Esther Siegenthaler, gebürtige Bauerntochter und ausgebildete Lehrerin aus Schangnau BE, lebt und arbeitet momentan als Praktikantin auf mehreren Milchviehfarmen in Neuseeland. In ihrem Blog berichtet sie regelmässig über das, was sie dort erlebt.
Der Milchpreis ist im letzten Jahr von 8.40 NZ$ auf 4.70 gefallen, die Produktionskosten steigen. Auch die Vorschriften nehmen stetig zu.
Als ich im zweiten Blog schrieb, dass in Neuseeland für einen Liter Milch 45 Rappen bezahlt werden, erweckte ich in der Schweiz wohl den Eindruck, dass die Neuseeländer schnell sehr viel Geld verdienen. Hier in Neuseeland wurde ich von ausgewanderten Schweizern oder Schweizern, welche momentan hier arbeiten, mehrmals darauf angesprochen. Um die Situation besser vergleichen zu können, ergänze ich die Angaben nun mit den Produktionskosten. Die Angaben stammen alle aus dem Southland, dem südlichsten Teil von Neuseeland. Gerade die Vorschriften sind regional unterschiedlich. Der Wechselkurs vom Neuseeländischen Dollar zum Schweizer Franken beträgt durchschnittlich etwa 0.7. 1NZ$ sind also 70 Rappen.
Einziges Land ohne Direktzahlungen
Paul Hardegger hat mir erzählt, dass Neuseeland weltweit das einzige Land ist, bei dem die Lamdwirten nicht direkt vom Staat unterstützt werden, also keine Abgeltungen bezahlt werden. Die Farmer müssen einzig mit dem Ertrag ihrer Produktion überleben können. Neuseeland unterstützt jedoch Projekte, welche vom Staat als wichtig eingestuft werden, und schafft somit ideale Rahmenbedingungen. So auch bei der Gründung von Fonterra, das Gesetz wurde extra abgeändert und es wurden finanzielle Mittel gesprochen.
Milchpreis fast um die Hälfte gefallen
2013 ist der Milchpreis von 8.40NZ$ auf 4.70NZ$ pro Milchsolid gefallen. Die Produktionskosten für einen Milchsolid betragen aber bis zu fünf Dollar. Milchsolids werden nach den Gehalten berechnet. Ein Milchsolid sind zehn Liter Milch bei zehn Prozent Fett und Eiweiss, oder 15 Liter Milch bei 7,5 Prozent Fett und Eiweiss. Jeder Farmer muss bei Fonterra (Milchverarbeiter) Wertanteile einkaufen. Je nach Menge der Wertanteile können eine bestimmte Menge Milchsolids abgeliefert werden. So hat jeder Farmer ein von ihm bestimmtes Lieferrecht.
Christof Kenel sieht verschiedene Gründe, warum der Preis so stark gefallen ist: "Die Chinesen, welche den grössten Teil einkaufen, haben viel weniger eingekauft. Dann der Ukraine-Konflikt und die grössere Milchproduktion in Amerika." Ein weiterer Grund liege bei der Überproduktion: "Neuseeland und Australien haben noch nie so viel produziert!". Das Milchjahr läuft vom 1. Juni bis am 31. Mai, eine Besserung für dieses Jahr sei nicht in Sicht.
Eine Siloballe zu pressen kostet rund 30NZ$
Viel Feldarbeit wird in Neuseeland von den Lohnunternehmern erledigt, so auch das Siloballen pressen. Eine Siloballe kostet rund 26-31NZ$, also zirka 18-22 Franken. Als ich bei Paul Hardegger war, wurden an einem Tag über 180 Ballen gepresst.
Eine Siloballe zu kaufen kostet 65-85 Dollar, Grassilage lose, welche ins Fahrsilo gefüllt wird, kostet 25-28 Cent pro Kilo Trockensubstanz, dazu kommt der Transport von acht bis zehn Cent. Während der Galtzeit gehen viele Kühe in die Winterfütterung. 26-32NZ$ wird da pro Kuh und Woche verrechnet, der Transport kommt noch dazu, bei einer Strecke von 80 Kilometer beträgt dieser 20-30 Dollar, bei 250 Kilometer 90 NZ$ pro Kuh. Als Alternative Land zu pachten ist bei durchschnittlich 1200 Dollar pro Hektar und Jahr guter Boden auch nicht gerade günstig. Auch das Kraftfutter hat seinen Preis, eine Fertigmischung kostet 600-700 Dollar pro Tonne. Gleichviel Volldünger mit Stickstoff, Phosphor und Kali kostet 710NZ$.
