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Angst um Versorgung und Preise

 

Die weltweiten Getreidemärkte spielen in Reaktion auf den Überfall Putins auf die Ukraine verrückt. Die Welt hat Angst vor Versorgungsengpässen bei Agrarrohstoffen und einer Lebensmittelpreis-Inflation. 

 

Die Notierungen an den Warenterminbörsen, vor allem von Weizen und in Europa auch Mais, explodieren auf ständig neue Höchstwerte. Denn die EU ist als Nettoimporteur von Mais und Ölsaaten insbesondere von der Unterbrechung dieser Warenströme betroffen.

 

Die Lieferungen der beiden Agrargiganten Russland und Ukraine fehlen dem Weltmarkt - als Folge der Kampfhandlungen in der Ukraine zum einen und der Sanktionen, die den Aggressor Russland vom internationalen Zahlungsverkehr und Handel abschneiden, zum anderen. Beide Länder zusammen stehen für 29% des Welthandelsvolumens an Weizen, 20% von Mais und 79% von Sonnenblumenöl.

 

Auch die Ausfuhr des Düngerrohstoffs Kali ist betroffen. Zudem gehen die Preise von Rohöl und Erdgas, wichtige Rohstoffe für die Treibstoff- und Düngerversorgung der Landwirtschaft weltweit, durch die Decke. In Österreich bremste der Sprung an den Terminmärkten den Kassamarkt erst einmal oder brachte ihn gänzlich zum Stillstand.

 

Ausschau nach anderen Liferanten

 

Besonders zu spüren bekommen die Kriegsfolgen die grossen Weizenimporteure, allen voran Ägypten sowie Nordafrika, Naher Osten, Südost- und Ostasien. Alleine Ägypten muss zur Ernährung seiner 100 Mio. Menschen zählenden Bevölkerung jährlich rund 10 bis 11 Mio. t Weizen importieren. Zu 90% hat es sich dabei in den letzten Jahren von Russland und der Ukraine abhängig gemacht.

 

Die staatliche Getreideagentur GASC hat in den letzten Tagen zwei Ausschreibungen für Weizenkäufe am Weltmarkt wieder storniert, nachdem zu wenige oder nur zu teure Angebote eingelangt sind. Die Lebensmittelpreise im Land am Nil schnellen in die Höhe.

 

Ägypten wie auch andere Weizen-Zuschussländer müssen sich nun um andere Lieferanten umsehen. Ebenso setzt Algerien nach einem diplomatischen Zwist Frankreich wieder auf die Liste seiner Lieferländer, nachdem sich der ehedem grösste Weizenkunde der Grande Nation in der Zwischenzeit Russland zugewandt hat.

 

Nachfrage verlagert sich nach Schwarzmeerausfall auf wenige andere Anbieter

 

Der Kreis der Exporteure am Weltmarkt ist überschaubar: Das Oktett aus Argentinien (14,5 Mio. t), Australien (24,0 Mio. t), EU (34,7 Mio. t), Kanada (15,6 Mio. t), Kasachstan (7,2 Mio. t), Russland (33,5 Mio. t), Ukraine (24,5 Mio. t) und USA (22,5 Mio. t) bestreitet laut Internationalem Getreiderat IGC den Löwenanteil von 90% der weltweit 2021/22 erwarteten 195,6 Mio. t Weizenausfuhren.

 

Die Endlager der grossen Acht sollen aber im laufenden Wirtschaftsjahr auf 57,3 Mio. t, den niedrigsten Stand seit neun Jahren, abfallen. Das ist gut ein Fünftel der gesamten Getreidereserven der Welt. Mit ihren Reserven könnten die grossen Acht der Exporteure den globalen Getreidebedarf von 781,0 Mio. t gerade einmal knapp 27 Tage lang decken, fallen Russland und die Ukraine für die Versorgung weg, sogar nur 20 Tage.

 

Auf dem Rest der Weizenreserven dieser Welt sitzen Länder, die diese Mengen nicht dem Weltmarkt zur Verfügung stellen - wie China mit 47% Weltlager-Anteil, ausreichend für 336 Tage seines Verbrauchs.

