Adrian Aebischer ist Biologe und Regionalvertreter des Kantons Freiburg der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz. Er zeigt, welche Rolle die Landwirtschaft für Amphibien hat.
«Schweizer Bauer»:Wie sieht die Situation der Amphibien in der Schweiz aus?
Adrian Aebischer: In der Schweiz leben nördlich der Alpen 13 Amphibienarten, also Frösche, Kröten, Unken, Molche und Salamander. Dazu kommt die Gruppe der "Grünfrösche", die aus mehreren Formen bestehen, die sehr schwierig zu unterscheiden sind. Die Amphibien sind jene Tiergruppe mit dem höchsten Anteil an bedrohten Arten. Dies hängt damit zusammen, dass sie nicht sehr mobil sind, sowohl geeignete Land- wie geeignete Wasserlebensräume benötigen und eine Haut aufweisen, die für viele Substanzen durchlässig ist.
In wie fern ist die Landwirtschaft für Amphiben bedeutend?
Amphibien benötigen für die Fortpflanzung zwar Gewässer, junge Amphibien, die nach dem Larvenstadium an Land gelangen leben aber dann die ersten ein bis drei Jahre vorwiegend in Wäldern. Auch die meisten ausgewachsenen Tiere verbringen den Herbst, den Winter und einen Teil des Sommers vor allem in Wäldern. Um von den Gewässern in den Wald zu gelangen und umgekehrt, durchwandern Amphibien sehr oft Kulturland. Im Landwirtschaftsgebiet benötigen sie genügend Verstecke und genügend Futter. Zudem pflanzen sich viele Amphibien in Gewässern fort, die direkt am oder im Kulturland liegen. Das können Feuerwehrteiche, Gewässer am Waldrand oder auch zeitweise überschwemmte Wiesen sein. So gesehen, hat die Landwirtschaft für das Überleben vieler Populationen eine grosse Verantwortung.
Wie sieht ein typisches Amphibienjahr aus?
Je nach Art erwachen die Amphibien Ende Februar, im März oder auch erst Anfang April aus dem Winterschlaf. Danach suchen diese Tiere ein geeignetes Gewässer auf. Haben sie nicht schon unterwegs einen Partner oder eine Partnerin gefunden, suchen sie diese am Gewässer, Frösche und Kröten durch ihren Gesang, Molche durch Absondern von Substanzen, die Weibchen riechen können und durch ihren Paarungstanz unter Wasser. Dann legen die Weibchen ihre Eier. Manche Arten kehren schon wenige Tage später wieder zurück an Land und beendigen dort sozusagen ihren Winterschlaf. Viele Arten verweilen mehrere Wochen im und am Gewässer. Die Männchen suchen dabei nach (weiteren) Weibchen. Ist die Fortpflanzung für die Alttiere abgeschlossen, kehren sie zurück an Land, wo sie dann bis zur nächsten Laichzeit verweilen. Da Amphibien ihre Körpertemperatur nicht regulieren können, ziehen sie sich im Spätherbst in ein möglichst frostsicheres Versteck zurück, wo sie überwintern. Die meisten Amphibienarten sind vorwiegend nachtaktiv.
Was läuft aktuell bei den Amphibien?
In allen Kantonen sind Freiwillige und Professionelle bestrebt, die noch bestehenden Laichgewässer zu erhalten, neue geeignete Gewässer zu schaffen, aber auch nahrungsreiche und giftarme Landlebensräume zu fördern. An den meisten Gewässern ist ein regelmässiger Unterhalt notwendig. Zudem muss sichergestellt werden, dass manche der heute isolierten Populationen mit anderen Populationen vernetzt werden, damit die Gefahr eines Aussterbens von Populationen möglichst gering bleibt. Eine gute Vernetzung bedingt einerseits die Schaffung neuer Gewässer zwischen bestehenden Populationen, andererseits das Ermöglichen des Austauschs von Individuen entlang von Korridoren, in denen die Tiere möglichst wenig Gefahren ausgesetzt sind. Durch Erhebungen an Gewässern wird zudem regelmässig überprüft, wie es um unsere Amphibien steht, d.h. wie sie die Bestände entwickeln.

