Vor 200 Jahren haben Waadtländer Weinbauern am Schwarzen Meer die Schweizer Kolonie Shabo gegründet und dort Reben kultiviert. Der Krieg in der Ukraine machte das grosse Feiern im Jubiläumsjahr unmöglich. Der Jahrestag wurde im Kanton Waadt ganz nüchtern mit einem Theaterstück begangen.
Der Journalist Olivier Grivat hat die Geschichte der Schweizer Siedler im ehemaligen Bessarabien in seinem Buch «Vignerons suisses de la mer Noire» (Schweizer Winzer am Schwarzen Meer) nachgezeichnet. Im Sommer 1822 brachen in Vevey VD 30 Personen zu einer 2500 Kilometer langen beschwerlichen Reise Richtung Osten zum Dnjestr-Delta im damaligen russischen Zarenreich auf, um der Armut in der Schweiz zu entkommen.
70 Kilometer südlich von Odessa
Heute liegt Shabo in der Ukraine, etwa 70 Kilometer südlich von Odessa. In zwei Jahrhunderten durchlebten die in der Blütezeit 900 Schweizer Siedler äusserst wechselhafte Zeiten. Sie litten unter Missernten, der Pest und Annexionen. Trotzdem spielten sie in Shabo eine Pionierrolle, entwickelten den Anbau von Weinreben und produzierten einen hochwertigen Wein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich Shabo bald zur blühendsten Weinbaukolonie am Schwarzen Meer.
1940 zählte die Siedlung rund 900 Einwohner, davon waren etwa 400 waadtländischer und 250 deutschschweizerischer Herkunft, der Rest Russlanddeutsche. Das Dorf war wohlhabend und soll beispielsweise über vier Kegelbahnen, ein Ortsmuseum und eine reich ausgestattete Bibliothek verfügt habe
Mi dem Einmarsch der roten Armee ging es mit der Schweizer Kolonie abrupt zu Ende . Viele der Nachkommen der Siedler flohen oder kamen in Lagern ums Leben. Heute sind nur noch wenige Spuren der Schweizer Pioniere zu finden, die Weinkultur jedoch blieb bestehen.
Siedler aus Chexbres und Rivaz
In der Schweiz wurde das zweihundertjährige Jubiläum mit einem Theaterstück begangen, das die Auswanderung der ersten Siedler anhand ihrer Reisetagebücher schildert. Gezeigt wurde das Stück in mehreren Gemeinden des Waadtlandes, aber auch im bulgarischen Varna. Seit 2019 gibt es in Chexbres zudem ein Denkmal für die ersten Siedler. Die Siedler, die einst auf holprigen Strassen loszogen, stammten aus Chexbres und Rivaz.
Heute ist das Weingut Shabo, das eine Fläche so gross wie das Waadtländer Weinbaugebiet Lavaux bedeckt, zwar modernisiert, aber immer noch von den damaligen Schweizer Methoden inspiriert. Auf dem Gelände befindet sich ein Kulturzentrum, das vor dem Krieg jährlich rund 50’000 Besucher anlockte und die Geschichte der Schweizer Siedler erzählt. Das Unternehmen verkauft seinen Wein in 20 Ländern, von Japan über Brasilien bis zur Schweiz.
Krieg macht Betrieb anspruchsvoll
Der Krieg in der Ukraine macht den Betrieb allerdings derzeit anspruchsvoll, wie Direktor Giorgi Iukuridze im September in einem Interview mit dem Branchenmagazin «Wine Business International» erklärte.
So sei es schwierig, Angestellte zu finden, viele Restaurants hätten schliessen müssen und der Weinmarkt sei um die Hälfte geschrumpft, da insbesondere Russland als wichtigster Exportmarkt weggefallen sei. Dazu kommen logistische Probleme durch die Zerstörung von Lagerhäusern, steigende Glaspreise sowie der Mangel von Material für die Produktion.