Die Alpwirtschaft steckt im Umbruch: Die Anzahl gesömmerter Milchkühe nimmt ab, die Verbuschung der Weiden wächst. Mit der neuen Agrarpolitik will der Bund dieser Entwicklung Einhalt gebieten.
Noch ist es ruhig auf der Alp Grosser Mittelberg im Berner Justistal. Das ändert sich in ein paar Tagen, wenn die 55 Milchkühe auf die Alp kommen. An den steilen Hängen ist vereinzelt noch immer Schnee zu sehen, das Gras beginnt erst jetzt mit den ersten frühsommerlichen Temperaturen zu spriessen.
"Die Vegetation ist gegenüber dem Vorjahr rund zwei Wochen im Rückstand", erklärt Christian Staufer, Präsident der Vereinigten Alpgenossenschaften Justistal. Rund 250 Kühe werden auf den neun Alpbetrieben im Tal gesömmert. Circa 30 Tonnen Käse werden die Sennen bis im Herbst produzieren. Am 20. September findet dann die "Chästeilet" statt: Nach einem jahrhundertealten, ausgeklügelten Ritual teilen dann die Landwirte den Käse untereinander auf – im Verhältnis zur Milchleistung ihrer Tiere. Dieses Spektakel zieht alljährlich Hunderte Personen an.
Immer weniger Milchkühe
Hansjörg Hassler, Präsident des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbandes (SAV), verwundert das wenig: "Die Alpwirtschaft hat ein positives Image." Sie präge das Bild der Schweiz, stehe für Originalität, Beständigkeit, eine intakte Natur, Vielfalt und hochwertige Produkte, erklärte Hassler an einer Medienorientierung.
Doch ungetrübt ist die Freude nicht. Denn die Alpwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen: "In den letzten Jahren mussten wir leider einen kontinuierlichen Rückgang der Bestossungszahlen im Sömmerungsgebiet feststellen", so Hassler. Insbesondere die Anzahl gesömmerter Milchkühe hat abgenommen. Rückläufig ist aber auch die Anzahl Alpbetriebe. Und das Sömmerungsgebiet wird infolge Verbuschung und Vergandung immer kleiner.
Unterschied zu Talbauern verkleinern
Das Parlament will dieser Entwicklung Einhalt gebieten. So soll die Sömmerung mit der Agrarpolitik 2014/17 attraktiver werden: Die Sömmerungsbeiträge werden erhöht, mit den Alpungsbeiträgen wird ein neues Instrument eingeführt, zudem gibt es Landschaftsqualitäts- und Biodiversitätsbeiträge.
Hassler begrüsst zwar diese Massnahmen. Allerdings reichten sie nicht aus. Bergbauern würden 40 Prozent weniger verdienen als ihre Berufskollegen im Tal. "Der Unterschied ist frappant und muss deutlich verkleinert werden", fordert Hassler.
Schweizer Alpwirtschaft
Jedes Jahr werden rund 600'000 Tiere auf den 7'300 Alpbetrieben gesömmert. Die Alpweiden umfassen rund 560'000 Hektaren, was zwei Dritteln der landwirtschaftlichen Nutzfläche entspricht. Jährlich werden rund 100'000 Tonnen Milch auf den Alpen produziert. Davon werden 60 Prozent zu Käse verarbeitet, jährlich rund 5'200 Tonnen – Tendenz steigend.