Christine und Gottfried Grogg, Bützberg BE. Sie lehnen das Umfahrungsprojekt, das zur Abstimmung kommt, ab.
Hans Käser
Am Sonntag wird im Kanton Bern über das Umfahrungsprojekt Aarwangen abgestimmt. SVP-Grossrat Samuel Krähenbühl, ein Befürworter, wirft dem Gegner Gottfried Grogg auf Facebook vor, er sei nicht konsequent im Kulturlandschutz, wenn er nicht auch die grosse Überbauung Dorfmatt in Bützberg ablehne. Grogg sagt, das lasse sich nicht vergleichen. Das entsprechende Argument von Krähenbühl hat er auf seinem Facebook-Profil kurzerhand gelöscht.
8 Grundstücke mitten im Dorf Bützberg sorgen für einen Schlagabtausch auf Facebook. Sie umfassen gesamthaft 13’806 Quadratmeter oder 1,38 Hektaren. Die Grundstücke gehören der Fortimo AG, die dort die Überbauung Dorfmatt realisieren will.
Anfang Woche war die Website dorfmatt.ch noch abrufbar, jetzt ist die Site wegen Unterhaltsarbeiten offline, heisst es. Auf die Überbauung aufmerksam geworden ist Grossrat Samuel Krähenbühl (SVP) aus Unterlangenegg BE. Er kämpft für das Umfahrungsprojekt in Aarwangen BE, über das am Sonntag, 12. März im Kanton Bern abgestimmt wird.
«Niemand demonstriert gegen die Grossüberbauung!»
Samuel Krähenbühl postete am Sonntag auf seinem Facebook: «Gottfried Grogg-Meyer löscht die Argumente, die ihm gerade nicht passen! In Bützberg entsteht eine Grossüberbauung, aber gegen die kämpft Kulturlandschützer Godi nicht! 90 Wohnungen und 131 Parkplätze! Niemand demonstriert dagegen! Aber es braucht viel Kulturland! Und die 131 zusätzlichen Autos fahren auch auf Strassen!» Er bezog sich dabei auf Gottfried Grogg, Heimleiter und Landwirt in Bützberg BE. Grogg lehnt das Strassenumfahrungsprojekt Aarwangen ab.
Krähenbühl: Bevölkerungswachstum als Ursache
Der «Schweizer Bauer» hat bei Krähenbühl nachgefragt, inwiefern für ihn das Strassenbauprojekt und die Dorfmatt zusammenhangen. Krähenbühl schreibt: «Der laufende Kulturlandverlust durch Überbauung, aber auch durch Extensivierungen und Renaturierungen, ist ein grosses Problem. Denn die Schweiz hat vergleichsweise wenig Kulturland, aber eine ständig wachsende Bevölkerung. Und genau hier liegt die Ursache: Unser Land platzt aus allen Nähten, da jedes Jahr rund 100’000 Menschen netto einwandern. All diese Menschen wollen wohnen, arbeiten und sich bewegen. Auch im Oberaargau wurde und wird sehr viel gebaut.»

dorfmatt.ch
«Das ist geradezu heuchlerisch»
Aktuell laufe ein Bauverfahren für eine Grossüberbauung in Bützberg mit 90 Wohnungen und 131 Parkplätzen, so Krähenbühl. «Vor diesem Hintergrund ist der Widerstand gegen die Umfahrung eines stark belasteten Dorfes wie Aarwangen reine Symptombekämpfung. Geradezu heuchlerisch ist es, weil die Gegner der Strassensanierung gleichzeitig überhaupt keinen Widerstand gegen die zahlreichen Grossüberbauungen in ihren Gemeinden leisten.»
Tatsache sei, dass die Zonenplanordnungen von den Gemeinden verabschiedet würden. «Die Bürgerinnen und Bürger von Bützberg, bzw. Thunstetten hätten es also in der Hand gehabt, die neue Grossüberbauung in Bützberg zu verhindern. Dazu gehört beispielsweise auch Gottfried Grogg, der sich jetzt auf allen Kanälen lautstark gegen die Umfahrung von Aarwangen wehrt», schreibt Krähenbühl auf Anfrage.
