Auch bei den Verhandlungen über ein neues multilaterales Handelsabkommen spielt die Agrarpolitik nach wie vor eine zentrale Rolle.
Dies ist bei Gesprächen über den Agrarbereich im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) am Montag vergangener Woche in Genf erneut deutlich geworden, die auch schon zur Vorbereitung auf die für Dezember 2017 geplante 11. WTO-Ministerkonferenz geführt wurden. Viele der 162 WTO-Mitglieder hätten auf den hohen Stellenwert der Landwirtschaft hingewiesen, den diese für ihre Volkswirtschaften besitze, erklärte WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo im Anschluss.
Viele WTO-Mitglieder sähen die Landwirtschaft als ein zentrales Element der gesamten Wirtschaftsentwicklung; andere hätten daran erinnert, dass neben Agrarfragen auch weitere Themen vorrangig behandelt werden sollten, erklärte der Brasilianer. Die gegenwärtige Periode des Nachdenkens über die Zukunft des Welthandels müsse aber bald abgeschlossen und von Taten abgelöst werden, mahnte Azevêdo. Der Ruf nach Reformen bei der Unterstützung von Landwirten sowie bessere Informationen über die Markt- und Einkommenslage in der Landwirtschaft standen Anfang voriger Woche im Mittelpunkt der informellen Verhandlungen einer Arbeitsgruppe über Agrarfragen. Eine zentrale aktuelle Frage war dabei nach Angaben von Diplomaten auch, wie konkursbedrohten Landwirten im Einklang mit den WTO-Regeln am wirkungsvollsten geholfen werden kann.
Informationsaustausch wichtig
Die Bekanntmachung nationaler und regionaler Hilfsmaßnahmen und die Notwendigkeit ihrer rechtzeitigen Notifizierung seien wichtig, damit jedes WTO-Mitglied vom anderen wisse, wie hoch das jeweilige Unterstützungsniveau sei, wurde der Vorsitzende des WTO-Agrarausschusses, der Neuseeländer Vangelis Vitalis, von Konferenzteilnehmern zitiert. "Wir können nicht im Dunkeln verhandeln”, so Vitalis. Von den 162 WTO-Mitgliedern hätten nur 24 Länder Informationen über die von ihnen geleisteten Agrarbeihilfen bereitgestellt. Dies sei sowohl peinlich als auch ärgerlich, erklärte Vitalis. Druck für weitere Reformen zur Liberalisierung des globalen Agrarhandels kam zuletzt vor allen von Kanada, Neuseeland und Australien, die der sogenannten Cairns-Gruppe angehören. Die drei Länder legten ein Papier für einen Neustart der Verhandlungen über den Weltagrarhandel vor. Dabei verwiesen viele Teilnehmer auf ihre Bemühungen zum Abbau von Zöllen und sonstigen Einfuhrhindernissen im Rahmen anderer Verhandlungsformate, wie etwa Präferenzabkommen. Einige Länder betonten jedoch, dass die WTO der ideale Ort bleibe, Details über Marktzugänge anzusprechen und Konflikte zu lösen.
Ottawa fordert mehr Disziplin bei Exporthilfen
Mit Blick auf Ausfuhrhilfen stellten einige WTO-Diplomaten klar, dass die Ende 2015 in Nairobi von den Welthandelspartnern getroffene Entscheidung, Exportzuschüsse für Agrarprodukte abzuschaffen, nicht bedeute, dass die Arbeiten zum Thema ungleicher Exportwettbewerb erledigt seien. Kanada ließ in Genf ein Papier zirkulieren, worin mehr Disziplin bei Programmen zur Exportunterstützung gefordert wird. Konkret verwies Ottawa dabei auf das US-Exportkreditprogramm GSM-102 als Beispiel dafür, wie Exportkredite den freien Agrarhandel stören könnten.
Beschwerden gab es seitens verschiedener WTO-Länder außerdem auch über andere Vorschriften, die aus ihrer Sicht Handelsrestriktionen darstellen und deshalb geändert oder gänzlich abgeschafft werden sollten. Genannt wurden in dem Zusammenhang sanitäre und phytosanitäre Standards, „private“ Standards für bestimmte Agrarprodukte, Subventionen für Biodiesel und Bioenergie, aber auch der Schutz geografischer Herkunftsangaben.
Unklarheit auch über die Verhandlungsprozedur
Uneinigkeit herrscht unter den WTO-Partnern offenbar auch über die Ausgestaltung des weiteren Verhandlungsprozesses auf dem Weg zu einem neuen Welthandelsabkommen. Soll dieser im Rahmen der alten Strukturen erfolgen oder ein neuer Ansatz gefunden werden, lautete in der vergangenen Woche eine der noch offenen Grundsatzfragen - auch im Hinblick auf die bereits aus dem Jahr 2008 stammenden agrarpolitischen Reformvorschläge. US-amerikanische und europäische Diplomaten gehörten vergangene Woche in Genf zu denen, die sich dabei am klarsten für einen „neuen Ansatz“ aussprachen und die Notwendigkeit „fruchtbarer Diskussionen“ betonten.