Zu viele Bewohnerinnen und Bewohner in der Schweiz seien ohne Stimm- und Wahlrecht, wird von den sieben Denkfabriken bemängelt.
Jesper Dijohn
Die Demokratie ist unter Druck, und die Schweiz steht vor vielfältigen Herausforderungen. So sehen es sieben Denkfabriken, die im Arbeitspapier «Baustelle Demokratie» Ideen liefern wie zum Beispiel eine neutrale Cloud zur Information und ein Grundrecht auf Einbürgerung.
Die Trendforscherinnen und -forscher der Ideenschmieden benennen die Herausforderungen und konzentrieren sich auf fünf Themen: die Schweiz in der Welt, verhinderte Teilhabe, erschwerte Informiertheit, schnelle Krisen und Demokratiemüdigkeit. Das Arbeitspapier wurde am Freitag veröffentlicht, wie es in einer Mitteilung heisst.
Angeregt worden war das Arbeitspapier «Baustelle Demokratie» von der Stiftung Mercator Schweiz und der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft. Beteiligt waren die Schweizer Thinktanks (Denkfabriken) Avenir Suisse, Denknetz, Dezentrum, Foraus, Gottlieb Duttweiler Institut GDI, Institut Neue Schweiz INES und Reatch.
Die Denkfabriken benennen die Herausforderungen gemeinsam, geben aber individuelle Antworten auf die Frage, welche Massnahmen notwendig sind.
Neutrale Cloud für die Welt
Die Schweiz brauche neue Ideen und Allianzen für die Mitbestimmung im digitalen Raum. Darum sollte das Land über eine neutrale, humanitäre Cloud für die Welt nachdenken, fordert die Denkfabrik Foraus (Forum Aussenpolitik) mit Sitz in Bern. Das Gottlieb Duttweiler Institut regt ein offenes Internet an, zusammen mit Europa. Die Bevölkerung brauche besseren Zugang zu gesicherten Fakten.
Ein Grossteil der Datenclouds sei entweder von chinesischen oder von US-amerikanischen Firmen verwaltet, heisst es im Arbeitspapier. Cyberangriffe von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren seien an der Tagesordnung.
Grundrecht auf Einbürgerung
Aus Sicht der Ideenschmiede Institut Neue Schweiz braucht das Land ein Grundrecht auf Einbürgerung. Der Verein mit Sitz in Bern konzentriert sich auf Themen der Migrationsgesellschaft.
Zu viele Bewohnerinnen und Bewohner in der Schweiz seien ohne Stimm- und Wahlrecht, wird bemängelt. Denn: Die Demokratie verschaffe der Bevölkerung zu wenig Befriedigung, daraus entwickle sich eine zunehmende Demokratiemüdigkeit.
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger brauchten aber auch mehr globale Teilhabe. Die Politik solle Grossunternehmen demokratisieren, ist eine weitere Forderung im Arbeitspapier.
Krisennetzwerk der Wissenschaften
Da plötzliche Krisen den demokratischen Prozess herausfordern, brauche es ein föderales Krisennetzwerk der Wissenschaften, fordert Reatch, nach eigenen Angaben eine unabhängige Ideenschmiede für kritische Wissenschaftler und Wissenschaftsbegeisterte in der Schweiz. Deren Ziel ist «eine wissenschaftsfreundliche Kultur, in der Wissenschaft, Gesellschaft und Politik am gleichen Strang ziehen».
«Baustelle Demokratie» ist das zweite Arbeitspapier einer Gruppe von Schweizer Denkfabriken und Trendforscherinnen und -forschern. Das erste Papier zur sogenannten Klimakrise erschien im vergangenen Jahr und stellte Ideen wie jene zu einer fleischlosen Schweiz vor.
Laut den Initiatoren richtet sich das Arbeitspapier «Baustelle Schweiz» an Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, an Lehrpersonen und Schulen sowie an die interessierte Öffentlichkeit.
2 Responses
Gehen wenigsten alle aus der Denkfabrik Abstimmen und Wählen ?
Rechte und Pflichten
Die in der Schweiz lebende Bevölkerung hat viele, durch die Verfassung geschütze Rechte. Der Staat garantiert, dass er keine Handlung vornimmt, für die nicht eine gesetzliche Grundlage besteht.
Die in der Schweiz lebende Bevölkerung hat aber auch Pflichten, die sie dem Staat gegenüber erfüllen muss. Eine dieser Verpflichtungen ist das Stimmrecht und das Wahlrecht zu nutzen. Das Stimmrecht und Wahlrecht muss in Schweizer Hand bleiben. Das Recht sollte einer Pflicht werden.