Die Verlagerung der Nachfrage am Weltmarkt von den beiden Lieferanten Russland und Ukraine auf wenige andere Anbieter, deren Lagerstände aber ungewöhnlich niedrig sind, ist eines der Antriebsmomente für die Explosion der Kurse an den Warenterminbörsen in den USA und in der EU, obwohl diese Regionen - mit Ausnahme der EU bei Mais und Ölsaaten sowie den damit gekoppelten Pflanzenölen und Eiweissfuttermitteln - gar nicht von den beiden Kriegsparteien abhängig sind.

 

Nervosität herrscht in der EU - insbesondere von Italien bis zur Iberischen Halbinsel mit der von importiertem Futter abhängigen ausgeprägten Schweinemast - hingegen wegen der Versorgung mit Mais und Eiweissschroten. Der Lebensmittelindustrie fehlen zudem Pflanzenöle.

 

Warenterminbörsen eilen von einem Hoch zum anderen

 

So verging diese Woche kaum ein Tag, an dem nicht vor allem die Weizenkurse an der CBoT in Chicago in das ohnehin schon erhöhte Limit-up (der höchstmögliche Tagesgewinn) auf neue 14-Jahre- oder Allzeit-Hochs stießen. Im Wochenabstand vom vorigen Freitag bis Donnerstag stand für den Schlusskurs von Soft Red Winter in Chicago zur Lieferung im März ein Plus von 25,6% zu Buche und zum Jahresanfang eines von 39,6%. An der Euronext in Paris kletterte der Schlusskurs des März-Weizenfutures im Wochenabstand um 31,6% und seit Jahresbeginn um 39,3%.

 

Der März-Maiskontrakt an der Euronext stieg um 31,0% im Wochenabstand und schnellte seit Jahresbeginn gar um 55,6 % in die Höhe, während es in Chicago moderatere 12,1% über die Woche und 25,4% im laufenden Jahr waren. Raps in Paris kletterte seit Jahresbeginn in einem wilden Auf und Ab und im Wochenabstand um jeweils gut 11%. Auch wegen der Dürre in Südamerika verteuerten sich Sojabohnen in Chicago seit Anfang Jänner rum 24,5%, zur Vorwoche aber nur um 5,5%.

Am Freitag ging es an der CBoT mit einem neuen Weizen-Allzeit-Hoch und auch an der Euronext weiter bergauf: Der bald auslaufende Pariser Märzweizenkontrakt schnellte bis Freitagmittag weiter um 29,00 Euro auf 410,75 Euro/t, der am meisten gehandelte Mai-Termin um 26,00 Euro auf 392,25 Euro/t und der für die neue Ernte maßgebliche Dezember um 14,50 Euro auf 315,00 Euro/t in die Höhe. Dabei überstieg der Mais zur Lieferung im März sogar den Weizen mit einem Plus von 36,00 Euro und 415,00 Euro/t, der folgende und am stärksten gehandelte Juni-Termin legte um 33,25 Euro auf 360,75 Euro/t zu und neue Ernte mit Fälligkeit November um 11,75 Euro/t auf 281,00 Euro/t. Raps zum Mai-Termin stieg da um 9,50 Euro auf 819,25 Euro/t und der aus neuer Ernte zur August-Lieferung verlor sogar 3,75 Euro auf 700,50 Euro/t.

 

Preiserhöhungen lösen staatliche Markteingriffe aus

 

Die Kriegshandlungen in der Ukraine bescheren nicht nur dem Rest der Welt, vor allem den importabhängigen Regionen, sondern auch Russland und der Ukraine stark steigende Lebensmittelpreise. Bemühungen, dieser Lebensmittelinflation mit staatlichen Markteingriffen zu begegnen, könnten die Preisspirale nur noch schneller in Gang setzen.

 

So kündigte die Regierung des wichtigen südamerikanischen Exporteurs Argentinien an, zu versuchen, die galoppierenden Getreide- und Lebensmittelpreise im Inland mit entsprechenden Massnahmen - höchstwahrscheinlich Exportbeschränkungen - einzudämmen. Ähnlich sollen auch europäische Länder - selbst EU-Mitglieder - handeln. Wie es in Händlerkreisen und Agenturmeldungen heisst, hätten etwa Moldawien, Bulgarien und Rumänien begonnen, durch Verzögerungen oder die Einstellung von Verzollungsformalitäten zu be- oder verhindern.

