In Italien ist die Mafia nach wie vor auch in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft aktiv. Das zeigt der jüngste Bericht zur sogenannten Agrarmafia, der am 20. Mai vorgelegt wurde.
Geschäftsvolumen verdoppelt
Beteiligt ist neben dem mitgliederstärksten Landwirtschaftsverband Coldiretti, der auch die «Beobachtungsstelle für Kriminalität in der Land- und Ernährungswirtschaft» ins Leben gerufen hat, auch das private Forschungsinstitut Eurispes.
Laut dem Bericht konnten die kriminellen Netzwerke ihr Geschäftsvolumen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppeln; zuletzt soll es sich auf einen Gesamtbetrag von 25,2 Mrd. Euro (ca. 24,6 Mrd. Franken) summiert haben.
Ganze Kette betroffen
Die Wirtschaftszweige werden Coldiretti zufolge für die Mafia zunehmend attraktiv. Schwerpunkte der ungesetzlichen Aktivitäten seien neben der als «Caporalato» bekannten Ausbeutung von Landarbeitern und Erntehelfern das Kreditgeschäft und Geldwäscherei. Laut Coldiretti unterwandert die Agrarmafia zunehmend die gesamte Lebensmittelkette und hat auch den Gross- und Einzelhandel ins Visier genommen – genauso wie Gastronomie und Lebensmittelbetrug.
Bei den Produkten sollen Wein, Speiseöl, Reis und Futtermittel besonders betroffen sein. Hier werden den Verbandsangaben zufolge beispielsweise im Anbau oftmals Betriebsmittel ohne Zulassung eingesetzt oder im Verkauf Importe aus Osteuropa mit falschen Biozertifikaten versehen.
Schein-Genossenschaften
Besorgniserregend sind laut Coldiretti die neuesten Entwicklungen im Bereich des Caporalato. Demnach nutzt die Agrarmafia zunehmend transnationale Organisationen, die Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Italien holen. Die betroffenen Personen sollen vor allem aus Indien und Bangladesch kommen.
Eckpfeiler dieser Aktivitäten der Agrarmafia sind dem Verband zufolge Unternehmen ohne eigene Flächen, die als Genossenschaften eingetragen sind und Arbeitskräfte – vor allem Saisonkräfte – an landwirtschaftliche Betriebe vermitteln. Die betroffenen Beschäftigten seien formal Mitglieder der Genossenschaft, würden aber bis zu 40 % unter dem üblichen Niveau entlöhnt. Von den Flächenbewirtschaftern könne dies aber nicht kontrolliert werden, da sie das Geld direkt an die Genossenschaft zahlten.
Laut dem Bericht ist ein derartiges Vorgehen der Organisierten Kriminalität auch aus anderen Mitgliedstaaten bekannt, werde dort aber nicht systematisch erfasst und überwacht. Genannt werden in diesem Zusammenhang neben Deutschland auch Österreich, Belgien, die Slowakei, Spanien und die Niederlande.