Die Mehrheit der Bevölkerung ist auf den Detailhandel angewiesen, der sie täglich mit frischen Produkten versorgt. Lebensmittel gegen Geld – dieser Tauschhandel hat noch keine sehr lange Geschichte hinter sich.
Jäger und Sammler, und dann vermehrt Ackerbauern und Nomaden versorgten bis zum Ende der Neusteinzeit (9500 v.Chr.) sich selbst und ihre Sippe. Noch heute ist die Subsistenzwirtschaft in vielen Regionen des globalen Südens die Grundlage des Lebens und Überlebens.
Erste Importe kurz vor 1900
Während der weiteren Entwicklung der Agrarwirtschaft blieb die Selbstversorgung bis zur Industriellen Revolution ein bedeutender ökonomischer Aspekt neben der Marktproduktion und Erwerbsarbeit.
Bis ins 19. Jahrhundert wurde in der Schweiz die Dreizelgenwirtschaft betrieben. Dieser dreifeldrige Fruchtwechsel sah vor, im ersten Jahr Wintergetreide anzubauen, im 2. Jahr Sommergetreide und das Feld im 3. Jahr brach zu lassen. Erst um 1860 fing die Schweiz an, grössere Mengen von Getreide aus den Donauländern und aus Übersee zu importieren.
Forschung sorgte für Wandel
Die Geburtsstunde der landwirtschaftlichen Forschungsanstalten markierte der Ausbau der ETH in Zürich im Jahr 1878. Die Schweizerische Samenkontrollstation sowie die Schweizerische Agrikulturchemische Untersuchungsstation wurden in Betrieb genommen und wuchsen rasch. Das Land hatte sich zur Industriegesellschaft entwickelt, neue Technologien veränderten die landwirtschaftliche Produktion.
Lebensmittelrationen im 1. Weltkrieg
Als 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, war die Schweiz unvorbereitet. Mann und Ross für die Grenzwache mobilisiert, konnte die einheimische Ernte nicht wie gewohnt eingefahren werden. Zudem war die Lebensmittelproduktion im eigenen Land unzureichend, die Schweiz importierte zu diesem Zeitpunkt rund 85% des Getreidebedarfs.
Diese Knappheit während des Weltkriegs hatte zur Folge, dass die Prioritäten der Forschung mehr auf Ackerbau gelegt wurden, während Fragen des Futterbaus und der Tierhaltung in den Hintergrund traten. Ab 1917 wurden die Grundnahrungsmittel schrittweise durch Lebensmittelmarken rationiert, bis im letzten Kriegsjahr schliesslich praktisch alle Esswaren beschränkt waren.
Was bedeutet Selbstversorgung?
Selbstversorgung bedeutet eine autonome Lebensweise, bei der Produzent und Konsument identisch sind. Im Alltag spricht man von Selbstversorgung, wenn sich Menschen materielle Grundlagen des täglichen Lebens (Nahrung, Kleidung, Wohnung) zu einem grossen Teil selbst erschaffen und nicht nur auf das Marktangebot zurückgreifen. Das betrifft in erster Linie den Eigenanbau und die Herstellung sowie Konservierung von Lebensmitteln.
Einfuhrmonopol
Während im 1. Weltkrieg die Preise für landwirtschaftliche Güter stark angestiegen waren, fielen sie nach dem Krieg in sich zusammen. Kurz nach Kriegsende versuchte der Bundesrat den inländischen Getreideanbau durch ein Einfuhrmonopol, verbunden mit der Übernahme des Inlandgetreides zu einem Garantiepreis, zu stützen und vor den Schwankungen des Weltmarktes zu schützen.
Vor dem 2. Weltkrieg importierte die Schweiz rund die Hälfte ihrer Nahrungsmittel aus dem Ausland. Man hatte allerdings aus der Situation im 1. Weltkrieg gelernt und mit dem Ausbruch des 2. Weltkriegs stand die Anpassung und Vergrösserung der landwirtschaftlichen Produktion im Zentrum.
Plan Wahlen schützte vor Hunger
Der Landwirtschaftsspezialist und spätere Bundesrat Friedrich Wahlen präsentierte 1940 seinen Anbauplan der breiten Öffentlichkeit. Der «Plan Wahlen» sollte die Lebensmittelknappheit bei einem drohenden Embargo der Achsenmächte abwenden. Durch Erhöhung der Eigenproduktion, Reduzierung der Viehzucht unter gleichzeitiger Ausweitung des Ackerbaus und durch Rationierung sollte die Selbstversorgung in der Schweiz gesichert werden.
Die Selbstversorgungs-Anbaufläche sollte schrittweise von 180'000 auf 500‘000 Hektaren gesteigert werden. Von 1940 bis 1945 stieg denn der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Lebensmitteln von 52% auf 70%.
Vierfache Gemüseproduktion
Die Brotgetreideproduktion verdoppelte sich, die Kartoffelernte wurde verdreifacht und die Gemüseernte vervierfacht. Der «Plan Wahlen» bewahrte die Schweizer Bevölkerung und die rund 300‘000 Flüchtlinge vor Hunger, zudem hatte die Anbauschlacht auch eine psychologische Wirkung und galt als Symbol für den Widerstandswillen der Schweiz.
Das Verschwinden der Dorfläden
Brigitte Kunz lebt seit ihrer Geburt 1948 in einem 3000-Einwohner-Dorf im Kanton Aargau. Sie erinnert sich gut an die verschiedenen Dorfläden, die es in ihrer Kindheit gab. Metzgerei, zwei Bäckereien, eine Käserei sowie einen Tante-Emma-Laden.
«Später kam sogar ein Coop dazu, aber natürlich noch ohne Selbstbedienung», erzählt Kunz. Der Vater der neunköpfigen Familie war Industriearbeiter, die Mutter kümmerte sich um die Kinder und bestellte den Gemüsegarten. «Wir bauten Gemüse wie Kartoffeln, Bohnen, Karotten und Lauch an. Zudem hatten wir Obstbäume mit Kirschen, Zwetschgen und Äpfeln. Die Grundnahrungsmittel kauften wir in den Dorfläden ein», erinnert sich Kunz.
«Also Zucker, Mehl und Butter, damit Mutter backen konnte. Sie hat vieles selbst gemacht, so sparte sie Haushaltsgeld.» Fleisch kam selten auf den Tisch, und wenn, dann von den Kaninchen, die der Vater hinter dem Haus züchtete. Heute geht Brigitte Kunz gerne zum letzten Detailhändler im Dorf und schätzt die Bäckerei, die es noch immer gibt. Sie bedauert, dass alle anderen Läden verschwunden sind. «Ich nehme mir gerne Zeit beim Einkaufen und schaue mir neue Produkte an. Heute geniesse ich diesen kleinen Luxus.»
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