Die wirtschaftsliberale Denkfabrik Avenir Suisse hat ein «Schattenbudget» für den Bundeshaushalt präsentiert. Kurzfristig sieht sie ein Entlastungspotenzial von 1,7 Milliarden Franken, langfristig sogar eine Aufwandreduktion um 9,4 Milliarden Franken. Die Bundessteuer soll gesenkt werden. Die Ideen für die Landwirtschaft sind radikal.
Die Schuldenbremse wird in den kommenden Jahren auf die Probe gestellt, denn es zeichnen sich Defizite in der Grössenordnung von zwei Milliarden Franken pro Jahr ab, wie Avenir Suisse am Donnerstag bekannt gab. Grund dafür seien nicht rückläufige Einnahmen, sondern das beschleunigte Wachstum der Ausgaben. Genannt werden die Sozialausgaben, aber auch die Bereiche Verkehr und Bildung.
Das «Schattenbudget» listet 34 Einzelmassnahmen auf, die ein kurzfristiges Entlastungspotenzial von 1,7 Milliarden Franken entfalten, was 2,6 Prozent der Gesamtausgaben entspricht. Langfristig, nach den erforderlichen Gesetzesanpassungen, ergebe sich eine Aufwandreduktion von 9,4 Milliarden Franken oder 14 Prozent des Bundesbudgets.
Bundessteuer soll sinken
Ein Teil der Entlastungen des Bundes führe zu Mehraufgaben der Kantone. Die mit der Aufgabenentflechtung zwischen Bund und Kantonen einhergehende stärkere Rolle der Kantone erlaube eine Senkung der direkten Bundessteuer, schreibt Avenir Suisse. Avenir Suisse sieht auch Potenzial für eine Senkung der Mehrwertsteuer. Die Budgetanpassungsvorschläge entsprächen in der Summe kurzfristig immerhin 0,5 Mehrwertsteuerprozenten, langfristig wäre gemäss den Vorschlägen sogar eine Reduktion um 2,7 Prozent möglich.
Eine Senkung der Steuertarife wäre anderseits auch nötig, um den Kantonen den Spielraum zu verschaffen, damit diese allfällige finanzielle Belastungen aufgrund der vorgeschlagenen Kompetenzverschiebungen durch Anpassungen ihrer Steuern kompensieren könnten. Bei der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen sieht Avenir Suisse unter anderem den Rückzug des Bundes aus der individuellen Prämienverbilligung. Das langfristige Entlastungspotenzial wird auf fast 2,5 Milliarden Franken beziffert.
Der Betrieb des regionalen Personenverkehrs durch die Kantone soll langfristig das Budget um 920 Millionen Franken entlasten. Indem das Schienen-Ergänzungsnetz in die Hände der Kantone übergeht, sollen langfristig 525 Millionen Franken eingespart werden.
Landwirtschaft: Stützung auf europäisches Niveau senken
Politisch seien gewisse Budgetposten sakrosankt, obwohl sie kaum zur Prosperitätssicherung beitrügen. Am Tabu einzelner, politisch fast in Stein gemeisselter Staatsausgaben soll gezielt gerüttelt werden, wie Avenir Suisse schreibt.
So umfassen die 34 Einzelmassnahmen etwa auch eine radikale Reform der Agrarpolitik. Dafür sprächen die "immensen" volkswirtschaftlichen Kosten sowie ein schwacher Leistungsausweis, heisst es. Avenir Suisse schreibt, dass die staatlichen Transfers in der Schweiz durchschnittlich über 60% der Bruttoeinnahmen der Landwirtschaftsbetriebe ausmachten. Die Denkfabrik stützt sich auf Zahlen der OECD von 2016.
In der EU sind es 20%, in den USA betragen die Bruttoeinnahmen rund 10% und in Neuseeland weniger als 2%. "Im internationalen Vergleich weist die Schweiz die höchste Stützung überhaupt auf", heisst es im Bericht. Die Rückführung der Stützung für die Landwirtschaft auf das europäische Niveau bringe eine kurzfristige Entlastung von 350 Millionen Franken. Langfristig seien es sogar 2,5 Milliarden Franken, hebt die wirtschaftsliberale Organisation hervor.
