Gemäss Tierschützern wird auf 119 Blutfarmen rund 5’300 trächtigen Stuten Blut abgezapft für die Produktion des Fruchtbarkeitshormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin). In der Schweiz wird der Einsatz ab September 2022 verboten. – TSB
In der Schweizer Tierhaltung wird das Hormon PMSG verboten. Der Grund dafür sind bedenkliche Herstellungsbedingungen. Diese seien mit dem hohen Tierwohlstandard in der einheimischen Landwirtschaft nicht vereinbar, schreibt der Schweizer Bauernverband (SBV) in einer Mitteilung vom Montag.
PMSG wird aus dem Blut von tragenden Stuten gewonnen und dient in einzelnen Fällen dazu, Fruchtbarkeitsprobleme bei Schweinen zu behandeln. Der SBV begründet das Verbot damit, dass die Bereitstellung des Hormons nach wie vor unter für die Stuten tierquälerischen Bedingungen erfolge. Der Wechsel der Herkunft von Südamerika nach Island habe nicht die erhoffte Verbesserung gebracht.
Für alle Tierkategorien verboten
Das Hormon sei bereits bisher sehr selten und ausschliesslich therapeutisch und bei weniger als einem Prozent der Mutterschweine eingesetzt worden. Der leistungssteigernde Einsatz von Hormonen sei in der Schweiz nie erlaubt gewesen, stellt der SBV fest. Im inländischen Fleisch seien daher keine Hormonrückstände zu finden.
Der Beschluss sei für 95 Prozent der Schweizer Tierhaltungsbetriebe per 1. September 2022 verbindlich und der Einsatz von PMSG für alle Tierkategorien verboten. «Es folgt nun die entsprechende Information an die Tierärztinnen und -ärzte, damit diese das Hormon nicht mehr verschreiben», schreibt der Verband. Die Einhaltung der neuen Auflage wird laut SBV ab 2023 kontrolliert.
Die Präparate, die vorwiegend in der Schweinezucht zum Einsatz kommen, ermöglichen den Züchtern eine zeitgenaue Planung der künstlichen Befruchtung und der Geburten. Alternative Methoden dazu, die ohne PMSG auskommen, sind vorhanden.
Suisseporcs machte Antrag für Verbot
Bereits Mitte Februar entschied der Zentralvorstand von Suisseporcs, der Verband der Schweizer Schweinezüchter, einstimmig, den Einsatz des Präparats. Der Antrag zuhanden des zuständigen Gremiums des Schweizer Bauernverbands (SBV) sei geschrieben, sagte Suisseporcs-Zentralpräsident Meinrad Pfister Mitte Februar zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». «Wir wollen mit diesen Bildern von Blutfarmen nicht in Verbindung gebracht werden.»
Das Verbot soll in die Richtlinien des QM-Schweizer-Fleisch des SBV aufgenommen und dessen Einhaltung ab 2023 kontrolliert werden. Für die Schweinezüchter bedeute der Verzicht auf PMSG einen Mehraufwand, da sich die Geburten der Jungtiere über mehrere Tage hinziehe. Die Überwachung der Geburten ziehe sich in die Länge, schrieb SRF.
«Massive Tierquälerei»
An die Öffentlichkeit gebracht wurden die miserablen Bedingungen der Pferde Anfang Februar 2022 vom Tierschutzbund Zürich (TSB) und der in Deutschland ansässigen Animal Welfare Foundation. Auf über 100 Blutfarmen in Island wird rund 5000 trächtigen Stuten Blut abgezapft für die Produktion des Fruchtbarkeitshormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin). Auftraggeber der Blutfarmen ist gemäss TSB das isländische Pharmaunternehmen Isteka.
Die PMSG‐Produktion in Island steigt rasant, so die Tierschützer. Bis 2019 hat sie sich innerhalb weniger Jahre verdreifacht. Nun erhielt Isteka von der isländischen Umweltbehörde die Genehmigung, die Produktion nahezu zu vervierfachen, von derzeit 170’000 Liter Blut auf 600’000 Liter. «Das würde bedeuten, dass in Island bis zu 20’000 Stuten, also bis zu 30% aller in Island lebenden Stuten im Blutgeschäft eingesetzt werden würden. Um diese Anzahl Pferde zu halten, bedarf es einer Fläche, die dreimal so gross ist wie die Hauptstadt Reykjavik», sagte Sabrina Gurtner, Projektleiterin beim TSB Zürich.
Für die halbwilden Pferde sei die Blutentnahme eine Tortur, es komme dabei zu «massiver Tierquälerei». Filmaufnahmen zeigen, wie die Tiere unter anderem mit hupenden Autos und bellenden Hunden zusammengetrieben, und anschliessend mit Stockschlägen in die Boxen getrieben werden, wo sie für die Blutabnahme fixiert werden. Gemäss einer Expertin ist die Verletzungsgefahr für die Tiere dabei erheblich. Es komme zu heftigem und potenziell gefährlichem Abwehrverhalten.
Hersteller hat sich von Farmen getrennt
«Diese Blutentnahme bedeutet für ein halbwild lebendes und nicht menschengewohntes Fluchttier höchste Bedrohung und Unfähigkeit, den angeborenen Fluchttrieb auszuleben», sagten Iris Bachmann (Leiterin der Forschungsgruppe Equiden von Agroscope) und Anja Zollinger (Verantwortliche Beratungsstelle Pferd) nach Konsultation der Aufnahmen.
MSD/Intervet vertreibt das fertige PMSG‐Präparat P.G. 600 auch in der Schweiz. Über die Blutentnahme hat auch der «Kassensturz» auf SRF berichtet. Die Konsumentensendung konfrontierte Präparate-Herstellerin MSD zu den Vorwürfen. Das Unternehmen antwortet schriftlich, dass das Tierwohl für MSD einen hohen Stellenwert habe. Es hat sich nach eigenen Angaben von Blutfarmen getrennt, die die Tierschutz-Standards nicht einhielten.
«Nicht auf Politik warten»
Es ist nicht zum ersten Mal, dass das Pferdehormon-Präparate ins Visier der Tierschützer geriet. 2015 sorgten ähnliche Bilder aus südamerikanischen Farmen für Empörung. Suisseporcs, der Branchenverband der Schweizerischen Schweinehalter, forderte Schweinezüchter und Tierärzte damals dazu auf, auf den Einsatz solcher Präparate künftig zu verzichten.