Nach den Franzosen übernahmen 1810 die Engländer die Herrschaft über Mauritius. Der Zuckerexport wurde ausgedehnt. Doch mit dem Bau des Suez-Kanal wurde dieses Unterfangen erschwert. Mit der Unabhängigkeit im Jahr 1968 verlor die Landwirtschaft massiv an Bedeutung.
Die britischen Besatzer haben nur wenig Einfluss auf die Verhältnisse auf der Insel ausgeübt. Dass sich die Insel dennoch weiterentwickelte, war vor allem dem Engagement einzelner Personen zuzuschreiben; so zum Beispiel Robert D. Faqhar.
Zuckerrohr genügend robust
Ihm wird heute nachgesagt, dass er mehr die Interessen von Mauritius vertrat als die des britischen Empires. Faqhar hat bereits kurz nach der britischen Übernahme dafür gesorgt, dass Mauritius nicht nur mit Grossbritannien, sondern auch mit anderen Ländern Handel betreiben durfte. Gleichzeitig wurde in England der Importzoll für mauritischen Zucker reduziert, was insgesamt zu einem steigenden Zuckerrohranbau und zu einer zunehmenden Zuckerproduktion führte.
Als dann 1826 die Zuckerpreise auf dem Weltmarkt stiegen, akzentuierte sich die Zuckerindustrie noch stärker. Denn Kaffee, Indigo und viele weitere Pflanzen waren im Gegensatz zum Zuckerrohr nicht genügend robust, um den häufig auftretenden Zyklonen zu widerstehen. So wurde aus dem ehemaligen Durchgangsort eine Kolonie, die das Exportprodukt Zucker anbauen und ausführen konnte. Bis dahin beruhte ein wesentlicher Teil des Wachstums darauf, mit vorwiegend afrikanischen Sklaven über äusserst günstige Arbeitskräfte zu verfügen.
Inder ersetzten Sklaven
Mit dem Ende der Sklaverei um 1835 hatten auch die Zuckerbarone ein Problem, denn sie mussten ihren Plantagenarbeitern plötzlich einen Lohn auszahlen. Andererseits waren die ehemaligen Sklaven auch nicht mehr bereit, für ihre Herren zu arbeiten. Auf der Suche nach neuen, billigen und willigen Arbeitskräften wurde man unter anderem in Indien fündig. So begann bald der "Kulihandel", der Handel mit Vertragsarbeitern aus der Region um Kalkutta. Der Kulihandel hatte innert kurzer Zeit grosse Auswirkungen auf das soziale Gefüge von Mauritius, schon nach dreissig Jahren war die Hälfte der mauritischen Bevölkerung indischer Herkunft.
Die Zuckerrohrplantagen und Zuckerfabriken lagen indes nach wie vor im Besitz franko-mauritischer Unternehmer und Landbesitzer. Während den 20er-Jahren des letzten Jahrhundert kam es dann auch zu Aufständen, die mit der Gründung der Mauritischen Arbeiterpartei zur Bildung der ersten politischen Partei der Insel führte.
Suez-Kanal und Zuckerrüben brachten Zäsur
Mit dem Bau des Suez-Kanals 1869 verlor Mauritius als Anlaufhafen für Handelsschiffe an Bedeutung. Ausserdem wurde in den darauffolgenden Jahren in Europa damit begonnen, Zuckerrüben anzubauen, was den Zuckerpreis zusehends unter Druck setzte. Bis zum zweiten Weltkrieg blieb die gesamte Wirtschaft auf der Insel praktisch stehen.
Mit dem Erstarken einer politischen Linken, die sich für die Arbeiterklasse und ihre Anliegen einsetzte, stieg auch die Verhandlungsbereitschaft der britischen Kolonialherrschaft. Nach dem zweiten Weltkrieg begann man, Verhandlungen zu führen und schliesslich auch über eine neue Verfassung nachzudenken.
Von der Agrarnation zum Dienstleistungsexporteur
Mauritius wurde am 12. März 1968 nach 150 Jahren britischer Herrschaft unabhängig. Es folgte die Mitgliedschaft im Commonwealth und Königin Elisabeth II. blieb zunächst offizielles Staatsoberhaupt der Insel. Als die Briten Mauritius 1968 verliessen, basierte die ganze Wirtschaft auf Zuckerexporten. Zwar wurde etwas Tee angebaut und exportiert, allerdings in unbedeutenden Mengen. Gleichzeitig war in dieser Zeit die Landwirtschaft nach wie vor der bedeutendste Wirtschaftszweig, der am meisten Menschen beschäftigte und im Export die höchsten Erlöse erzielte.
