Die ersten Waschbären wurden vor etwa 80 Jahren zum Zwecke der Pelztierhaltung nach Deutschland eingeführt. 1934 schafften sie dann den Sprung in die freie Wildbahn Mitteleuropas. – James DeMers
«Nach Europa eingeschleppte Säugetiere bedrohen die einheimische Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit – mit Folgen, die in der Vergangenheit weitgehend übersehen wurden», warnen Wissenschaftler in einer internationalen Studie.
Viele dieser invasiven Arten breiten sich begünstigt durch den Klimawandel immer schneller aus. Und sie sind potenzielle Überträger von Krankheitserregern.
Waschbär, Marderhund oder Nutria
Es sind putzige Tiere, die in den vergangenen Jahrzehnten von Menschen meist als Haus- oder Pelztier nach Europa gebracht wurden und sich seither rasch ausbreiten: So finden sich Waschbär, Marderhund, Grauhörnchen oder Nutria unter den 16 Säugetieren, die die EU auf ihre 2016 erstmals veröffentlichte und seither mehrmals aktualisierte «Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung» aufgenommen hat.
Lisa Tedeschi von der Sapienza Universität in Rom und der Universität Wien hat mit Kollegen 262 in den vergangenen Jahren veröffentlichte Studien zu diesen 16 Säugetierarten analysiert und zusammengefasst, wie sie sich am alten Kontinent ausgebreitet haben und welche negativen Auswirkungen das hat. Veröffentlicht wurde die Studie im Fachjournal «Mammal Review».

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Hauptgefahr: entflohene Haustiere
Die meisten eingeschleppten Arten weiten ihr Verbreitungsgebiet aus und erobern nach und nach benachbarte Territorien und Länder. Von 1981 bis 2020 wurden im Schnitt jedes Jahr 1,2 Arten erstmals als gebietsfremde Säugetiere in einem Land Europas registriert. Die wichtigsten Quellen für die untersuchten Arten waren Haustiere, die entkamen oder ausgesetzt wurden, gefolgt von Zoos und Pelzfarmen.
Nach Frankreich sind die meisten invasiven Säugetierarten eingedrungen, gefolgt von Deutschland, Italien und Russland. Die Bisamratte (Ondatra zibethicus), der Amerikanische Nerz (Neovison vison) und der Marderhund (Nyctereutes procyonoides) sind die am weitesten verbreiteten Arten. Sie kommen mittlerweile jeweils in mindestens 27 Ländern vor.
«Viele dieser invasiven Arten können verwandte heimische Arten verdrängen, etwa weil sie Krankheiten übertragen», erklärte Studien-Co-Autor Franz Essl von der Uni Wien. Als Beispiel nennt er das eingeschleppte Grauhörnchen, das in Grossbritannien das Europäische Eichhörnchen schon nahezu völlig verdrängt wird, weil es einen Krankheitserreger überträgt, für den die einheimische Art anfällig ist.
Auch Menschen können angesteckt werden
Die Forscher weisen in ihrer Studie aber auch darauf hin, dass Säugetiere ein wichtiges Reservoir von Krankheitserregern sind, und bei engem Kontakt Überträger auf den Menschen sein können. Bei den 16 in der Studie untersuchten Arten kennt man Infektionen mit 224 Krankheitserregern, 64 Prozent davon besitzen zoonotisches Potenzial, können also auch auf den Menschen übertragen werden.
Das gilt für 49 Prozent der Erreger, die bekanntermassen den Amerikanischen Nerz infizieren, 67 Prozent der Erreger vom Marderhund, 78 Prozent vom Waschbären und 100 Prozent von der Bisamratte. Im Zuge der Covid-19-Pandemie hatte sich auch gezeigt, dass der Amerikanische Nerz als Wirt für das SARS-CoV-2 fungieren kann.