Letztlich gehe es nicht in erster Linie um den Erhalt von Unternehmen, sondern um die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit, so der Bundesrat. – analogicus
Der Bundesrat beharrt nach teilweise massiver Kritik in der Vernehmlassung auf einem 10-Milliarden-Franken-Rettungsschirm für die Strombranche. Er hat jedoch zahlreiche Anpassungen ins Gesetz aufgenommen, das nun ins Parlament geht.
Der Bundesrat überwies am Mittwoch die Botschaft für ein dringliches Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen für Stromunternehmen ans Parlament.
Versorgungssicherheit gewährleisten
Er will zwar weiterhin die drei systemkritischen Unternehmen Axpo, Alpiq und BKW unter den Schutzschirm stellen, aber einen Alternativmechanismus einbauen. Konkret will der Bundesrat Unternehmen, die auf eine kantonale Liquiditätsunterstützung zählen können, im Wesentlichen vom dringlichen Bundesgesetz ausnehmen.
Mit dem Rettungsschirm will die Landesregierung die Versorgungssicherheit gewährleisten. Weitere starke Preisaufschläge könnten zu einer Kettenreaktion in der Strombranche führen und schlimmstenfalls einen Systemkollaps zur Folge haben, sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch vor den Medien in Bern. Mit dem präventiven Instrument wolle der Bundesrat Notrecht und einen Flächenbrand vermeiden. Es gehe aber nicht darum, Unternehmen zu retten, die Solvenzprobleme oder sich verspekuliert hätten.
Risikozuschlag deutlich gesenkt
Angesichts der zahlreichen Einwände in der kurzen Vernehmlassung kommt der Bundesrat den Kritikern in einigen Punkten entgegen. So hat er die Auskunfts- und Informationspflichten gelockert, insbesondere vor der Gewährung eines Darlehens. Gestrichen hat er auch seine Möglichkeiten zur operativen Einflussnahme.
Weiter hat er den Risikozuschlag für die Darlehen substanziell gesenkt. Dieser soll neu zwischen vier und zehn Prozent betragen. In der Vernehmlassungsvorlage war noch von 20 bis 30 Prozent die Rede, wie Finanzminister Ueli Maurer an der Medienkonferenz erinnerte.
Zudem hat der Bundesrat die Berechnung der Bereitstellungspauschale präzisiert. Für die drei betroffenen systemrelevanten Stromunternehmen macht diese «Versicherungsprämie» gemäss Maurer 10 bis 20 Millionen Franken im Jahr aus. Das sei zwar viel Geld, aber «das ist bezahlbar, ohne dass sie zu Grunde gehen».
Maurer: «Elektrizität ist Schlüssel für alles»
Letztlich gehe es nicht in erster Linie um den Erhalt von Unternehmen, sondern um die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Elektrizität sei «der Schlüssel für alles und jedes in diesem Land». Da sei eine solche Prämie für die allfällige Bereitstellung von Milliardenbeträgen innerhalb von maximal 48 Stunden schon gerechtfertigt, so Maurer.
Ausserdem verzichtet der Bundesrat auf eine automatische, gesetzliche Verpfändung der Aktien des Unternehmens bei Gewährung eines Darlehens. Um private Finanzierungslinien nicht zu gefährden, sieht die Vorlage zudem die Möglichkeit von nachrangigen Darlehen vor, sollte dies zwingend notwendig sein.
Kein Verbot zur Weiterbelastung
Die Vorlage verzichtet ferner auf ein explizites Verbot zur Weiterbelastung der Bereitstellungspauschale, des Risikozuschlags sowie der Zinsen an die Endverbraucherinnen und Endverbraucher, welche Elektrizität für den eigenen Verbrauch in der Grundversorgung beziehen.
Nicht eingehen konnte der Bundesrat nach eigenen Angaben auf die Forderung, den Rettungsschirm für alle Unternehmen zu öffnen. Dadurch würde faktisch eine staatliche Förderbank für die Energiebranche geschaffen. Die Stützung nicht systemkritischer Unternehmen sei weiterhin Sache der Eigentümer.
Extreme Preisausschläge
Der Bundesrat befristet das Gesetz bis 2026. Das Parlament sollte die Vorlage gemäss Wunsch des Bundesrates in der Sommersession im dringlichen Verfahren beraten und verabschieden. Wie Sommaruga an der Medienkonferenz ausführte, hat das Büro aber entschieden, dass die Räte sich mehr Zeit für die Vorlage nehmen wollen. In der Sommersession ist nun vorerst der Ständerat am Zug.
Nach 2026 soll eine Reihe von Massnahmen gelten, welche die Strombranche widerstandsfähiger macht. Dazu gehören Regeln für den Weiterbetrieb wichtiger Funktionen wie die Stromproduktion, ein Gesetz zur Integrität und Transparenz des Grosshandels mit Strom und Gas und allfällige Liquiditäts- und Kapitalvorschriften.
Den Anstoss für das dringliche Bundesgesetz gaben extreme Preisausschläge im vergangenen Dezember. Die Strompreise schossen innert weniger Tage um das Acht- bis Neunfache in die Höhe. Der Stromkonzern Alpiq – der nach Umsatz zweitgrösste Stromversorger der Schweiz – ersuchte wegen des drohenden Liquiditätsengpasses den Bund vorsorglich um finanzielle Hilfe. Später zog er das Gesuch wieder zurück, weil die Aktionäre dem Konzern eine temporäre Liquidität zur Verfügung stellten.
Keine Angst vor Präzedenzfall
Weiter verstärkt hat sich die unsichere Lage zwischenzeitlich durch den Krieg in der Ukraine. Falls russische Gaslieferungen ausfallen, würde sich die Lage weiter verschärfen. Angesichts der historisch hohen Preisschwankungen will der Bundesrat den Worst Case vorbereiten, «der hoffentlich nie eintritt», wie Sommaruga bereits Mitte April bei der Präsentation des Rettungsschirms sagte.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung orientiert sich laut Maurer am Too-big-to-fail-Modell für die Grossbanken. Es sei eine Versicherung für den absoluten Notfall, «die der Bund leistet, weil andere es nicht können». Um nicht einen Präzedenzfall für andere Branchen zu schaffen, habe der Bundesrat «bewusst nicht eine attraktive Lösung gewählt».