 

Da Handelspolitik und freier Warenverkehr Gemeinschaftsangelegenheiten sind, bleibt abzuwarten, wie die Europäisc he Kommission den freien Güterverkehr aus den beiden östlichen Mitgliedstaaten sicherstellen will.

 

Komplexe und unabsehbare Kriegsfolgen

 

Die Folgen des Krieges Russlands gegen die Ukraine stellen sich komplex und noch nicht absehbar dar: Zum unmittelbaren Ausfall der Exporte beider Länder stellt sich die Frage, wie lange die Kämpfe andauern werden und wie rasch oder nicht die Schwarzmeer-Region wieder ins das Marktgeschehen einsteigen kann - sei es nach Behebung von Schäden, der Räumung der Häfen von Minen oder der Wiedererlangung eines Marktzuganges durch Lockerung von Sanktionen.

Völlig offen sind die Auswirkungen auf die kommende Ernte 2022 und die der folgenden Jahre im Kriegsgebiet: Stehen ausreichend Betriebsmittel und Arbeitskräfte zur Verfügung? Die EU etwa überlegt die Aktivierung von Brachflächen etwa für den Anbau von Körnerleguminosen oder Sojabohnen.

 

Krieg bremst heimischen Kassamarkt vorerst

 

Der Aggressionskrieg Russlands und die Verwerfungen auf den Agrarmärkten bremsten vorerst den österreichischen Kassamarkt, wenn sie ihn nicht sogar stoppten. Die heimischen Kassamarktnotierungen weisen mittlerweile anstatt eines Bonus einen negativen Abstand zu den Terminmarktkursen an der Euronext auf.

 

Wurde zuvor etwa Brotweizen noch auf halbwegs unverändertem Preisniveau - wie es auch den dieswöchigen Notierungen der Wiener Produktenbörse noch entspricht - zumindest noch auf Sparflamme gehandelt, stoppte der folgende explosionsartige Anstieg der internationalen Notierungen die Abschlusstätigkeit. Die von Verarbeitern gebotenen Geldkurse hätten weder mit dem Höhenflug der Terminkurse noch mit dem der Briefkurse mithalten können - auch weil sie höhere Rohstoffpreise nicht im selben Tempo in der Wertschöpfungskette weitergeben könnten. Brotroggen notierte mit einem deutlichen Preiszuwachs gegenüber zuletzt und mit ebensolchem Abstand zu Importen.

Ähnliches wird vom Maismarkt berichtet. Nach kleineren Abschlüssen zu erhöhten und diese Woche notierten Preisen sei die nachfolgende Preishausse nicht mehr nachvollziehbar gewesen. Völlig zum Erliegen gekommen sei mit dem Kriegsausbruch der Ölsaatenhandel, der schon zuvor von praktisch ausverkauftem Angebot geprägt gewesen war. Die regionalen Verarbeiter setzten auch sämtliche Quotierungen aus. An der Wiener Produktenbörse zogen Sojaschrote neuerlich an.

Kommentare (3)

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  • Pierre Bodenmüller | 15.03.2022
    Bravo genau so sehe ich das auch.
  • Julian Künzle | 06.03.2022
    Die Teuerung bei Agrargütern und vorallem Düngemitteln, sind eine klare Folge der Saktionen Russland gegen den Westen. Man kann doch kaum so naiv sein und glauben, die russische Regierung würde tatenlos zuschauen.
    Weitere Sanktionen werden uns ebenfalls treffen, wie der Exportstopp von Erzen und möglichweise auch Uranbrennstäben nach Europa.
    Ein Paradebeispiel wie man es nicht machen sollte, hat unsere Politik gerade an den Tag gelegt.
    Russland ist uns geographisch gesehen näher als die USA. ;)
  • Gertsch Peter | 06.03.2022
    Also ist es soweit;
    Ein ausgeflippter Machthaber und schon geht das Gejammer um Lebensmittel los die landwirtschaftlichen Gegner die alles zurückdrehen wollen sollten sich jetzt auch Gedanken über Änderungen machen aber bitte nicht in Abrüstung weil der andere müsste dann zuerst anfangen

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