Einsparungen von 2,5 Mrd. Franken in der Landwirtschaft
Avenir Suisse schlägt vor, für den anstehenden Zahlungsrahmen 2018–2021 die Ausgaben stufenweise pro Jahr um 10% zu kürzen. Dies bedeutet, dass von den aktuell rund 3,5 Mrd. Fr. 2018 noch gut 3,1 Mrd. Fr. zur Verfügung stehen würden. Gegenüber dem politisch diskutierten Zahlungsrahmen würden die Ausgaben für den Zahlungsrahmen 2018-2021 nach dem Modell von Avenir Suisse von 13,8 Mrd. Fr. auf 10,7 Mrd. Fr. sinken.
Innert zehn Jahren ergäben sich Einsparungen von rund 2,5 Mrd. Fr. pro Jahr. "Die «landwirtschaftliche Flurbereinigungsrate» (lFBR) dürfte dadurch steigen", hält Avenir Suisse fest. Die Versorgungssicherheit soll mittels vermehrten Agrarimporten sichergestellt werden.
"Landschaftspfleger"
Die Denkfabrik möchte ausserdem die Beiträge für die Pflege der Kulturlandschaft von der bäuerlichen Tätigkeit entkoppelen. Die Organisation könnte sich einen neuen Beruf für Landwirte vorstellen, den "Landschaftspfleger". Dieser würde mit Steuermitteln alimentiert und sich um den Unterhalt des Landschaftsbildes kümmern. "Die Kosten eines derart reformierten Systems würden einen Bruchteil betragen", hält Avenir Suisse fest.
Weniger Ausgaben für Kantone und Konsumenten
Die kantonalen Landwirtschaftsämter könnten verkleinert werden, schreibt die Organisation. Dies deshalb, da ein Teil der heutigen Ausführungs- und Kontrollaufgaben aufgrund eines Abbaus von Bundesvorschriften entfällt. Welche Vorschriften genau abgebaut werden sollen, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Eine solcher Wandel der Agrarpolitik hätte auch Auswirkungen für ländliche Gemeinden. Solche mit einem hohen Anteil an Beschäftigten in der Landwirtschaft dürften von einem beschleunigten Strukturwandel betroffen sein. Dafür würden die Schweizer Konsumenten und Steuerzahler, aber auch für verschiedene Dienstleister (Tourismus, Gastronomiebranche etc.) entlastet werden. Eine Marktöffnung würde zu einer stetig zunehmende, spürbaren Entlastung führen, folgert Avenir Suisse.
Auch die Renten werden nicht geschont
Als nicht mehr zeitgemäss erachtet Avenir Suisse das Rücktrittsalter von 60 Jahren für die Mitarbeitenden des Berufsmilitärs und des Grenzwachtkorps. Durch die Abschaffung der Vorruhestandsprämien könnten kurzfristig 10 Millionen Franken und langfristig 20 Millionen Franken eingespart werden. Vorgeschlagen wird auch eine Erhöhung des Referenzrentenalters um einen Monat pro Jahr. Zudem sollen die AHV-Witwenrenten für kinderlose Frauen abgeschafft werden. Dies ergibt langfristige Einsparungen von je 44 Millionen Franken.
Zusätzlich soll das Budget durch die Abschaffung der AHV-Kinderrenten um 32 Millionen Franken entlastet werden. Die Aufhebung der Bundesbeiträge an die aktiven Arbeitsmarktmassnahmen der Arbeitslosenversicherung würde langfristig 480 Millionen Franken bringen. Durch Mobility Pricing auf Strasse und Schiene rechnet Avenir Suisse mit kurzfristigen Entlastungen um 400 Millionen Franken. Langfristig sind es sogar 900 Millionen Franken.
In der allgemeinen Verwaltung soll ein zentralisiertes IT-Management 120 Millionen Franken einbringen. Der Verzicht auf das Programm «EnergieSchweiz» etwa wird mit 51,5 Millionen Franken aufgeführt.