zvg
Im Jahr 2022 wird eine neue Rote Liste erscheinen, die aufzeigen wird, welchen Arten es relativ gut geht und bei welchen Arten wir alle unsere Schutzbemühungen noch verstärken müssen. Jetzt, gegen Ende Winter, laufen an vielen Strassen Rettungsaktionen mittels Amphibien-Schutzzäunen. Es geht dabei darum zu verhindern, dass Amphibien auf ihrem Weg vom Winterquartier zum Laichgewässer massenweise auf Strassen überfahren werden. Die Tiere gelangen an einen solchen Zaun, wandern einige Meter diesem Hindernis entlang und fallen schliesslich in einen der vielen Eimer, die bodeneben vergraben wurden. Freiwillige leeren dann frühmorgens, oft schon einmal am späten Abend diese Eimer und tragen die Tiere sicher über die Strasse.
Bei den Amphibienwanderungen werden Schutzzäune aufgestellt, wie funktioniert hier die Zusammenarbeit mit Landwirten?
Manche dieser Schutzzäune befinden sich in Wäldern, sehr viele aber in Strassennähe auf Wiesen oder Weiden oder auch auf Grünstreifen zwischen Strasse und Acker. Die Zäune werden meist von Ende Februar bis etwa Anfang April, lokal etwas länger, stehen gelassen. Vorgängig wird bei den Landbesitzern das Einverständnis dafür eingeholt. Selbstverständlich sollen diese wieder entfernt werden, bevor der Ort beweidet oder gemäht wird. Glücklicherweise ist der Hauptteil der Wanderung abgeschlossen, bevor das Gras richtig wächst und bevor der Bauer das Vieh auf die Weide lässt. In weitaus den meisten Fällen führen solche Schutzaktionen zu keinen Problemen und die Landwirte sind mit dem Aufstellen der Schutzzäune auf ihrem Land einverstanden.
Ist es sinnvoll Amphibien auf dem Landwirtschaftsbetrieb zu schützen und zu fördern und wie kann man das tun?
Ja. Amphibien sind auf eine tierfreundliche Landwirtschaft angewiesen und im Kulturland bestehen verschiedene Möglichkeiten, Amphibien zu fördern. Z.B. sind sehr viele Biodiversitätsförderflächen für Amphibien nützlich: extensiv genutzte Wiesen, Altgrasstreifen, Hochstaudensäume an Fliessgewässern, Brachen, Kleinstrukturen mit angehäuften Ästen und Steinen, Gebüschgruppen, Streueflächen. Insbesondere periodisch austrocknende Tümpel und überschwemmte Wiesen werden als Laichplätze angenommen. Idealerweise sollte Wasser von April bis September vorhanden sein, mindestens aber während 3 Monaten. Gewässer, die nur 3-4 Wochen lang Wasser enthalten sind dagegen eine Falle, da die Amphibien dort zwar auch Eier ablegen, die kurze Zeit reicht aber für die Larvenentwicklung nicht aus. Selbstverständlich soll ein Landwirt, der Amphibien (und andere Tiere) so gezielt fördert, dafür auch finanziell entschädigt werden. Dies ist bei Biodiversitätsförderflächen zum Glück der Fall.
Bergen Amphibien eine Gefahr für Nutztiere? Übertragung Krankheiten ect?
Die Gefahr der Krankheitsübertragung durch Amphibien auf Nutztiere ist äusserst gering. Mir ist auch kein Fall bekannt. Die wenigen bekannten Amphibien-Krankheiten, die bei einheimischen Arten auftauchen können, übertragen sich nur äusserst selten auf Säugetiere oder Vögel. Huftiere fressen keine Amphibien und wenn ein Huhn einmal einen Jungfrosch frisst, ist dies für das Huhn völlig gefahrenfrei. Wenn hingegen ein Hund einmal eine Kröte beisst, wird ihm dies in der Schnauze unangenehm sein, da die Schleimhäute gereizt werden. Er wird in Zukunft keine Kröten mehr beissen, aber er wird am Gift, das die Kröten in ihrer Haut tragen, weder sterben noch erkranken.
Beenden Sie die Sätze…
Amphibien sind… eine gefährdete Tiergruppe, die auf unsere Schutzbemühungen angewiesen sind.
Landwirtschaft ist… ein Wirtschaftsbereich, der aufgrund der grossen genutzten Fläche für Wildtiere und -pflanzen eine hohe Verantwortung trägt.



