Das Berner Oberland war im Eidgenössischen Parlament immer mit markanten Persönlichkeiten vertreten. Erinnert sei hier nur an an den Viehzüchter Fritz Hari (im Nationalrat von 1979 bis 1995), an den Lehrer und Jodler Hanspeter Seiler (1987 bis 2003), an den Unternehmer Hansruedi Wandfluh (im Nationalrat von 1999 bis 2014) und an den Bergbauer Erich von Siebenthal, der im Jahr 2007 gewählt wurden und jetzt infolge der Amtszeitbeschränkung der Berner SVP nicht mehr antritt. Sie alle waren in der SVP. Für die christlich geprägte EDU sitzt seit vier Jahren der Simmentaler Bergbauer Andreas Gafner im Nationalrat. Er tritt wieder an. Die grosse Frage ist nun aber, wer von der SVP die Nachfolge von Erich von Siebenthal antritt. Ernst Wandfluh oder Thomas Knutti oder beide?
Bergbauer Ernst Wandfluh auf der einen Seite…
Für von Siebenthal ist klar, wer auf ihn folgen sollte, denn er empfiehlt ihn zur Wahl: Grossrat Ernst Wandfluh aus Kandergrund. Wandfluh ist Milchproduzent und geht im Sommer mit den Tieren auf die Alp im Ueschinental nahe Kandersteg. Wandfluh ist ein Kenner der Alpwirtschaft aus eigener Erfahrung und wurde so zum Präsidenten des Alpwirtschaftlichen Verbandes des Kantons Bern. Er könnte auch von Siebenthals Nachfolger im Präsidium des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands (SAV) werden. Wandfluh ist ausserdem Präsident der IG Öffentliche Märkte und stellvertretender Verwaltungsrat bei der Proviande, die über die Höhe der Rindfleischimporte entscheidet. Wandfluh ist in der Bauernvereinigung Frutigland aktiv, Vorstandsmitglied des Verbands Berner Waldbesitzer und Mitglied des Grossen Vorstandes des Berner Bauernverbandes, dort vor allem auch Präsident der Fachkommission Tierproduktion.
Wandfluh hat ausserdem in Inseraten und in Videos die Unterstützung von Alt-Bundesrat Adolf Ogi erhalten. Der Kandersteger macht sich stark für Wandfluh wie auch weitere Mitglieder des Oberländer Polit- und Verbands-Establishments: Alt-Nationalrat Hansruedi Wandfluh, Alt-Regierungsstatthalter und Alt-Mutterkuh-Schweiz-Präsident Christian Rubin, und auch Bundesrat Albert Rösti, ein gebürtiger Kandersteger, unterstützt Wandfluh.
Bergbauer Thomas Knutti auf der anderen Seite…
Wandfluhs Gegenspieler ist Thomas Knutti. Der sitzt seit 2010 im Grossen Rat, zu einer Zeit, als Ernst Wandfluh noch nicht einmal Mitglied der SVP war. Knutti führt einen landwirtschaftlichen Betrieb über 12 Hektaren. Einigen Vollerwerbsbauern im Berner Bauernverband scheint das zuwenig. Knutti war eine Weile selbstständiger Transportunternehmer, jetzt fährt er Lastwagen in der Unternehmung seines Bruders. Und Knutti schreibt auf seiner Website: «Im Jahr 2017 habe ich das Restaurant „Lochmatte-Träff“ im Dorf Därstetten übernommen. Ohne diesen Schritt hätte die Bevölkerung kein Restaurant mehr im Dorf.» Anders als Ernst Wandfluh, der «nur» Baukommissionsmitglied war, sass Knutti in einem Gemeinderat: Er war 10 Jahre lang Gemeinderat von Därstetten und weitere vier Jahre Gemeinderats- und Gemeindepräsident von Därstetten.
Knuttis Bekanntheit und Popularität im Berner Oberland hat massgeblich mit dem Kampf gegen den Wolf zu tun. Er gründete die Vereinigung zum Schutz von Wild und Nutztieren vor Grossraubtieren im Kanton Bern und sammelte mit seinen Mitstreitern über 20’000 Unterschriften für eine kantonale Anti-Wolf-Initiative. Dass ihn Ernst Wandfluh im Grossen Rat aufforderte, den vorgesehenen Initiativtext nicht zu lancieren, hielt ihn ebenso wenig davon ab wie der unverhohlene Aufruf des Berner Bauernverbandes, dass man die Anti-Wolf-Initiative doch bitte nicht unterschreiben solle. Knutti ist aber auch als Vizepräsident der IG Anbindestall und als Vizepräsident des Vereins für eine produzierende Landwirtschaft (VPL) engagiert.
Ueli Maurer greift in den Wahlkampf ein
Während die Unterstützung Adolf Ogis für Ernst Wandfluh schon lange bekannt war, lancierte Thomas Knutti vor einer Woche, in der heissesten Phase des Wahlkampfes, in Lokalzeitungen eine Welle von Inseraten, in denen Alt-Bundesrat Ueli Maurer ihn zur Wahl empfiehlt. Maurer ist bekanntlich an der SVP-Basis sehr populär, Maurer kennt auch das Oberland gut, als Bundesrat wohnte er zeitweise in Kandersteg, dessen Langlaufloipen er schätzte. Die Maurer-Inserate waren im Berner Oberland vielerorts ein Gesprächsthema. Am Sonntag wird sich nun zeigen, wer gewählt wird. Es könnte sein, dass beide gewählt werden und auch noch Gafner als Bisheriger auf der EDU-Liste, es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich die Oberländer Stimmen zu stark verteilen und keiner der beiden gewählt wird.