Ab 1. Januar 2017 tritt ein stärkerer Schutz der Marke Schweiz in Kraft. Wird ein Produkt als Schweizer Produkt angepriesen, müssen künftig strenge Bedingungen erfüllt sein. Das soll die Hersteller echter Schweizer Produkte vor Trittbrettfahrern schützen.
Thomy-Mayonnaise ist derzeit wohl das bekannteste «Opfer» des ab 2017 neu gültigen Markenschutzgesetzes. Dieses regelt unter anderem, dass bei Lebensmitteln grundsätzlich 80 Prozent der Rohstoffe aus der Schweiz stammen müssen, damit das Schweizerkreuz oder der Begriff «Schweiz» auf die Verpackung gedruckt werden darf.
80 Produkte von Nestlé
Thomy ist eine Marke des Lebensmittelriesen Nestlé aus Vevey VD. In der «Schweiz am Sonntag» begründete Nestlé- Schweiz-Chef Christophe Cornu, dass die in der Schweiz benötigten 35 Mio. Eier aus Bodenhaltung für die Mayonnaise-Produktion derzeit gar nicht verfügbar seien. Insgesamt untersuchte das Unternehmen 650 Produkte auf deren Swissness-Kompatibilität. Gemäss Nestlé war dafür ein «beträchtlicher Personalaufwand» nötig, mit dem Resultat, dass rund 80 Produkte – nebst Thomy auch Leisi sowie eine einzelne Frisco-Glace – die Swissness-Anforderungen nicht erfüllen.
Ernst Sutter betroffen
Nestlé befindet sich damit in guter Gesellschaft. Alle vom «Schweizer Bauer» angefragten Unternehmen der Branche werden ihr Verpackungsmaterial entsprechend anpassen müssen. Bei der Fenaco schreibt man auf Anfrage, dass Swissness auf drei Unternehmen Auswirkungen haben werde. So wird Ramseier bei «exotischen» Produkten wie Orangensaft auf das Schweizerkreuz im Firmenlogo verzichten. Gestrichen wird dieses auch aus dem Logo der Fenaco-Tochter Frigemo bei der Produkteauszeichnung. Der Spezialist für Frisch-, Kühl- und Tiefkühlprodukte führt ebenfalls exotische Produkte im Sortiment.
Zudem kann zum Beispiel bei Kartoffelprodukten nicht gewährleistet werden, dass über das gesamte Jahr hinweg ausschliesslich Schweizer Kartoffeln verwendet werden können. «Bei Fehlmengen an Schweizer Rohwaren kann es dazu kommen, dass Lücken mit Importware geschlossen werden müssen. Wir haben deshalb aufgrund der veränderten Gesetzeslage entschieden, beim Frigemo-Firmenlogo auf das Kreuz zu verzichten, wenn es auf Produkten erscheint», erklärt Alice Chalupny, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Fenaco. Schliesslich würden auch bei der Ernst Sutter AG bei einzelnen Produkten einige wenige Anpassungen vorgenommen werden müssen.
Auch bei der Markenführerin der Schweizer Milchwirtschaft Emmi müssen Produkte Schweizer Federn lassen, wenn auch nicht bei den ganz grossen Marken. «Definitiv müssen wir bei keinem strategischen Emmi-Produkt das Schweizerkreuz entfernen», schreibt der Luzerner Konzern. Konkret geht es um Floralp-Dosensprührahm, bei welchem allerdings nicht der Inhalt, sondern die entsprechende Abfüllanlage zur Aberkennung des Schweizerkreuzes führt. Auch ein Gorgonzola-Fondue, eine Zitronencreme und einige Käsekuchenmassen verlieren das Kreuz.
Butter dreimal teurer
Dass auch die Hug AG in Malters LU vom neuen Markenschutzgesetz alles andere als begeistert ist, ist hinlänglich bekannt. «Das Thema hat uns in den vergangenen Monaten enorm beschäftigt. Nach langen Diskussionen wollen wir nun aber, allen Umständen zum Trotz, doch versuchen, die Swissness-Vorgaben einzuhalten», erklärt Andreas Hug – Vorsitzender der Geschäftsleitung und Delegierter des Verwaltungsrates. Sollte sich die Umsetzung jedoch zu umständlich oder kostspielig erweisen, werde man aber auch in Malters auf das Kreuz verzichten. Gerade der Kostenfaktor scheint bei dem Güetzi-Spezialisten doch eine zentrale Rolle zu spielen, da gemäss Hug beispielsweise alleine die Schweizer Industriebutter dreimal teurer sei als vergleichbare Importware. Hug weist zudem auf den Widerspruch zur Streichung des Agrarschutzausgleichs (Schoggigesetz) hin. «Auf der einen Seite sind wir gezwungen, Schweizer Rohstoffe zu verwenden, und gelichzeitig wird der Agrarschutzausgleich beim Export unserer Produkte gestrichen, das ist ein doppelter Schlag für die Industrie.»
Auch beim Grossverteiler Migros genügen namhafte Marken nicht mehr den Swissness-Vorgaben. «Tatsächlich gibt es einige Produkte, auf denen wir das Schweizerkreuz nicht mehr anbringen werden, weil sie die Vorgaben nicht erfüllen, zum Beispiel Blévita Gruyère wegen des Dinkelmehls, die Flüssigfette zum Anbraten oder eine Colomba, die bisher mit dem Tessiner Wappen ausgezeichnet wurde», schreibt der Grossverteiler auf Anfrage, fügt aber an, dass man auch Produkte im Sortiment führe, die kein Schweizerkreuz tragen würden, obschon man das Recht dazu hätte.
80 Prozent aus der Schweiz
Was macht ein Produkt zum Schweizer Produkt? Dass für Milch nicht dieselben Kriterien gelten würden wie für Schokolade oder Uhren, stand von Beginn weg fest. Bis alle Regeln und Ausnahmen festgelegt waren, dauerte es aber Jahre. Nun tritt das Gesetzespaket in Kraft.
Die Grundregel: Lebensmittel müssen zu mindestens 80 Prozent aus Schweizer Rohstoffen bestehen, bei industriellen Produkten müssen mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Zudem muss die Tätigkeit, die dem Produkt die wesentliche Eigenschaft verleiht, in der Schweiz stattfinden. Für Lagerbestände gilt eine Übergangsfrist von zwei Jahren.