Die Schweiz schützt ihre Landwirtschaft unter anderem mit Zollkontingenten gegen eine Schwemme billigerer Agrarprodukte aus dem Ausland. Das zuständige Bundesamt hat diesen ausgeprägten Grenzschutz nun unter die Lupe nehmen lassen. Die Resultate lassen aufhorchen.
«Die Resultate zeigen, dass - obwohl das System zwar teilweise effektiv ist - hohe Kosten und grosse Ineffizienzen damit verbunden sind», fasst das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Erkenntnisse der Studie zusammen, über die am Donnerstag die «Luzerner Zeitung» und das «St. Galler Tagblatt» berichteten.
Grossverteiler als Nutzniesser
Zollkontingente führen zu höheren Konsumentenpreisen, die nur teilweise an die Bauern weitergegeben werden. Dies, obwohl das Ziel des Grenzschutzes die Stützung der landwirtschaftlichen Produktion und Einkommen wäre. Nutzniesser sind gemäss BLW die nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette, sprich die Grossverteiler.
Untersucht haben die Studienautoren das System der Zollkontingente für Rind- und Schweinefleisch sowie für Kartoffeln, Tomaten, Äpfel und Erdbeeren. Beim Fleisch dienen die Zollkontingente, also die Erlaubnis, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge zu importieren, der Stabilisierung des inländischen Angebots und der Preise.
Versorgung sicherzustellen
Bei den Kartoffeln und den Früchten dienen sie dazu, die Versorgung sicherzustellen, wenn die inländische Produktion nicht ausreicht oder die Produkte nicht Saison haben. So können Detailhändler Erdbeeren auch im Dezember in die Regale stellen ohne die inländische Produktion zu konkurrenzieren oder aus Qualitätsgründen Äpfel importieren, «um den Markt ganzjährig mit einer Auswahl verschiedener Sorten zu versorgen».
Die Studie hat bei der Wirksamkeit, der Effektiviät des Grenzschutzes mittels Zollkontingenten Schwachstellen gefunden, diese aber insgesamt als gut bewertet: Mit den Zollkontingenten können die hohen inländischen Preise erhalten werden. Davon profitieren aber insbesondere Gross- und Detailhändler. Die Marktstruktur kommt den beiden Schwergewichten im Schweizer Detailhandel gelegen. Dies belegt die Studie.
Weil Produzenten oft auf die grossen Akteure wie Migros und Coop angewiesen sind, sitzen sie am kürzeren Hebel, schreibt die "Luzerner Zeitung". Die Studie kritisiert zudem, das Zollkontingentsystem sei sehr komplex und senke wahrscheinlich die Anreize für Wettbewerb zusätzlich.
Bauernverband: Marktstruktur verantwortlich
Obwohl gemäss Studie vor allem die nachgelagerten Stufen profitieren, unterstützt der Schweizer Bauernverband (SBV) das heutige System. «Wir sind auch der Meinung, dass von den Ausgaben der Konsumenten zu wenig bis zur Landwirtschaft kommt», sagt Martin Rufer, Leiter Produktion, Märkte und Ökologie, der «Luzerner Zeitung».
Nicht die Zollkontingente, sondern die Marktstruktur sei dafür verantwortlich. Damit kritisiert der SBV die Dominanz der Grossverteiler. Die Kontingente indes führten zu mehr Preisstabilität und verhinderten, dass der Markt mit Billigstware überschwemmt werde. Das belegt die Studie: Importe werden wie -gewünscht nur dann zugelassen, wenn die inländische Produktion nicht ausreicht.
Migros: Grenzschutz als Ganzes überdenken
Die Grossverteiler reagieren unterschiedlich auf die Kritik. Coop hat die Studie noch nicht im Detail geprüft und gibt keine Einschätzung ab. Die Migros hingegen weist darauf hin, dass sie sich gewehrt habe, dass die Inlandleistung als zusätzliches Zuteilungskriterium bei den Zollkontingenten wiedereingeführt wird. Es sei erwiesen, dass so finanzielle Vorteile «auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette» entstehen könnten. Der Agrarschutz als Ganzes gebe es zu überdenken, lässt die Migros verlauten.
Fragezeichen bei Effizienz
Bei der Effizienz setzt die Studie hingegen grosse Fragezeichen. Die Folgen der Zollkontingente für die Schweizer Konsumenten «ist bei allen in der Studie berücksichtigten Produkte negativ», heisst es. Grund dafür sind die im Vergleich zum Ausland höheren Inlandpreise verantwortlich.
Die Studie, die im Januar auf der Seite des BLW aufgeschaltet worden war, kommt zudem zum Schluss, dass das System der Zollkontingente insgesamt äusserst komplex und mit grossem administrativem Aufwand verbunden ist. Einen Ausblick und Verbesserungsmöglichkeiten liefert sie nicht. Sie stellt einzig fest, dass «für substanzielle Effizienzsteigerungen tiefgreifende Änderungen des Systems in Betracht gezogen werden müssten».