Nur wenigen Schafen hängt Heinz Stegmann eine Glocke um den Hals – weil sich Anwohner durch dieses Bimmeln in ihrer Nachtruhe gestört fühlten und mit Anzeige drohten. Einen Rechtsstreit möchte er umgehen.
Wenn Heinz Stegmann aus Ittigen BE mit seinen etwas über 100 Mutterschafen und Lämmern von der Alp im Gasterntal bei Kandersteg in die Umgebung von Bern zurückkehrt, hängt er den meisten von ihnen die Schafglocke, welche sie während dem Sommer um den Hals trugen, ab. Im Herbst nutzt er mit ihnen Ökoflächen in und um Bern. Die meisten dieser vergleichsweise kleinen Flächen stellen ihm Bauern und Bäuerinnen zur Verfügung, die ihm für seine blökende Weidepflege dankbar sind. Auf manchen Flächen hat er Heidschnucken, die auch Büschen zu Leibe rücken, oder kleinrahmige Skudden, die gerne Laub fressen. Überwiegend hat er jedoch Fleischschafe.
Mit Anzeige gedroht
In Muri brachten ihm vor vier Jahren drei Heidschnucken auf einer Fläche von nur ein paar Quadratmetern einigen Ärger ein. «Eine Anwohnerin aus dem knapp 50 Meter weit entfernten Wohnblock hat um 2 Uhr nachts angerufen, weil sie nicht schlafen konnte», erzählt Stegmann. Tags darauf hat ihm sogar jemand mit einer Anzeige gedroht, falls er seinen drei Schafen die Glocken nicht diskussionslos abnehme – obschon von ihnen nur ein leises Bimmeln zu hören ist. Die Weidefläche hat ihm eine Wohnbaugenossenschaft zur Nutzung gegeben. «Sie hat mir geraten, den Schafen lieber keine Glöggli mehr umzuhängen, als einen langwierigen Streit vor Gericht zu riskieren, bei dem man letztlich nur verlieren kann», erinnert sich Stegmann.
Es sei nicht der einzige Ort, an dem seine Schafe keine Glocken mehr tragen dürfen, aber an dieser Stelle hatte er es mit der rechtlichen Androhung zu tun. Weil es immer mal vorkommt, dass Schafe aus ihren mit Flexinetzen umzäunten Weiden ausbrechen – vor allem, wenn Spaziergänger nicht angeleinte Hunde mit sich führen – hat es durchaus Vorteile, wenn Schafe etwas Hörbares um den Hals tragen. Auf manchen Weiden wagt es Stegmann daher wieder, zwei oder drei Leitschafen eine Glocke umzuhängen. Zum Beispiel auf einer Weide hinter der Kirche von Muri. «Bislang sind noch keine Reklamationen eingegangen», sagt er. Doch er weiss, dass er jederzeit damit rechnen muss, und dies, obschon seine Schafe längstens drei Wochen an einer Stelle bleiben.
Polizei wird angerufen
Er hat seine Schafe auf acht Standorte verteilt. Je nach Grösse der zu nutzenden Fläche hat er jeweils 3 bis 20 Schafe auf einer Weide. Dabei ist der Schafglockenstreit nicht die einzige Herausforderung, mit der er am Stadtrand von Bern zu kämpfen hat. Immer wieder bekommt er es mit der Polizei zu tun, weil Anwohner diese anrufen, statt sich direkt bei ihm zu melden, wenn ein tatsächliches oder auch nur ein vermeintliches Problem vorliegt.
Stegmann scheut keine Mühe, zum Teil mehrmals täglich nach dem Rechten zu schauen – vor allem bei Auen, die kurz vor dem Ablammen stehen. Hochtragende Mutterschafe können, wenn sie fallen, manchmal nicht mehr allein aufstehen. Doch die meisten Passanten sind damit überfordert, einem solchen wieder auf die Beine zu helfen. Das Mobiltelefon, um die Polizei zu rufen, ist dagegen stets griffbereit.
Schnell reagieren
Bei einem unerwarteten Problem reagiert Stegmann daher unverzüglich. «Wenn etwas nicht stimmt, hole ich sofort den Anhänger samt Gattern, damit ich die Schafe einladen und zu meinem Stall beim Tiefenau-Spital bringen kann», erklärt er. Um rasch handeln zu können, hat er den Anhänger in Wittigkofen stationiert, in Berns Hochhaus-Quartier, weil das für ihn praktisch ein Mittelpunkt ist. Solch rasche Reaktionen gibt es etwa dann, wenn ein Schaf lahmt oder wenn eine Aue auf der Weide ablammt. Das sind allerdings auch Momente, die manch andere Anwohner in höchstem Mass faszinieren.
Solche Leute können verständlicherweise Nachts nicht schlafen und klagen gegen alles.
Von alt normal denkendem Mensch