Nicht nur Studenten, auch Saatgut profitiert vom WG-Leben: Wenn Pflanzen mehrere Jahre in einer gemischten Gesellschaft gelebt haben, liefern sie zusammen höhere Erträge als solche, die aus Monokulturen stammen. Dies weist eine Studie unter Zürcher Leitung nach, die soeben im Fachjournal «Nature» veröffentlicht wurde.
Die Resultate könnten zu einem «Paradigmenwechsel in der Agrarwirtschaft» führen, glauben die Forschenden. Denn sie zeigen, was Pflanzenzüchter und Landwirte lange für unmöglich hielten: Es ist möglich, Pflanzen so zu züchten, dass eine Mischung einen höheren Ertrag abwirft als eine Monokultur.
Dass gemischte Pflanzengesellschaften mehr Biomasse - also Ertrag - produzieren als Monokulturen, ist schon länger bekannt. Doch nun konnte das Team um Bernhard Schmid von der Universität Zürich darüber hinaus nachweisen, dass die Mischungen sogar noch mehr liefern, wenn sie schon als solche gezüchtet wurden.
Sie verwendeten dazu Wiesenpflanzen, die während acht Jahren in einem Biodiversitätsversuch in Jena herangewachsen waren. Das Gedeihen dieser WG-Pflanzen verglichen sie sowohl in Monokultur als auch in Mischung mit herkömmlich in Monokultur gezogenen Pflanzen. Wie erwartet war der Mischanbau der Monokultur überlegen - und zwar egal, ob die Pflanzen WG-Erfahrung hatten oder nicht.
WG-Pflanzen machen Arbeitsteilung
Der Grund ist laut den Forschern, dass Pflanzen in einer gemischten Gesellschaft viel weniger unter Schädlingen leiden. Diese finden dort nämlich ihre Lieblings-Futterpflanze nicht so leicht. Die Pflanzen könnten deshalb die verfügbaren Ressourcen in Wachstum und Nachkommen investieren statt in die Schädlingsabwehr.
Doch darüber hinaus produzierten die WG-Pflanzen im Mischanbau auch deutlich mehr Ertrag als die Monokultur-Pflanzen. Sie hatten sich nämlich auf ihre Stärken spezialisiert: Gräser bildeten dickere Blätter, um das Licht im oberen Stockwerk der Wiese besser zu nutzen, Klee bildete grössere und dünnere Blätter, um das schwache Licht in Bodennähe einzufangen.
Wie einst Henry Ford dank arbeitsteiliger Produktionsstrassen mehr Autos baute, steigerten auch die Versuchswiesen ihre Gesamtleistung durch Spezialisierung. Den gleichen WG-Nutzen hatte Schmids Team zuvor bereits bei Weizen nachgewiesen: Wuchsen in einem Feld mehrere genetisch unterschiedliche Sorten von Weizen nebeneinander statt nur einer, erhöhte dies den Gesamtertrag.
«Das Spektakuläre ist, dass sich dies bei der Züchtung gezielt ausnützen lässt», kommentierte Schmid auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Mischzucht und -anbau würden nach Ansicht der Forscher eine nachhaltigere Landwirtschaft fördern. Denn Mischungen benötigten weniger Schädlingskontrolle und könnten Dünger besser ausnützten.
«Pflanzenzüchtung und Anbauverfahren sollten künftig nicht mehr auf die Verbesserung der Leistung von Monokulturen sondern von Mischungen ausgerichtet werden», ist deshalb das Fazit der Forscher. Die Resultate ihrer Studie könnten in der Schweiz, wo Wiesen und Weiden einen grossen Teil der Landwirtschaftsfläche ausmachen, von grosser Bedeutung sein, meint Schmid.