Grogg: «Es sollten Kompromisse gefunden werden»
Und was sagt Gottfried Grogg? Der «Schweizer Bauer» hat bei ihm angefragt und ausführlich Auskunft erhalten. «Zuerst zu meiner grundsätzlichen politischen Ausrichtung. Als EVP-Politiker (ich habs zwar nur ein paar Jahre in die Finanzkommission von Thunstetten gebracht, letztes Jahr zurückgetreten) ist mein Denken Mitte rechts anzusiedeln, immer bestrebt, für Mensch und Umwelt gute Lösungen zu suchen im Bewusstsein, dass auch die Wirtschaft sich entwickeln muss und daher Kompromisse gefunden werden sollten.»
Und mit Bezug auf Samuel Krähenbühl, den er «Sämu» nennt, schreibt Grogg: « Ich bin kein Freund der Linken und Grünen, wie mich Sämu immer betitelt, allein schon das finde ich eines scharfen Denkers den er ist, unwürdig.»

Les graphistes
«Es hätte andere Varianten gegeben»
Zur Umfahrung Aarwangen schreibt Grogg auf Anfrage: «Ich habe mich seit Jahren engagiert, und zwar in der Planungsphase, dem Mitwirkungsverfahren und auch, als es um den Planungskredit im Grossen Rat ging. Mein Ansatz war immer und ist auch heute noch: Es gibt bessere Lösungen für die Verkehrs- und Sicherheitsprobleme in Aarwangen, als einfach eine Schneise zu schlagen mitten durch bestes Kulturland, Smaragdgebiet und Naherholungsgebiet. Dann fragen Sie natürlich welche denn?»
Grogg gibt auf diese Frage von ihm auch gleich selbst die Antwort: «Im Mitwirkungsverfahren wurde die Variante Nullplus der heutigen Variante gegenüber gestellt. Nullplus hätte und würde noch heute die Probleme lösen. Aber klar hat man die Umfahrung dieser Variante vorgezogen, aus der Sicht der Betroffenen in Aarwangen ist das die attraktivere Lösung.»
«Die Politik wollte nicht auf die betroffenen Landbesitzer hören»
Mit der heutigen Linienführung «hätte ich noch leben können, wenn die Politik wenigstens kompromissbereit gewesen wäre und z.B. einer Tunnelverlängerung im Bützbergtäli und auf der anderen Seite zugestimmt hätte. Seine Frau Christine Grogg, die bis im letzten Frühling EVP-Grossrätin war, habe damals im Grossen Rat mittels Motion genau das gefordert und sei klar unterlegen.
«Von Anfang an zeigte die Politik keine Kompromissbereitschaft, man wollte weder auf die Gemeinde Thunstetten noch auf die betroffenen Landbesitzer hören. Auch betreffend Linienführung der Umfahrungsstrasse hätte es landschaftsschonendere Varianten gegeben (es wurden damals 6 Varianten geprüft), aber auch da Null Kompromissbereitschaft.» So bilanziert Grogg: «Mit meinem Nein am 12. März will ich proklamieren, dass wir in Zukunft umdenken müssen was Überbauung von Kulturland betrifft. Man muss Kompromisse suchen auch wenn es mehr kostet, das Kulturland wird rar und bei den Fruchtfolgeflächen haben wir bald einmal keine Reserven mehr.»
Im Oberaargau führt heute der gesamte Verkehr zwischen dem Autobahnanschluss Niederbipp und dem Grossraum Langenthal durch den engen Ortskern von Aarwangen. Dort teilen sich eine Regionalbahn und der motorisierte Verkehr den Strassenraum.
Nun soll eine 3,6 Kilometer lange Umfahrungsstrasse gebaut werden, die allerdings Kulturland beansprucht und in den Lebensraum gefährdeter Pflanzen und Tiere eingreift. Es sind Ersatzmassnahmen geplant. Der vom Berner Stimmvolk zu bewilligende Baukredit für die Verkehrssanierung Aarwangen beträgt 97,8 Millionen Franken. 6,3 Hektaren Land beansprucht das Projekt im Oberaargau, vorwiegend Fruchtfolgeflächen, wie auch rund 1,6 Hektaren Wald. Ein Teil der 6,3 Hektaren ist Kompensationsmassnahmen geschuldet.
