Kurzfristige Absagen und Personalmangel: für die Alpmeister ist es momentan schwierig, Ersatzpersonal zu finden. Besonders schwierig wird es, wenn sich Mitarbeiter während der laufenden Saison aus dem Staub machen.
«Hallo, soeben haben wir die Alp verlassen». Diese Nachricht hat Alpmeister Raimund Caduff aus Degen GR am späten Abend um 22.30 Uhr erhalten. Das dreiköpfige Alpteam habe ihm dies am Sonntagabend nach der ersten Alpwoche geschrieben, berichtet die Zeitung «Südostschweiz».
Die Crew, allesamt erfahrene Älplerinnen und Älpler, hätten kurzum ihre Sachen gepackt, sei abgereist und seither nicht mehr erreichbar gewesen, führte Caduff aus.
Ein Extremfall
«Es gab keinerlei Anzeichen, dass irgendetwas nicht in Ordnung gewesen wäre», schilderte Caduff. Zurückgeblieben seien über 90 Kühe, die täglich 1200 Liter Milch geben würden. Diese gelte es aner zu verkäsen. Kurzzeitig sind alle Alpbestösser und der Senn vom letzten Jahr eingesprungen. «Aber wir müssen ja selber auch heuen im Tal», sagt Caduff.
Hier handle es sich um einen Extremfall, sagt Christa Buchli, Präsidentin des Bündner Älplerinnen- und Älplervereins. «Dass sich ein ganzes Team mitten in der Nacht davonschleicht, halte ich für ein einzigartiges Ereignis. Das stellt ein Sennentum vor enorme Herausforderungen», so Buchli zur «Südostschweiz». Die erste Alpwoche sei oft sehr streng und chaotisch. Aber deswegen das Vieh, die Alp und den Alpmeister im Stich zu lassen, sei «ein absolutes No-Go», macht sie deutlich.
Nicht erscheinen und kurzfristig absagen
Alppersonal zu finden, vor allem solches mit Erfahrung, war bereits in den vergangenen Jahren eine Herausforderung. Bereits letztes Jahr konnte die Hotline «Alpofon» nicht genügend Freiwillige vermitteln, die sofort und langfristig einspringen konnten. Dieses Jahr habe es bisher zwar genügend Freiwillige gehabt. «Es fehlen aber Leute, die käsen und melken können», führt Christoph Stoller, der im Juni die Hotline betreut, aus.
Notfallhotline Alpofon
Das Alpofon (078 813 60 85) ist vom 1. Juni bis 30. September in Betrieb. Es vermittelt bei Personalausfall, hilft bei arbeitsrechtlichen Problemen und unterstützt bei Fragen rund um das Käsen, die Tiere und die Alp.
Das Angestellte frühzeitig abbrechen, ist laut Alpofon keine Seltenheit. Oft erfolgt aus Überforderung. In den letzten Jahren habe man jedoch beobachten können, dass Älplerinnen und Älpler ihre Stelle gar nicht erst antreten und kurzfristig absagen, sagt Stoller.
«Tägliche Arbeit nicht simulierbar»
«Neulinge machen sich oft keine Vorstellung davon, wie kräfteraubend ein Alpsommer sein kann», führt Buchli aus. Die Alphirtenkurse am landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof in Landquart GR sind gut besucht. «Man kann die künftigen Älplerinnen und Älpler vorbereiten», sagt Töni Gujan, Alpverantwortlicher am Plantahof.
«Aber die tägliche Arbeit auf der Alp kann man natürlich nicht simulieren und die emotionale Belastung, etwa wegen der Grossraubtiere, nicht im Voraus trainieren», sagt Gujan zur «Südostschweiz».
Hoffnung auf Fachkräfte
Trotz den Herausforderungen, ein Hoffnungsschimmer zeigt sich. Sowohl Buchli, wie auch Gujan stellen fest, dass heute wieder vermehrt Junglandwirtinnen und -landwirte auf der Alp arbeiten würden und somit Fachkräfte mit einem landwirtschaftlichen Hintergrund nachrücken würden. «Das ist positiv», so die Präsidentin des Älplerinnen- und Älplervereins.