Seither hat sich jedoch viel verändert, Mauritius hat sich von einer ärmlichen Agrarnation zu einem Land mit einer breit gefächerten Wirtschaft entwickelt. Zuerst kamen der Tourismus und die Textilindustrie. In den 90er-Jahren schliesslich auch die Finanzdienstleistungen und allgemeine Dienstleistungen, die zu einem Devisenbringer wurden. Letzterer macht heute mehr als 70 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus, das einstige Flaggschiff, die Zuckerrohrproduktion noch zwei Prozent.
Die mauritische Wirtschaft ist eine der am schnellsten wachsenden im südlichen Afrika und ein Nettoexporteur von Dienstleistungen. Ein Grund dafür sind internationale Unternehmen, die sich auf Mauritius niederlassen und die Insel als Tor zu den schnell wachsenden afrikanischen Märkten nutzen wollen.
70 Prozent der Nahrung wird importiert
Mit dem Aufschwung der Wirtschaft verlor die Landwirtschaft gleichzeitig an wirtschaftlicher Bedeutung, obwohl knapp die Hälfte der 2'040 km2 grossen Insel dafür verwendet wird. Weil Zucker nach wie vor das wichtigste Exportprodukt der Landwirtschaft ist, dominieren auch die Zuckerrohrfelder das Landschaftsbild. Einige Bauern produzieren Früchte, Gemüse, Blumen oder Tee.
Und vereinzelt werden Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine gehalten. Allerdings reichen die so hergestellten Nahrungsmittel nicht aus, um die Bevölkerung zu versorgen; in Mauritius muss etwa 70 Prozent des Essens importiert werden, die Landwirtschaft macht insgesamt noch etwa fünf Prozent des BIP aus.
Landwirtschaftspolitik
Die Regierung von Mauritius will die Ernährungs- und die Lebensmittelsicherheit garantieren. Dazu wird einerseits eine Professionalisierung der Versorgungsketten gefordert, andererseits eine diversifiziertere Landwirtschaft, die neben Zuckerrohr auch Obst und Gemüse produziert. Zusätzlich sollen und müssen der Handel und die Handelsbeziehungen gefestigt werden, denn Mauritius wird immer von Importen abhängig sein. Der Grenzschutz ist auf Mauritius von besonderer Bedeutung, denn um den Bauern ein Auskommen zu ermöglichen, werden sowohl Importe von Kartoffeln und Salz durch Importquoten limitiert, gleichzeitig aber die Inputs - Dünger oder Frachtkosten - durch die Regierung reduziert. Andererseits muss Mauritius dafür sorgen, dass es nicht zu Versorgungsengpässen kommt. Deshalb wird der Import von strategischen Gütern - wie zum Beispiel Weizen oder Reis - durch halbstaatliche Organisationen wie das Agricultural Marketing Board vorgenommen.
Flaggschiff Zucker unter Druck
Nach der Unabhängigkeit hat die EU Mauritius eine Zuckerquote gewährt, die den Zuckerexport zu Preisen ermöglichten, die phasenweise mehr als 30 Prozent über den Weltmarktpreisen lagen. Weil diese Quoten seit 2006 laufend abgebaut wurden, ist die Zuckerindustrie unter Druck geraten. Man begann in der Folge, die traditionellen Verarbeitungsprozesse zu erweitern; Mauritius entwickelte sich zu einem Zuckerrohr-Cluster, das aus Zuckerrohr verschiedene Energieformen herstellen kann: Ethanol, Elektrizität oder Nahrungsmittel.
Trotzdem haben diese Massnahmen den Rückgang der Anbauflächen nicht verhindert. Dass das freiwerdende Land aber nicht bewirtschaftet wird, ist undenkbar. Die Regierung will nämlich, dass die Bauern ihre Höfe diversifizieren und zusehends auch Gemüse und Früchte anbauen, in Tierhaltung und Milchproduktion einsteigen.
Grund für diesen Kurs ist die tiefe Inlandversorgung. Insbesondere der auf der Insel nicht vorhandene Getreideanbau schwächt die Kalorienversorgung. Ebenso müssen Rind- und Schaffleisch sowie Milch und Milchprodukte zu fast 100 Prozent importiert werden. Die lokale Landwirtschaft kann nur zwei Prozent der nachgefragten Milch und 1,5 Prozent des nachgefragten Rindfleisches produzieren. Immerhin ist Mauritius Selbstversorger bei Geflügel, Eiern, Schweinefleisch und den meisten Gemüsen.