Esther Siegenthaler ist ausgebildete Lehrerin. Doch auch nach ihrem dreimonatigen Aufenthalt in Neuseeland, aus welchem sie ebenfalls bloggte, kehrt sie nicht zur Schule zurück. Die Bauerntochter geht auf der Alp Meienfall im Diemtigtal BE als Zusennin z‘Bärg.
Am Mittwoch konnte ich aufgrund einer Lehrer-Weiterbildung nicht auf dem Meienfall anwesend sein. Und ausgerechnet an diesem Tag herrschte viel Action. Doch leider kann ich wenig Positives berichten.
Beinbruch
Ein Rind hat ein Bein gebrochen. Das Rind befand sich hinter dem Meienfallsee und ein Wegtransport war nur mit dem Helikopter möglich. Der Besitzer und Res entschlossen, dass es wenig Sinn macht, das Rind lebendig zu fliegen. Die Schmerzen für das Rind waren nicht zumutbar. Da sich der Bruch im Gelenk ereignete, bestand kaum Hoffnung auf Heilung. Zudem wurde ich am darauffolgenden Sonntag vom Tierarzt informiert, dass Knochenbrüche bei Tieren über 300 Kilogramm aufgrund der komplizierten Behandlung selten geheilt werden können.
So fuhr der Metzger mit einem Anhänger bis in den unteren Meienfall. Dort wurde er mit dem Helikopter von Swiss Helicopters aufgeladen und zum Rind geflogen. Er tötete dieses und liess es ausbluten. Der Helikopter flog den Tierkörper anschliessend zum Anhänger. Schleunigst wurde das tote Rind nach Oey transportiert und notgeschlachtet.
Pilze zum Mittagessen
Bisher fiel die Pilzsaison äusserst schlecht aus. Obwohl Res mir die guten Plätzli zeigte, fanden wir bisher nicht mehr als eine Handvoll. Dies änderte sich am Donnerstag; Steinpilze und Eierschwämme „schossen aus dem Boden“, wie das Sprichwort sagt. Res zeigte mir, wie sie gerüstet werden. In der Folge haben wie einige eingesammelt. Aus diesen kochten wir am Freitag ein feines Pilzragout.
Rinder wollten nicht ins Chummli
Doch das Pilzragout mussten wir uns zuerst hart verdienen. Im hinteren Teil der Weide oberhalb des Sees haben die Rinder keinen Brunnen. So kamen sie immer wieder nach vorne um zu trinken. Die nächste Weide, welche direkt dahinter liegt, ist das Chummli. Ein Brunnen befindet sich im oberen Chummli, im unteren gibt es keinen.
Zwischen den beiden Trinkgelegenheiten sind es mehr als eine halbe Stunde Fussmarsch. Dies aber nur, wenn man gewohnt ist, im unwegsamen Gelände zu laufen. Kein Wunder, dass die Rinder nicht nach oben wollten bei diesen Temperaturen. Täglich versuchten wir einige nach hinten zu treiben, doch dies war äusserst nervenaufreibend. Die immer wiederkehrenden Misserfolge waren mit der Zeit frustrierend.
Gämsen grasen mit den Rindern
Eigentlich ist das Kontrollieren der Rinder nebst dem Melken meine Lieblingsarbeit, doch am Freitag stank es mir regelrecht. Ich will mich nicht über den Regen beklagen, im Gegenteil, bisher erlebte ich vom Wetter her den perfekten Alpsommer. Regenhosen sind aber überhaupt nicht mein Ding, doch diese waren am Freitag vonnöten. Zudem war ich auf weitere Frustrationen eingestellt, doch ich täuschte mich.
Problemlos konnten wir eine Gruppe nach hinten treiben, weitere Rinder folgten uns. Fast beim Chummli grasten plötzlich fünf Gämsen, das nur wenige Meter oberhalb der Rinder. Und als wir uns weiter vorwärts bewegten, befand sich eine Gämse mitten in den Rindern. Zudem waren Murmelpfiffe zu hören, mein Gräuel war umgehend verschwunden. Und als wir sahen, dass einige Rinder bereits im oberen Chummli waren und das Wasser gefunden haben, hellte sich meine Laune erst recht auf.
Planänderung
Dies war eigentlich mein Blog, welchen ich bereits vor dem Sonntag fertig geschrieben, aber noch nicht abgeschickt hatte. Zum Glück nicht, denn die grosse Freude der Woche kehrte erst am Sonntagmorgen ein.
Nach drei Tagen Stallarrest platzte beim Rind Alina endlich die Fruchtwasserblase. Ich war mit melken beschäftigt, als Res kurzerhand seinen Ärmel hochzog, den Arm sauber wusch und nach dem Kalb griff. Er hatte ein feines Näschen, denn ausser einem Hinterteil und einem Schwänzchen konnte er nichts ertasten. So rief er den Tierarzt Thomas Kaufmann an, welcher rund eine Stunde später auch eintraf.
Steisslage, aber Zwei Kuhkälber
Schnell war klar, dass das Kalb in Steisslage lag und wieder nach vorne geschoben werden musste, damit die Hinterbeine nach hinten gezerrt und das Kalb rückwärts rausgeholt werden konnte. Eine Spritze gegen die Presswehen war der nächste Schritt.
Thomas schaffte es nicht, die Haxe des Kalbes zu schieben und gleichzeitig mit der anderen Hand die Klaue zu ergreifen und nach hinten zu ziehen. So musste ich meinen Arm sauber waschen und meine Hand in die Gebärmutter schieben. Ich half mit, die Haxe nach vorne zu drücken. Es war ein „Murgs“, doch wir schafften so beide Beine in die richtige Lage zu bringen und das Kalb raus zu zerren.
Das Kalb machte von der ersten Sekunde weg regelmässige Atemzüge. Als ich sah, dass es ein Kuhkalb ist, war die Freude doppelt gross. Der Tierarzt meinte, es könnte noch ein weiteres Kalb in der Gebärmutter liegen. Ich verstand es als Witz, doch kurze Zeit später waren zwei weitere Beine zu sehen und ein zweites Kuhkalb kam zum Vorschein.
Regenhosen sind plötzlich kein Problem mehr
Für mich war dies eine einmalige und wunderschöne Erfahrung. Auch nicht selbstverständlich ist, dass es dem Rind gut geht. Es gibt an allen vier Zitzen Milch, zudem schlägt es nicht allzu fest beim Melken. Einmal mehr wird mir bewusst, dass man für ein solches Glück dankbar sein soll, wo auch immer.
Auch am Nachmittag blieb der Nebel hängen. Bei Regen und einer Sichtweite, die nicht viel weiter als zu meinen Gummistiefeln reichte, ging ich die Rinder kontrollieren. Und plötzlich störten mich die Regenhosen nicht mehr…











