Der Kanton Bern überprüft Zukunft der Landwirtschaft im Strafvollzug in Witzwil.
zvg
Der Kanton Bern besitzt reichlich Kulturland. Mit dem Betrieb Witzwil verfügt er über den grössten Landwirtschaftsbetrieb der Schweiz. Aufgrund von anstehenden Sanierungen sollen die Grösse und Ausrichtung nun überprüft werden. Agrarland könnte so an Bauern gehen.
Der Kanton Bern betreibt durch das Amt für Justizvollzug an den Standorten der Justizvollzugsanstalten (JVA) Witzwil und St. Johannsen zwei grosse Landwirtschaftsbetriebe.
800-Hektaren-Betrieb
In Witzwil im Berner Seeland befindet sich die grösste landwirtschaftliche Nutzfläche des Kantons und einer der grössten Bauernbetriebe der Schweiz. Insgesamt umfasst der Betrieb 820 Hektaren Kulturland. Angebaut werden unter anderem Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Zuckerrüben und Ölsaaten. Auf rund 400 ha wird Ackerbau betrieben, auf 120 ha Futterbau, 100 ha entfallen auf Ökoflächen, zudem werden 40 ha Wald bewirtschaftet.

Renate Hodel
Zum Betrieb gehört 110 Hektaren Alp auf dem Chasseral, wo im Sommer jeweils 140 bis 150 Tiere gealpt werden. Auf dem Betrieb rund 90 Milchkühe mit Aufzucht, 70 Mutterkühe, 75 Mastmuni, 70 Aufzuchtfohlen sowie 30 Freilandmuttersauen und 500 Mastschweine gehalten.
An beiden Standorten wurde die Infrastruktur letztmals in den 1980er-Jahren erneuert. Nun stehen Investitionen an. «So müssen bei beiden Betrieben die Ställe instandgesetzt werden. Dies auch um die geltenden Auflagen bezüglich Tierwohl und Gewässerschutz zu erfüllen», teilt der Kanton Bern in einem Communiqué mit.
Strukturen überprüfen
Diesen Umstand nimmt der Regierungsrat zum Anlass, die Strukturen zu überprüfen. Wegen geplanten Neubauten und Sanierungen erteilt der Sicherheitsdirektor den Auftrag, die strategische Ausrichtung der Landwirtschaft festzulegen. In einem direktionsübergreifenden Projekt mit dem Amt für Justizvollzug, dem Amt für Grundstücke und Gebäude und dem Amt für Landwirtschaft und Natur wird hierzu eine Gesamtsicht erarbeitet.
Konkret heisst das, dass die Ausrichtung und Grösse überprüft und allenfalls angepasst, sprich verkleinert, wird. «Es soll geklärt werden, wie viel Landwirtschaft wir benötigen für einen guten Justizvollzug. Sollte es weniger sein als heute, werden wir die freigewordenen landwirtschaftlichen Flächen aufteilen», lässt sich Regierungsrat Philippe Müller zitieren. Gegenüber der «Berner Zeitung» sagt er: «Als Ingenieur Agronom war ich schon länger der Meinung, man müsste die strategische Ausrichtung der Landwirtschaft genau anschauen.»
1860 kaufte Notar Friedrich Emanuel Witz aus Erlach – nach ihm ist die Domäne benannt – Land im westlichen Grossen Moos, um es aufgrund der Juragewässerkorrektion der Urbarisierung zuzuführen. Er verkaufte die Domäne später der 1870 gegründeten Landwirtschaftlichen Gesellschaft Witzwil, an der unter anderem der Politiker Jakob Stämpfli mit seinem ganzen Vermögen beteiligt war. Ziel des Unternehmens war es ursprünglich, entlassenen Sträflingen eine neue Heimat zu geben. 1879 geriet es in Konkurs, worauf der Kanton Bern die Domäne aus der Konkursmasse erwarb und 1894 eine erste Kaserne für hundert Gefangene erstellte. Die 1895 von St. Johannsen abgetrennte Anstalt wurde von da an bis 1937 von Otto Kellerhals und von 1937 bis 1963 von dessen Sohn Hans Kellerhals geleitet.
Keine Aufgabe des Kantons
Der Kanton weist darauf hin, dass die Landwirtschaft in den Justizvollzugsanstalten «primär der Erfüllung der staatlichen Aufgabe des Strafvollzugs» diene. Den Gefangenen im Straf- und Massnahmenvollzug soll eine sinnvolle und unterschiedlich anspruchsvolle Beschäftigung ermöglicht werden. «Es ist Aufgabe des Staates, Justizvollzugsanstalten zu betreiben und die dafür nötigen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen», heisst es weiter.
Die Aufgabe des Kantons sei es aber nicht, Landwirtschaft zu betreiben. Für Landwirtinnen und Landwirte in der Region hätte dies positive Folgen. «Landwirtschaftliche Flächen, die für die genannten Aufgaben nicht mehr benötigt werden, könnten an Bäuerinnen und Bauern in der Region zur Bewirtschaftung abgegeben werden», schreibt der Kanton Bern.

bki
Auflagen könnten es uninteressant machen
«Es gibt bestimmt Landwirte, die dort gern ein Stück gutes Landwirtschaftsland pachten würden», bestätigt Daniel Weber, Präsident der Landwirtschaftlichen Organisation Seeland, gegenüber der «Berner Zeitung». Doch er dämpft die Erwartungen gleich selbst.
Er befürchtet, dass die Pächter «spezielle» Auflagen erfüllen müssen. Anschliessend sei es dann für den Landwirt oder die Landwirtin nicht mehr interessant. Sei die Politik im Spiel, würden viele Ideen von links und rechts eingebracht. Es fehle so an Kontinuität. «Und es ist nicht immer von Vorteil, Pächter beim Kanton Bern zu sein», mahnt Weber an.
-> Einen ausführlichen Bericht über den Betrieb Witzwil gibt es hier
Mehr Biodiversität
Nebst der Landwirtschaft misst der Kanton auch der Biodiversität einen hohen Stellenwert zu, wie aus der Mitteilung hervorgeht. So heisst es: «Die bisherigen Bemühungen zur nachhaltigen Steigerung der Biodiversität an den Standorten Witzwil und St. Johannsen sollen noch verstärkt werden. Durch die besondere Lage der JVA Witzwil ist das Gebiet für den Naturschutz seit jeher von grosser Wichtigkeit.»
Der Betrieb grenzt unmittelbar an das grösste Flachmoorgebiet der Schweiz am Südufer des Neuenburgersees. Gemäss Kanton hat dieses Gebiet grosses Potenzial, insbesondere für Brut- und Gastvögel. Dieser Besonderheit sei in der Festsetzung der zukünftigen Landwirtschaftsstrategie Rechnung zu tragen. «Dadurch können die Vorgaben für ökologische Infrastruktur teilweise auf kantonseigenem Land umgesetzt werden, davon profitieren indirekt die Bauernbetriebe im Seeland», hält der Kanton Bern fest. Die Bauern könnten entlastet werden, weil sich der Kanton hier stärker engagiert.
One Response
Wenn ja giebts für alle Anderen wenigerDZ, da das Agrarbudget nie erhöht wird.