Die Anden sind in den letzten 10 Millionen Jahren asymmetrisch gewachsen: Wie ein Geologe der Universität Bern herausfand, verformte sich die Erdkruste vor allem auf der Ostseite des Gebirges - dort, wo am meisten Regen fällt.
Die Verteilung des Niederschlags in den Zentral-Anden ist völlig ungleich verteilt, wie die Uni Bern am Mittwoch mitteilte. In der Yungas-Region in Bolivien etwa fällt auf der Ostflanke des Gebirges bis zu 3000 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr. Auf der Westseite dagegen liegt die knochentrockene Atacama-Wüste.
Diese enorme Differenz führt zu einem ungleichen Wachstum der Bergkette, wie der Berner Geologe Fritz Schlunegger gemeinsam mit einem Kollegen aus Neuseeland im Fachblatt «Nature Communications» berichtet. Der Grund dafür liegt im Unterschied der Erosionsraten, die massgeblich durch den Regen beeinflusst werden.
Vom Niederschlag geprägt
Auf der Ostseite der Anden, wo viel Regen fällt, wird jedes Jahr ein Millimeter Gestein und Fels abgetragen. Auf der trockenen Westseite hingegen ist es hundert Mal weniger, nicht einmal 0,01 Millimeter pro Jahr. Sie beiden Forscher untersuchten nun die Konsequenzen dieser Ost-West-Differenz für die Entwicklung der Anden.
Sie erstellten dazu Längsprofile von Flüssen an beiden Flanken des Gebirges und Modellierungen der Entstehungsmechanismen der Anden. Daraus schliessen die Forscher, dass es auf der regenreichen Ostseite noch heute starke tektonische Hebungen gibt. Im Westen dagegen sind die tektonischen Veränderungen seit etwa 10 bis 7 Millionen Jahren abgeschlossen.
Zu dick für Deformationen
Die Gebirgskette entwickelte sich in den letzten paar Millionen Jahren also vor allem im Osten. Und zwar weil die Westflanke wegen der ausbleibenden Erosion gar keine tektonische Deformation mehr zulässt, wie Schlunegger sagt. «Das Gebirge auf der Westseite ist aufgrund der abnehmenden Erosion zu dick geworden, um weiter durch die Tektonik bewegt zu werden.»
Auf der Ostseite verhindere dagegen die fortdauernde hohe Abtragung eine zu grosse Verdickung des Gebirges. Dadurch kann der Gebirgskörper unter dem tektonischen Druck von unten weiter verformt werden. Die Anden wachsen also asymmetrisch, gegen Osten - und das werde sich wohl auch in den nächsten Millionen Jahren nicht ändern, sagte Schlunegger.