Freitag, 2. Juni 2023
26.05.2023 16:00
Graubünden

Besuch bei den «Kühen von Brienz»

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Von: Andrea Accola

Mensch und Tier mussten das bergsturzgefährdete Brienz in Graubünden verlassen. Die Phase Rot, absolutes Betretungsverbot, ist  in Kraft getreten. Doch nun steht die Heuernte bevor. Wie geht es weiter?

Die ganze Welt berichtet über das bergsturzgefährdete Brienz im Bündner Albulatal. Für die Fraktion wurde vom Gemeindeführungsstab am Dienstag, 9. Mai, auf Mittwoch die Phase Orange ausgelöst. Das bedeutet, dass Mensch und Tier das Dorf bis am Freitagabend verlassen mussten.

Dann trat die Phase Rot, absolutes Betretungsverbot, in Kraft. Niemand kann sagen, ob und wann eine Rückkehr in die vertrauten Wohnhäuser und Stallungen möglich sein wird.

Das Dorf Brienz/Brinzauls zählt etwas 84 Einwohner.
Orlando Mugwyler

Das Dorf ist leer

Für die 84 Einwohnerinnen und Einwohner konnten geeignete Unterbringungen in den Nachbargemeinden, bei Verwandten, bei Bekannten und bei Zweitwohnungsanbietern gefunden werden. Aber wohin sind all die Nutztiere verbracht worden? Wie geht es ihnen am neuen Ort, wer versorgt sie?

Das zwischenzeitliche Zuhause der Milch- und Mutterkühe ist in Cazis bei der Bündner Arena. In der Vermarktungseinrichtung von Graubünden Vieh hat ein Teil des Rindviehs der Betriebe Liesch und Bonifazi eine vorläufige Bleibe gefunden. Die übrigen Nutztiere, Jungvieh oder Schafe, stehen auf sicheren Weiden.

Milchleistung hat sich eingependelt

Gerade werden die letzten Kühe von Gian Liesch gemolken. Die Tiere wechselten vom Laufstall in die Anbindehaltung, was nur geringfügige Schwierigkeiten bereitet hat, wie Adrian Raschle, der Stallchef in Cazis, erklärt. Den 25 Swiss-Fleckvieh-Kühen scheint die Mischration zu schmecken, und sie packen fleissig ein. Nachdem neues Stroh auf die Liegeflächen eingebracht worden ist, legen sich die ersten Tiere ins weiche Liegebett und beginnen zufrieden wiederzukäuen. Auch die Milchleistung hat sich mittlerweile wieder eingependelt. Jedoch erfülle gemäss Mitteilung von Bio Suisse die Milch den Biostatus nicht mehr. Beobachter empfanden Vorgehen und Ton der Bio Suisse als wenig einfühlsam.

Auf der gegenüberliegenden Stallseite wurde ein Provisorium für die 28 Mutterkühe mit 23 Kälbern und 4 Jährlingen von Georgin Bonifazi eingerichtet. Auch diese Tiere sind ruhig. Es wird gerade der Mist von den Laufflächen abgeschoben. Die Kälber betreiben Körperpflege oder holen sich bei ihren Müttern eine Milchration ab. Die Liegeflächen werden frisch eingestreut, und dann kehrt auch bei ihnen allmählich Ruhe ein. Auch hier stellt sich die Frage nach der Erfüllung der Labelvorschriften und nach dem Biostatus der anfallenden Schlachtprodukte. Mutterkuh Schweiz setzt sich aber mittlerweile stark für eine vernünftige Lösung ein.

Die Tiere haben sich gut eingelebt.
Andrea Accola

Kostenverteilung

Beide Landwirte bestätigen, dass es ihnen sehr wichtig ist, täglich bei ihren Tieren zu sein und bei der Stallarbeit mithelfen zu können. Die Trennung von Hof und Tieren wäre sonst eine nur sehr schwer zu verkraftende psychische Belastung. In Brienz poltern derweil grosse Felsbrocken bis in den Bereich des Schutzwalles oberhalb des Dorfs.

Adrian Raschle erklärt, dass Graubünden Vieh sofort Hand geboten habe zu dieser für alle Beteiligten idealen Notlösung. Durch die Mithilfe der beiden Tierbesitzer sei auch die Arbeit gut zu bewältigen. Daniel Albertin, Gemeindepräsident der Gemeinde Albula, erklärt auf Anfrage, dass man sich über die Kostenverteilung zu einem späteren Zeitpunkt Gedanken mache. Im Moment sei die gute und zentrale Unterbringung der Tiere wichtig. Sehr erfreulich sei die angebotene Unterstützung von Berufskollegen aus der Region und allgemein die Solidarität. Mit der bevorstehenden Alpfahrt der Tiere ab etwa 10. Juni ergibt sich dann eine Übergangslösung bis im Herbst.

Georgin Bonifazi entdeckt auf seinen Flächen immer neue Risse.
Monika Gerlach

Viele offene Fragen

Im Albulatal wächst zurzeit dank der überdurchschnittlichen Niederschläge eine grosse Heuernte heran, die aber wegen der Sperrung in der roten Zone nicht konserviert werden kann. Für den Betrieb Liesch sind das rund 25 von total 46 ha, für den Betrieb Bonifazi gar 33 von 39 ha. Wie sehen diese Wiesen im Herbst und im nächsten Frühling aus, wenn nicht geerntet werden kann? Der Totalverlust an Futter und die allenfalls wegen nicht erfolgter Bewirtschaftung wegfallenden Direktzahlungen der gesamten LN aller zehn betroffenen Landwirte in der roten Zone müssten auf rund 1 Million Franken beziffert werden.

Kommt der Berg? Wann kommt er, wie kommt er, wie sieht es in Brienz nach dem Niedergang der Felsmassen aus, was ist auf meinem Betrieb noch möglich? Diese und tausend andere Fragen beschäftigen die beiden leidenschaftlichen Bauern aktuell. Hoffen wir für sie, dass alles nicht so schlimm kommt, wie man im Moment befürchten muss.

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