Susen Heimbürge bei der Entnahme von Haarproben bei Kühen. – Winfried Otten/FBN
Verbessertes Tierwohl und optimale Haltungsbedingungen der Nutztiere haben eine immer grössere gesellschaftliche Bedeutung. Wissenschaftler des Forschungsinstitutes für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf (D) waren auf der Suche nach schonenderen, minimal-invasiven Methoden zum Nachweis von Langzeitstress bei Nutztieren erfolgreich.
Die Forschenden haben die Bestimmung von Glukokortikoid-Biomarkern zum retrospektiven Nachweis von Langzeitbelastungen weiterentwickelt. Grundlage ist die Bestimmung der Stresshormone Cortisol in Haarproben von Rindern und Schweinen sowie Corticosteron in Federn von Hühnern und Truten.
Stress verursacht Kosten
«Stressreaktionen des Organismus sind überlebenswichtig. Anhaltend erhöhte Stresshormonspiegel weisen bei Nutztieren jedoch auf Probleme in der Haltung hin», erklärte Projektleiter Winfried Otten vom Institut für Verhaltensphysiologie am FBN. Zu grosse Hitze, zu wenig Platz, sozialer Stress oder die Isolation von Artgenossen und Langeweile – Stress im Stall kann viele Ursachen haben. Darunter leidet nicht nur das Wohlbefinden der Tiere. Chronisch gestresste Tiere verursachen auch zusätzliche Kosten, sie können schneller krank werden oder wachsen langsamer.
Stresshormone können bei Tieren zur Bewertung von Belastungszuständen in Blut-, Speichel-, Urin- oder Kotproben gemessen werden. «Die Probenentnahme selbst kann dabei für die Tiere stressig sein und der Hormongehalt in diesen Proben spiegelt nur die Belastung kurz vor dem Zeitpunkt der Entnahme wider. Langzeitaussagen sind schwierig und nur anhand vieler Proben möglich», beschrieb Winfried Otten die grundsätzliche Problemlage.
Cortisoleinlagerung
«Unser Ziel war es, den Stresshormonnachweis in Haaren und Federn in ein einfaches und präzises Verfahren zur Bestimmung von Langzeitstress bei Nutztieren weiterzuentwickeln, ähnlich wie es in der Stressforschung beim Menschen schon Anwendung findet», so Otten. Während des Haar- und Federwachstums erfolge eine kontinuierliche und stabile Einlagerung der Hormone. Anhand einer Probe könne die Stressbelastung der vorangegangenen Wochen und Monate ermittelt werden.
Erstmalig wurden am FBN bei Nutztieren der zeitliche Verlauf der Cortisoleinlagerung ins Haar durch Stress sowie stressunabhängige Einflussfaktoren systematisch erforscht. Tierärztin Susen Heimbürge hat im Rahmen dieses Projekts promoviert und dazu in den vergangenen Jahren bei Rindern und Schweinen nicht nur den Einfluss verschiedener Stressoren, sondern auch von Faktoren wie Haarfarbe, Haartyp und -alter auf Haarcortisolkonzentrationen untersucht.
Kalender der Stressbelastung
«Anhand eines experimentellen Stressmodells beim Rind konnten wir erstmals zeigen, dass eine mehrwöchige Stressbelastung der Tiere durch erhöhte Cortisolkonzentrationen in verschiedenen Haartypen, nämlich in nativen und nachgewachsenen Körperhaaren sowie in Segmenten von Schwanzhaaren nachweisbar ist», erläuterte Otten die Befunde.
«Je nach Haarlänge lässt sich so in einer Probe die Stressgeschichte von mehreren Wochen bis zu einigen Monaten ablesen», so die Forscherin. Als neues Ergebnis zeigten die Wissenschaftler erstmalig auf, dass beim Nutztier einzelne Haarsegmente retrospektiv als eine Art Kalender der Stressbelastung verwendet werden können.
Bei Schwein und Geflügel weiter Forschung nötig
Während sich die Eignung des Verfahrens beim Rind als Stressindikator bereits bestätigt hat, sind beim Schwein und Geflügel noch weiterführende Studien notwendig, da Störeinflüsse durch Verschmutzungen der Haare die Messungen beeinflussen können. Grundsätzlich kann mit der Bestimmung von Glucocorticoiden in Haaren und Federn die Messung von Langzeitstress auch in der Nutztierhaltung in Zukunft erheblich vereinfacht werden und diese physiologischen Biomarker könnten sich daher auch für den Einsatz in einem Tierwohl-Monitoring-System eignen.
«Zur Verbesserung des Tierwohls soll auch in Zukunft am FBN die Forschung nach innovativen minimal-invasiven Indikatoren unter Verwendung von Haaren, Federn bis hin zu Fischschuppen fortgeführt werden», kündigte der Wissenschaftler an.