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Agrarspekulation: Nutzen eines Verbots umstritten

«Mit Essen spielt man nicht»: Dieser Slogan steht für die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln». Aus Sicht der Gegner wäre ein Spekulationsverbot aber nicht nur wirkungslos gegen den Hunger, sondern würde auch der Wirtschaft schaden.

sda |

 

 

«Mit Essen spielt man nicht»: Dieser Slogan steht für die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln». Aus Sicht der Gegner wäre ein Spekulationsverbot aber nicht nur wirkungslos gegen den Hunger, sondern würde auch der Wirtschaft schaden.

Hinter der Initiative stehen die Jungsozialisten (JUSO), SP, Grüne, Hilfswerke und Bauernorganisationen. Sie gehen davon aus, dass die Spekulation zu steigenden Nahrungsmittelpreisen führt und damit eine der Ursachen für den Hunger auf der Welt ist.

Grundannahme umstritten

Der Preis für Weizen, Mais oder Soja werde von Spekulanten hochgetrieben, und das koste in armen Ländern Menschenleben, argumentieren die Initianten. Deshalb wollen sie spekulative Finanzgeschäfte verbieten, die sich auf Agrarrohstoffe oder Nahrungsmittel beziehen.

Schon die Grundannahme ist jedoch umstritten: Die Gegner stellen in Abrede, dass solche Geschäfte die Preise in relevanter Weise beeinflussen. Ausserdem bezweifeln sie, dass sich spekulative Geschäfte von nützlichen trennen lassen.

Spekulation und Absicherung

Viele Geschäfte dienen den Nahrungsmittelproduzenten dazu, sich abzusichern. Es handelt sich zum Beispiel um Verträge, die den Produzenten ermöglichen, die Ernte in der Zukunft zu einem festgelegten Preis zu verkaufen. Wer solche Derivate kauft, übernimmt für den Produzenten das Risiko.

Das wollen die Initianten nicht verbieten. Was sie unterbinden möchten, sind «Wetten» auf steigende oder fallende Preise: Agrarderivate sollen nicht gekauft und verkauft werden dürfen, um aus Preisschwankungen Gewinne zu erzielen.

Trennung problematisch

Die Gegner wenden ein, die absichernden Geschäfte seien ohne die spekulativen nicht zu haben. Könnten die Agrarderivate nicht zur Spekulation verwendet werden, sei niemand bereit, für den Produzenten das Risiko zu tragen. Ohnehin sind die Preisschwankungen aus Sicht der Gegner in erster Linie durch Naturereignisse wie Dürren und Überschwemmungen bedingt. Dass die Spekulation die Preise negativ beeinflusse, sei nicht belegt, betonen sie.

Eine wichtige Rolle spielt in der Diskussion eine Auswertung diverser Studien durch die Universität Basel und die Hochschule Luzern. Vier von fünf Studien kamen demnach zum Schluss, dass spekulative Geschäfte mit Agrarderivaten Preisschwankungen nicht beeinflussen oder sogar verringern.

Die Initianten wenden ein, viele Studien stammten aus der Zeit vor 2010. Erst nach Ausbruch der Finanzkrise hätten Finanzinstitute begonnen, im grossen Stil mit Agrarderivaten zu spekulieren, worauf die Preise explodiert seien. Manche Studien seien ausserdem ideologisch gefärbt, argumentieren die Initianten - und verweisen auf Untersuchungen, die zu anderen Resultaten kommen.

Bürokratie und Kosten

Umstritten sind aber auch die Folgen für die Schweiz. Die Gegner aus dem bürgerlichen Lager und der Wirtschaft warnen vor Bürokratie und Kosten. Um die Einhaltung des Verbots zu überwachen, müsste eine neue staatliche Aufsichtsbehörde geschaffen werden, geben sie zu bedenken.

Von der neuen Vorschrift wären nicht nur Firmen betroffen, deren Kerngeschäft der Handel mit Nahrungsmitteln sei, sondern auch Banken, Versicherungen oder Pensionskassen, die in diese Produkte investierten und Geschäfte absicherten. Um der Regulierung auszuweichen, könnten die Firmen ihre Geschäftssitze ins Ausland verlagern, was Arbeitsplätze kosten würde.

Entscheid mit Signalwirkung

Davor warnt auch der Bundesrat. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gab ausserdem zu bedenken, ein Verbot in der Schweiz hätte praktisch keine Wirkung auf den Handel mit Agrarderivaten, da der Handel weltweit stattfinde. Ein Ja wäre ein problematisches Zeichen für den Wirtschaftsstandort.

Die Befürworter sähen ein Ja ebenfalls als Zeichen, aber als positives: Würde die Schweiz der schädlichen Spekulation einen Riegel schieben, hätte das eine riesige Signalwirkung, sagte etwa Heiner Flassbeck, der ehemalige Chef-Ökonom der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung. Die Diskussion sei auch in anderen Ländern in Gang.

Macht einzelner Akteure beschränken

Die Regulierungspläne in anderen Ländern haben den Bundesrat und das Parlament dazu bewogen, Vorkehrungen zu treffen. Eine Klausel im neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetz gibt dem Bundesrat die Kompetenz, Positionslimiten für Warenderivate einzuführen - eine Obergrenze für die Anzahl Derivate, die ein einzelner Marktakteur halten darf.

Allerdings ist offen, ob und wann der Bundesrat von der Kompetenz Gebrauch machen wird. Er wolle sich an der internationalen Entwicklung orientieren, sagte Schneider-Ammann. Und die Diskussionen in den USA und in der EU seien nicht abgeschlossen.

Über die Initiative entscheidet das Stimmvolk am 28. Februar. In der ersten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern sprachen sich 48 Prozent der Befragten für die Initiative und 39 Prozent dagegen aus. Das Nein-Lager dürfte aber laut den Meinungsforschern noch zulegen.

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