Die Gesamtkosten für die beiden Verkehrssanierungen Aarwangen und Burgdorf belaufen sich auf 618,5 Millionen Franken. Nach Abzügen der Beiträge von Bund (rund 137 Millionen) und Dritten sowie der bereits bewilligten Kredite für die Projektierungen geht es jetzt noch um knapp 412 Millionen Franken. -> Einen ausführlichen Bericht gibt es hier
Warum Grogg für die Überbauung Dorfmatt ist
Zum Überbauungsprojekt Dorfmatt schreibt Grogg: «Das ist ein gutes Beispiel von verdichtetem Bauen. Mitten im Dorfzentrum, ein Flecken Land, der seit Jahrzehnten nur als Naturwiese genutzt werden konnte, weil es Wasseraufstösse gab. Wo um Himmels willen sollen dann noch die dringend benötigten Wohnungen gebaut werden wenn nicht an einem solchen Standort? Es gäbe noch ein anderes Beispiel in unserer Gemeinde, da habe ich mich genau so eingesetzt an der Gemeindeversammlung. Dieses Land ist für uns Bauern kaum zu nutzen, liegt mitten im Siedlungsgebiet.»
Warum für Grogg kein Widerspruch entsteht
«Die Tatsache, dass ich mich einsetze dafür, dass wir Sorge tragen zum Kulturland und Kompromisse suchen bei den Bauvorhaben, impliziert doch nicht, dass ich mich gegen das Wachstum von Wirtschaft und Wohnungsbau stellen muss. Ebenso wenig gilt der Umkehrschluss, den mir Sämu eigentlich aufzwingen will: Wenn du für den Wohnungsbau in der Dorfmatt bist, dann darfst du jetzt nicht gegen die Umfahrung sein. Diese Haltung ist einfach eines schlauen Politikers wie er ist, nicht würdig!» Krähenbühl soll doch einfach respektieren, dass er nicht grundsätzlich gegen eine Umfahrung sei, sondern «gegen diese kompromisslose und zerstörerische Variante».

Romel Janeski
Krähenbühl lässt kritische Kommentare zu, Grogg löscht
Krähenbühl wiederum sagt: «Grogg hat verschiedentlich auf meinem Facebook-Profil seine Ablehnung gegen die Verkehrssanierungen kundgetan. Ich habe die stets toleriert, dazu meine Meinung kommentiert. Als ich Grogg jedoch auf seine äusserst widersprüchliche Haltung, was die Grossüberbauung in seinem Dorf Bützberg betrifft, aufmerksam gemacht hatte, hat er meine diesbezüglichen Posts auf seinem Facebook-Profil wiederholt gelöscht und mich letztendlich gesperrt.» Das stösst Krähenbühl sauer auf, er verurteile ein solches Verhalten, wer andere angreife, müsse damit rechnen, auf Widersprüche in der eigenen Haltung aufmerksam gemacht zu werden.
4 Responses
Jeder m2 Land der überbaut wird, ist einer zuviel, dabei spielt es keine Rolle ob für Wohnraum, Industrie oder Strassen usw. Wir haben nur ein Problem; zuviele Menschen, nicht nur in der Schweiz und vielleicht müssten wir mal überlegen, was Fortschritt und Wachstum eigentlich für Folgen hat?
Die Einwanderung muss endlich nachhaltig gestoppt und die Remigration gefördert werden!
gute Idee
und Kinderzulagen im maximum nur bis zwei Kinder pro Familie
Wenn es keinen Platz mehr hat dann hat es keinen mehr, immer mehr Menschen in der Schweiz, der ganze Verkehr ist schon lange am Anschlag sei es auf der Straße oder auf den Schienen…weniger Menschen weniger Probleme, dann hätten wir auch kein Wohnungs Problem, weniger ist manchmal mehr……