Experten aus dem Handel und Analysten diskutierten zu den Entwicklungen der Welt-agrarmärkte auf der Agritechnica 2011 in Hannover. Im Fokus standen die extreme Ernte 2011, die Auswirkungen der Finanzkrise und die Konsequenzen für das Angebot an Agrar-rohstoffen und das Nachfrage-verhalten.
Die zunehmende Volatilität, die daraus resultierende Preisunsicherheit auf den Agrarmärkten sowie die Risiken für die Agrarwirtschaft standen bei der von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) und dem Deutschen Bauernverband (DBV) organisierten internationalen Fachtagung "Agrarmärkte 2012" im Vordergrund.
DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer verwies auf die Notwendigkeit funktionierender Warenterminbörsen. Ein Grossteil der Marktschwankungen sei fundamental bedingt. Bartmer appellierte an die Politik, bei den gegenwärtig diskutierten Regulierungsabsichten die stabilisierende Wirkung der Börseninstrumente im Auge zu behalten. Ausreichende Transparenz sei notwendig sei für den freien Handel von Agrarprodukten, betonte Bartmer.
Banken und Investmenthäuser sind grosse Spieler am Agrarmarkt
Die grossen Preisausschläge der Branche werden unter anderem auch auf die Engagements von ausserlandwirtschaftlichen Investoren und Institutionen zurückgeführt, hebte Lars Kuchenbuch, Geschäftsführer des Maklerunternehmens KS Agrar GmbH aus Mannheim (D), hervor. Das Anlagevolumen im Agrarmarkt benannte Kuchenbuch mit 600 Mrd. Euro (738 Milliarden Franken).
Die grössten Akteure am Agrarmarkt seien die Investmenthäuser Goldman & Sachs und die Deutsche Bank. Gemäss Kuchenbuch zeigen seit der Saison 2007/08 die aktuellen Getreidebilanzen sowohl eine Zunahme der Bestände wie eine Zunahme des Verbrauchs. Die Bestandszuwächse beruhen auf Erntesteigerungen nach dem Einbruch von 2007, wobei auch die Saison 2010/11 global mit Mindererträgen aufwartete.
Beim Mais ist ebenfalls eine jährliche Ertragssteigerung zu verzeichnen, aber auch ein kontinuierlicher Bestandsabbau aufgrund des jährlich steigenden Verbrauchs (besonders der Bioethanolproduktion) zurückgeht.
Diversifikation und Inflationsschutz
Die treibenden Faktoren für Rohstoffinvestments sieht Kuchenbuch in der wachsenden Zahl der Weltbevölkerung und der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten.
Hinter dem Einstieg der institutionellen Anleger in die Agrarmärkte steht der Wunsch nach Diversifikation der Anlagen, um das Depotrisiko zu vermeiden, da Rohstoffwerte eine niedrige Korrelation zu Aktien und Anleihen aufweisen.
Ausserdem bieten Agrarrohstoffe einen gewissen Inflationsschutz, da Aktien und Anleihen mit steigender Inflationsrate an Wert verlieren. Rohstoffe sind durch ihren reellen Gegenwert hingegen unabhängiger. Das Anlageangebot im spekulativen Bereich wurde nach Ansicht von Kuchenbuch in den vergangenen Jahren stetig erweitert. Dabei handelt es sich um Fonds, Zertifikate, Index Funds und Index basierte Fonds (ETF), die börsengehandelt sind.
Durch die verstärkten Aktivitäten von Investoren an den Terminbörsen ist die Volatilität der Preise sprunghaft angestiegen. Das führt nach Ansicht von Kuchenbuch auch zu Auswirkungen auf das klassische Hedging, das zur Preisabsicherung über die Warenterminbörsen genutzt wird. Der Experte erläuterte, dass höhere Einstiegsmargins (Red: Sicherheitsleistungen) notwendig seien, um die Engagements (Hedge Positionen) zu halten. Damit steigen die Kosten für Absicherung überdimensional an und der Zweck der Futuresbörse als Absicherungsinstrument wird in Frage gestellt.
Preisanstieg durch spekulatives Kapital am Rohstoffmarkt
Die elektronischen Handelssysteme haben für Kuchenbuch ebenfalls einen grossen Markteinfluss. In den letzten Jahren hat der Handel über diese börsentechnischen Instrumente (60 % des Weltaktienhandels) stark zugenommen.
Die Hinterlegung von charttechnischen Algorithmen führt zur automatischen Auslösung von Positionsbewegungen mit den entsprechenden Kursauswirkungen auf den Rohstoffhandel.
Zusammenfassend sieht Kuchenbuch einen Preisanstieg durch spekulatives Kapital am Rohstoffmarkt als gegeben. Durch die grosse Zahl der Beteiligten aus dem Finanzsektor würden die Agrarteilnehmer zu Randbeteiligten am Agrarrohstoffmarkt, und der Einfluss elektronischer Handelssysteme nimmt zu.