20 NZ$ für ein Kalb ist keine Ausnahme
Wenn eine Kuh fürs Leben verkauft wird, liegt der Preis je nach Qualität zwischen 1400-2600 Dollar. Wie in der Schweiz sind auch hier die Schlachtpreise hoch, 500-800NZ$ für eine Kuh. Kälber, welche nicht für die Aufzucht bestimmt sind, werden im Alter von vier bis zehn Tagen vom Bobby-Truck abgeholt. 20-40NZ$ werden hierfür bezahlt, diese müssen gesund sein. Für kranke Kälber mit Antibiotika gibt es drei bis vier Dollar, von ihnen wird nur das Fell verwendet. Eine Besamung kostet 4 Dollar, hinzu kommt der Samen von 10-30 NZ$.
Immer mehr Vorschriften
Chris Kenel hat mit den stetig steigenden Vorschriften und der zunehmenden Bürokratie am meisten Mühe. Mittlerweilen muss ein Gesundheitsjournal geführt werden, die Löhne und Freizeit der Arbeiter wird dokumentiert, auch das zugekaufte Futter, die gegüllten Flächen und eine Tierverkehrsdatenbank, NAIT genannt, muss geführt werden. Alleine das Umweltschutzamt überprüft jährlich mit mindestens drei Inspektionen, welche der Farmer bezahlt, die Wasserqualität in Bächen. Dies wird teilweise mjt Helikoptern oder Drohnen gemacht. Die Kontrolle der Milchqualität ist täglich, zudem wird von Fonterra jährlich eine Hofinspektion durchgeführt.
Seit dem 1. Januar 2015 muss jeder Farmer eine Güllengrube haben, welche die Gülle, also das Abwasser beim Melkstand, von mindestens drei Monaten fassen kann. Die Grube muss mjndestens 45 Meter Abstand zum Melkstand haben, die Toilette muss separat gefasst werden. Die Menge des Wassers, und es sieht auch aus wie schmutziges Wasser und nicht wie Gülle, wird nach der Fläche des Warteraumes und der Anzahl Kühe berechnet. Bei Paul Hardegger sind dies 140 Liter pro Kuh und Tag, also mindestens 6'930 Kubikmeter. Zudem müssen um sämtliche betonierten Plätze rund um den Stall feste Mäuerchen bestehen, damit kein Wasser ins Land laufen kann. Die Gülle, oder eben eher das Wasser, darf nicht näher als 100 Meter an ein fremdes Gebäude und 20 Meter an den Bach ausgetragen werden. Selbst die Kühe dürfen im Southland nicht im Bach saufen, er muss ausgezäunt werden. Weiter nördlich, in der Provinz Otago, besteht die Vorschrift des Betretungsverbotes in den Bach für Kühe nicht.
Kurzes Schwänzen wurde verboten
Auch die Verbote haben zugenommen. Auf vielen Farmen wurde die Geburt bei Kühen frühzeitig eingeleitet. So wurde ein Abort provoziert, damit die Kühe ins saisonale Abkalbesystem passen, das darf nicht mehr getan werden. Auch ist das kurze Schwänzen nicht mehr erlaubt, nur noch die untersten Wirbel, also die langen Haare, dürfen abgetrennt werden. Einschränkungen bei der Medikamentenabgabe sind ein weiterer Punkt. Und - Kälber dürfen nicht mehr mit dem Hammer getötet werden, es wird ein Bolzen- oder Gewehrschuss gefordert.
Neu ist auch die Helmpflicht, auf dem Quad, Motorrad und Fahrrad ist das Helmtragen obligatorisch. Dies in jedem Fall, also auch, wenn man eine Kuh in eine nahegelegene Weide treibt, mit drei Kilometern in der Stunde.
Persönliche Meinung
In Neuseeland sind in den letzten Jahren viele Vorschriften entstanden, welche in der Schweiz schon lange existieren. Ich persönlich sehe in einigen Punkten die Wichtigkeit, aber auch den enormen Mehraufwand. Eine Tierverkehrsdatenbank und ein Gesundheitsjournal bei über 1000 Tieren zu führen, stelle ich mir unglaublich anstrengend vor. Lächeln musste ich bei den geforderten Abständen fürs Güllen, wer in der Schweiz könnte da überhaupt noch austragen?
Dass keine Direktzahlungen bezahlt werden, hat Vor- und Nachteile, die Farmer sind so weniger abhängig, in "schlechten Jahren" kann dies jedoch schneller zu einem Notstand führen, vor allem beim momentanen Zinssatz von 7 Prozent auf ein Dahrlehen.
Einmal mehr wird mir klar, dass nicht nur wir Schweizer "die armen Bauern mit dem schweren Stand" sind, in anderen Ländern sind die Bedingungen ähnlich. Ich bin der Meinung, dass der Realität in die Augen geschaut werden muss, doch nur jammern bringt nichts, Innovation ist gefragt!