Esther Siegenthaler, gebürtige Bauerntochter und ausgebildete Lehrerin aus Schangnau BE, lebt und arbeitet momentan als Praktikantin auf einer Milchviehfarm in Neuseeland. In ihrem Blog berichtet sie regelmässig über das, was sie dort erlebt.
2 Tage Reise, 12 Stunden Zeitverschiebung und über 30 Grad Temperaturunterschied - der Start zu meinem dreimonatigen Neuseelandaufenthalt bringt viele neue Situationen.
Am Freitagmorgen, 6. Februar um 6.30 Uhr war es soweit, ich verlies das kalte Fahrni bei Thun um in die grosse Welt aufzubrechen. Ausserhalb von Europa war ich noch nie, beim Fliegen umgestiegen erst einmal. Die Reise mit Aufenthalt in Abu Dhabi (Arabische Emirate), Perth (Westküste von Australien), Christchurch (Südinsel von Neuseeland) bis nach Invervargill (südlichster Punkt von Neuseeland, nur Inlandflüge) war lang, aber alles klappte problemlos.
Am Sonntagnachmittag, kurz nach 3 Uhr, Neuseeland ist der Schweiz 12 Stunden voraus, empfingen mich Paul Hardegger und seine Partnerin Daniela. Ihre Farm liegt in Isla Bank, rund 30 Autominuten vom Flughafen entfernt. Mit 550 Kühen bewirtschaften sie 190 Hektar Land: "Wir sind nur Hobby-Farmer hier, die meisten haben mehr Kühe!", gibt Paul zu bedenken. Da muss ich wohl nicht sagen, wie viele Kühe in der Schweiz pro Landwirt gehalten werden.
Nach derAnkunft werde ich sofort mit Stiefel und Arbeitskombi ausgestattet, damit ich Paul beim Siloverteilen helfen kann. Nach einer längeren Trockenperiode ist das Gras etwas knapp, so wird den Kühen auf der Weide Grassilage zugefüttert. Mit einem alten Massey Ferguson, Baujahr 1975, und einem Silo-Wagen wird die Silage in den Weiden direktauf den Boden gegeben. Auch auf zwei weiteren Weiden wird dies gemacht, als Vorbereitung für Montagmorgen. Alle zwölf Stunden kommen die Kühe in eine neue Weide, so würden sie mehr fressen und das Graswerde nicht alt, hat mir Paul erklärt. Die Kühe werden in zwei Gruppen gehalten. In der kleineren Gruppen sind die Kühe der ersten Laktation und die zu mageren Tiere.
Erstaunt betrachtete ich ein solarbetriebenes Tassen-grosses Gerät, an welchem ich den Zaun beim Weideausgang anhängen musste. Paul wusste sofort, dass wir Schweizer dies nicht kennen. Es ist ein Zaunöffner, der mit einer Zeitschaltuhr betrieben ist. Um 4.05 Uhr wird somit die Weide automatisch geöffnet und die Kühe können zum Melkstand marschieren. Bei 43 Weiden und einer längsten Distanz von 1,8 Kilometer ist dies eine grosse Erleichterung.
Nach dem Silage ausbringen, umzäunen und den vielen interessanten Erklärungen war es bereits Zeit zum Nachtessen. Anschliessend durfte ich einen Blick ins Gästebuch werfen. Ich bin erstaunt, wie viele Leute bereits Paul und Daniela besucht haben, und wie viele ich davon kenne. Doch kein Wunder, auch ich erlebe die Gastfreundschaft als sehr gross und herzlich.
Nun ist es bereits 22 Uhr, ich kann am Morgen meinen Jetleg ausschlafen. Dennoch bin ich zu müde, um weitere spannende Einzelheiten wie Milchleistung odervon den kahlgeschorenen Kuhschwänzen zu berichten. Ich werde dies nachholen.