretisch könnte dreimal so viel Strom erzeugt werden, wie verbraucht wird – sofern man alle Flächen in der Landwirtschaftszone einbezieht, die von der Solareinstrahlung her geeignet wären», sagte Mareike Jäger, Projektleiterin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Sie erstellte eine Machbarkeitsstudie zur Agro-Photovoltaik in der Schweiz.
Aufgrund von Restriktionen sinkt das Flächenpotenzial. Aus raumplanerischer Sicht sei Agri-PV nur in «wenig empfindlichen Gebieten» vorstellbar, so die Studienautorin. Um ein Agri-PV-Projekt zu realisieren, muss es erschlossen sein. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass das Umsetzungspotenzial schnell abnimmt, wenn die Netz-Erschliessung berücksichtigt wird.
Mareike Jäger erläuterte, mit welchen Flächenanteilen man rechnen könnte, wenn man von einem erhöhten Strombedarf von etwa 80 Terrawattstunden pro Jahr ausgeht und rund 10 Prozent davon aus der Agri-PV kämen. Dies hiesse: 11’486 Hektar Ackerfläche (ca. 1,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz) oder 27’914 Hektar Grünland oder 9’643 Hektar Dauerkulturen (Rebberge und Obstanlagen).
Dachflächen statt Freiflächen
Für die LDK ist Agro-Photovoltaik keine Option. In den vergangenen Monaten hätte die Warnung vor einer Strommangellage die Schweizer Bevölkerung und die Politik aufgeschreckt. Mit grossem Aktionismus habe die Politik seither Diskussionen und Gesetzesanpassung im Bereich Freiflächen-Photovoltaik angestossen, kritisieren die Landwirtschaftsdirektoren. Auch würden Energieunternehmen auf solche Anlagen schielen.
Die LDK lehnen sämtliche Begehrlichkeiten in dieser Richtung ab. Man setze sich seit jeher für den Schutz des Kulturlandes ein. «Die Landwirtschaft hat noch ein grosses Potenzial von freien Dachflächen. Zuerst müssen diese genutzt werden, bevor wir uns an unserer Produktionsgrundlage Boden vergreifen», erklärt Stefan Müller, Regierungsrat Appenzell Innerrhoden und LDK-Präsident.

BKW
Lösung für dezentralen Netzanbindung
Die LDK setzt sich deshalb dafür ein, dass das heute vorhandene Potential auf den Gebäuden besser genutzt werden kann. Dafür brauche es dringend Lösungen zur dezentralen Netzanbindung durch die Elektrizitätsversorger, damit die Gebäudeeigentümer nicht mit hohen Anschlusskosten konfrontiert würden, stellen die Landwirtschafsdirektoren klar.
Kritisch gegenüber Agri-PV gibt sich auch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). «Fruchtfolgeflächen sind die wertvollsten Ackerflächen der Schweiz und für die Eigenversorgung zur menschlichen Ernährung unverzichtbar», sagte Johnny Fleury, stellvertretender Fachbereichsleiter am Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), an der Agri-PV-Tagung.
Ernährungswirtschaft und Konsum mehr zur Verantwortung ziehen
Das Bundesamt für Landwirtschaft erarbeitet zurzeit die «Strategie Strukturverbesserung 2030». Die LDK begrüsst grundsätzlich, dass das Instrument der Strukturverbesserungen (SV) gestärkt und langfristig gesichert werden sollen. Das Hauptziel der Strukturverbesserung müsse jedoch erhalten bleiben: Die Verbesserung der Produktions- und Lebensgrundlagen für die Bevölkerung im ländlichen Raum. Die LDK teilt die Einschätzung, dass der Bedarf an Mitteln steigen wird. Übertriebene Forderungen oder unpraktikable neue Instrumente in den Bereichen Ökologisierung und Erhaltung der Landschaftsqualität in Zusammenhang mit Strukturverbesserungsprojekten lehnt die LDK jedoch ab.
Die LDK begrüsst bei der Klimastrategie «Landwirtschaft und Ernährung 2030» den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette vom Feld bis zum Teller. Sie bemängelt jedoch die fehlende Diskussion zu Zielkonflikten und die fehlende Kohärenz mit bereits bestehenden Strategien in anderen Themenfeldern. In der Strategie werde aufgezeigt, dass aus der Änderung der Essgewohnheiten von Herrn und Frau Schweizer das grösste Reduktionspotential von Treibhausgasen resultiert. «Unverständlich ist, dass sich die geplanten und messbaren Massnahmen praktisch ausschliesslich auf die landwirtschaftliche Produktion beschränken», so die LDK. Es müsse die gesamte Ernährungswirtschaft eingebunden werden.