Personen von «269 Libération Animale» waren am 21. November 2018 am frühen Morgen auf das Bell-Gelände in Oensingen SO gedrungen und hatten jenen Bereich besetzt, wo Rinder zur Schlachtung angeliefert wurden. – Facebook
Sind Tierschützer eine Gefahr für die innere Sicherheit? Der Bundesrat ist dieser Ansicht. Denn seit Sommer 2020 überwacht der Schweizer Staatsschutz die militante Tierrechtsorganisation «269 Libération Animale Suisse». Diese hat in den vergangenen Jahren mehrmals Schlachthöfe blockiert.
Der Schweizer Geheimdienst überwacht Organisationen oder Personen, die die innere Sicherheit der Schweiz bedrohen. Dazu zählen Spionage, Islamisten, Links- und Rechtsextreme und seit einigen Monaten auch Tierschützer.
Antrag von Viola Amherd
Wie die «TX-Medien» in ihren Dienstagsausgaben berichten, stellte Verteidigungsministerin Viola Amherd den Antrag zur Überwachung von «269 Libération Animale Suisse» im vergangenen Sommer. Ein Eintrag auf die Beobachtungsliste bedarf einer Zustimmung des Gesamtbundesrats. Amherd konnte ihre Kollegen überzeugen. Der Nachrichtendienst des Bundes (NBD) darf politische Aktivitäten im Inland nur überwachen, wenn Organisationen auf der geheimen Beobachtungsliste stehen.
Das hat für «269life Libération Animale Suisse» weitreichende Folgen. Durch diese Listung gilt die Organisation als eine Bedrohung für die innere Sicherheit. Der NBD darf nun gemäss Nachrichtendienstgesetz «alle verfügbaren Informationen beschaffen und bearbeiten.»

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Nachrichtendienst
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist keine Strafverfolgungsbehörde. «Seine Kernaufgaben sind die Prävention und die Lagebeurteilung zuhanden der politischen Entscheidungsträger», schreibt der NBD auf seiner Website. Der NDB beschafft sicherheitspolitisch wichtige Informationen und wertet diese aus. Er liefert «entscheidende Beiträge für die umfassende Beurteilung der Bedrohungslage», heisst es weiter. Organisation «kämpft» offensiv
Organisation «kämpft» offensiv
Ihren Ursprung hat «269life Libération Animale Suisse» in Frankreich. Sie wurde 2016 gegründet. Der Name «269 Libération Animale» stammt von einem Kalb mit dem Namen Calf. Es sollte geschlachtet werden und habe eine Ohrmarke mit der Nummer 269 getragen, so die Organisation. Das Tier wurde gerettet und es ziert bis heute das Logo der Organisation.
Wie die «Solothurner Zeitung» im November 2018 berichtete, kämpft «269 Libération Animale» (269 Tierbefreiung) offensiv gegen Tierausbeutung- und tötung. Mit Aktionen wollen die Tierschützer zeigen, dass Tiere keine Sachen und Güter sind, sondern Wesen sind wie Menschen, die ein Recht auf Leben hätten.
Schlachthöfe besetzt
Wie die «TX-Medien» weiter berichten, vertreten die Mitglieder der Organisation den Anti-Speziesismus. Sie ordnen den Menschen keine übergeordnete Rolle zu. Und sie lehnen den Konsum von tierischen Produkten ab. Beim Speziesismus kann eine Ungleichbehandlung zweier Lebewesen allein durch ihre unterschiedliche Artzugehörigkeit gerechtfertigt werden.
«269 Libération Animale» wurde in der Schweiz im März 2018 erstmals von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Damals drangen sie in einen Schlachthof bei Rolle VD ein. Sie machten Fotos von Ziegen und befreiten 18 Tiere. Erstinstanzlich wurden zwei Mitglieder der Gruppe wegen Hausfriedensbruchs und unrechtmässiger Aneignung zu Geldstrafen ohne Bewährung verurteilt. Ausserdem mussten sie dem Viehzüchter für die gestohlenen Ziegen eine materielle Entschädigung in der Höhe von rund 11’000 Franken zahlen.
«Unser Platz ist zwischen den Messern und den Opfern»
Doch bereits im Dezember 2017 hat die Organisation gewirkt. Bei Vich VD wurden ebenfalls ein Schlachthof besetzt sowie der Strassenverkehr in Aubonne VD blockiert. «Wir wollen das Sterben der Tiere verhindern und wehren uns gegen jegliche gewaltsame Räumung», teilten die Tierschützer damals mit. «Unser Platz ist zwischen den Messern und den Opfern», lautete die Botschaft. Eine Frau wurde später verurteilt.
In der Deutschschweiz trat «269 Libération Animale» bei Coop-Tochter Bell in Erscheinung. Im November 2018 wurde der Schlachthof Oensingen SO besetzt. Mittlerweile wurden 125 Personen mit einem Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
Drei Dutzend Mitglieder
Gemäss den «TX-Medien» gehen die Staatsschützer davon aus, dass die Organisation in der Schweiz rund drei Dutzend Mitglieder hat, vornehmlich in der Romandie. Finanziert und gesteuert werde der Schweizer Ableger von Frankreich.
Noch im Sommer 2019 ging der Nachrichtendienst von keiner Staatsgefährdung aus, heisst es im Zeitungsbericht. Damals wertete er ihre Aktivitäten aber noch als «zivilen Ungehorsam» – und dies notabene nach den Aktionen in der Romandie und in Oensingen. Die Aktivitäten von 269 LA würden «nicht ansatzweise eine ähnliche kriminelle Energie wie vor Jahren in der Kampagne «Stop Huntingdon Animal Cruelty» erreichen, schrieb der NDB damals.
Politiker unterschiedlicher Meinung
Weshalb die Organisation ein Jahr später als Bedrohung für die Schweiz gilt, ist unklar. Für Nationalrätin Meret Schneider (Grüne/ZH) geht die Überwachung zu weit. Sie kenne «269 Libération Animale». Es kommen zwar zu Sachbeschädigungen, Gewalt gegen Menschen oder Lebewesen lehne die Organisation aber ab, sagt Schneider zu den «TX-Medien».
Anderer Meinung die Nationalrätin Jacqueline de Quattro. Die FDP-Politikerin. ««Es gibt aktuell die Gefahr, dass gewaltbereite Personen die Tierrechts-Organisationen infiltrieren und sie radikalisieren oder Gewalttaten verüben», warnt sie. Solange das Gesetz eingehalten werden, spreche nichts gegen eine Überwachung.
2 Responses
Der Begriff „Tierschützer“ macht sich gut als Titel-Schlagzeile, ist aber, wie beim Tamedia-Artikel, irreführend. Es gilt zu unterscheiden zwischen Tierschutzorganisationen wie z.B. dem Schweizer Tierschutz STS und Tierrechtsorganisationen. Der Sammelbegriff „Tierschützer“ wird weder den einen noch den anderen gerecht.
Guter, sachlicher, unaufgeregter Artikel.