Die Abfohlsaison ist eine schöne, aber auch intensive Zeit für die Züchter. Bernhard Wüthrich aus Rubigen BE gibt einen Einblick in das Management seiner Zuchtstuten und in die Aufzucht der Fohlen.
Ein gesundes Fohlen, das auf der Weide munter neben seiner Mutter trabt, ist immer wieder ein kleines Wunder und überhaupt nicht selbstverständlich. Ein seit rund 30 Jahren engagierter Züchter ist Bernhard Wüthrich aus dem bernischen Rubigen.
Er sieht in der Pferdezucht als Herausforderung vor allem der eigenen Linie Treubleiben: «Für mich ist es wichtig, meinen Weg zu gehen, mein Zuchtziel beharrlich zu verfolgen und nicht wie der Wind weht.» Über allem steht für ihn der Charakter eines Pferdes.
Strenge Stutenauswahl
Natürlich hat der Züchter auch Freude an einem schönen, korrekten und sportlichen Pferd, welches leistungsbereit ist und bei welchem das Gesamtpaket stimmt.
Deshalb legt er grossen Wert auf die Auswahl seiner Zuchtstuten, da ist er streng: «Eine abstammungsmässig gut abgesicherte Stute kann mit einer grossen Palette an Hengsten gedeckt werden. Bei meinen Pferden gehe ich nicht grosse Kompromisse ein, sondern wähle eine ehrliche Selektion.»
Überwachen und helfen
Aktuell tummeln sich in seinen Stallungen zehn Zuchtstuten, und inklusive aller Jungtiere und Pensionäre sind es immer um die 50 Pferde, welche versorgt werden wollen. «Pferdezucht braucht Ausdauer und Leidenschaft sowie eine grosse Portion Glück. Unser Betrieb ist Familiensache, alle ziehen am selben Strick, und für mich ist es Motivation pur, weil meine Söhne die Begeisterung für die Pferde teilen», betont der 51-Jährige.
Seit gut 15 Jahren verfügt die Familie Wüthrich über zwei Geburtsmelder-Gurten, welche frühzeitig angelegt werden, gerade bei jüngeren Stuten.
«Sicherlich gibt es immer mal wieder Fehlalarme, aber egal, wie spät und wie grässlich das Wetter, bei jedem Alarm gehe ich sofort in den Stall, wenn der Alarm ertönt, da ich bei der Geburt dabei sein will.»
«Bis es selbständig saugt»
«Nach dem Abfohlen ziehe ich das Fohlen nach vorne zur Stute, überlasse den Rest aber lieber der Natur. Ich helfe dem Fohlen nicht beim Aufstehen, wenn es nicht unbedingt sein muss, und dränge es auch nicht zum Saugen. Aber ich bleibe im Stall, bis die Nachgeburt draussen ist und das Fohlen selbstständig saugt», erklärt Wüthrich, welcher dieses Jahr sieben Fohlen in seinem Stall erwartet.
Die Abfohlzeit und das nachfolgende Decken der Stuten ist nebst dem Betrieb und den Frühlingsarbeiten eine strenge Zeit.
Gemeinsam auf die Weide
Die Zuchtstuten werden einzeln in Boxen gehalten, weil Wüthrich das Gefühl hat, dass die Stuten auch mal ihre Ruhe brauchen, gerade, wenn die Fohlen da sind. Auf die Weide kommen jedoch alle Stuten und Fohlen gemeinsam, im Sommer während der Nacht.
Zum Teil werden die Stuten geritten und gefahren, auch im Sport, und die Jüngeren starten in Promotionsprüfungen, während die älteren Stuten einfach für die Zucht eingesetzt werden. Im Moment stehen drei Hengstmütter im Stall und neun Elite-Zuchtstuten.
«Erfolg kommt nicht von alleine»
Am Freibergerpferd fasziniert Bernhard Wüthrich dessen Genügsamkeit und Vielseitigkeit. Entsprechend breit ist die Palette an Pferden, welche hier zum Verkauf angeboten werden.
Priorität wird auf den sportlichen Bereich und auf den ambitionierten Freizeitreiter gelegt, der ein gut ausgebildetes Pferd sucht: «Man hat die Pferde das ganze Jahr, und die Erfolge kommen nicht von alleine, das muss über Jahre hart erarbeitet werden. Es ist viel Arbeit, und jede freie Minute wird investiert, aber das ist es wert. Die Pferdezucht wird nicht nur so nebenbei betrieben, sondern sie bedeutet mir sehr viel, denn hier auf dem Betrieb dreht sich fast alles um die Pferde.»
Gute Fohlen verkaufen
Sicher mehr als 200 Fohlen kamen hier in den letzten 25 Jahren zur Welt. Für Wüthrichs ist es wichtig, immer wieder gute Fohlen verkaufen zu können. Fohlen, die für eigene Nachzucht gedacht sind, bleiben auf Wüthrichs Betrieb.
Allfällige Zuchthengst-Kandidaten werden auf eine externe Fohlenweide zur Aufzucht gegeben. Im Winter leben sie im Laufstall, getrennt nach Alter, und im Sommer verbringen alle Jahrgänge gemeinsam die Zeit auf der heimischen Weide.
Never als Aushängeschild
Gemäss Bernhard Wüthrich ergänzen sich Pferde und Kühe gut hinsichtlich Graslandwirtschaft und Futternutzung. Trotz der hohen Arbeitsbelastung möchte Wüthrich nicht auf die Kühe verzichten. Sie bringen eine zweite Sicherheit und Gülle für den Futterbau, was nicht zu unterschätzen ist.
Bereits sechs Hengste aus ihrer Zucht wurden gekört, und Aushängeschild ist sicher der Ausnahmehengst Never BW, welcher nun der PZG Falkenstein gehört und die höchsten Zuchtwerte aller Freibergerhengste mitbringt. Sohn Michael ist stolzer Besitzer des vierjährigen Zuchthengstes Happyboy BW.
Gerne an Turnieren
Zu den Zuchterfolgen gehören unzählige Feldtest-Siege, Siege an Fohlen-Championaten in Avenches VD, Jungstuten-Siege und Elite-Stuten. Auf der sportlichen Seite ist vor allem der Titel Schweizer Meister Einspänner im Jahr 2019 zu erwähnen, welchen Bernhard Wüthrich mit seinem Wallach Navaro (Nejack) erlangt hat nebst vielen Siegen in der Kat. M/S.
Auch seine Söhne Mathias und Michael teilen die Passion für das Fahren, sie sind beide Mitglieder im Juniorenkader, und so sind die drei Wüthrich-Männer mit ihren sportlichen Freibergern an Turnieren am Start und stellen auch junge Pferde an Promotionsprüfungen vor.
Die 52-jährige Christina Wüthrich verbringt gerne Zeit mit den Fohlen und managt den Betrieb aus dem Hintergrund.
Betriebsspiegel
Fläche: 37ha LN
Familie: Christina & Bernhard Wüthrich, zwei Söhne, Michael 20jährig, Zimmermann EFZ, im Moment Zweitausbildung zum Landwirt EFZ, Mathias 16jährig, besucht das Gymnasium
Betriebszweige: Milchwirtschaft, Pferdezucht und Pensionsstall. Durchschnittlich 28 Kühe der Rasse RH/SF, Laufstall. Jungviehaufzucht ist ausgelagert. Zwei Drittel der Kühe werden mit Maststieren besamt. Die Milch wird alle zwei Tage abgeholt. Emmi-Direktlieferant von rund 250000 kg Milch pro Jahr. Eine Teilzeitangestellte im 60%-Pensum. kro