Auf Geheiss zweier Bundesräte wird eine nationale Antibiotikastrategie erarbeitet. Das Bundesamt für Veterinärwesen ist daran beteiligt. Es diskutiert jetzt schon konkrete Massnahmen im Tierbereich.
Bakterien werden zunehmend resistent gegen Antibiotika. Das ist nicht nur in den Spitälern, sondern auch in den Ställen ein Problem. Anfang Woche beauftragten die Bundesräte Alain Berset und Johann Schneider-Ammann deshalb das Bundesamt für Gesundheit (BAG), zusammen mit den Bundesämtern für Veterinärwesen (BVet) und Landwirtschaft (BLW) bis 2015 eine nationale Strategie zu erarbeiten. Auf deren Grundlage werden dereinst konkrete Massnahmen geplant.
Erfolgskontrolle fehlt
Die drei Ämter erarbeiten zusammen die Strategie. Das BVet ist zuständig für das Teilprojekt Tier und ist in diesem Bereich schon selber aktiv geworden im Kampf gegen die Antibiotikaresistenzen. «Die gemeinsame Strategie ist wichtig, weil man die Resistenzproblematik nur übergreifend lösen kann. Wir möchten dennoch nicht bis 2015 mit der Umsetzung wichtiger Massnahmen warten», betont Dagmar Heim vom BVet, «deshalb haben wir bereits erste Handlungsfelder definiert, die nun diskutiert werden.»
In erster Linie möchte das BVet endlich eine längst fällige Antibiotikaverbrauchsdatenbank aufbauen. «Heute gibt es nur eine Vertriebsstatistik», so Heim, «wir wissen nicht, bei welchen Tierarten und gegen welche Keime welche und wie viele Antibiotika eingesetzt werden.» Genau das sei aber Grundlage für Verbesserungen und eine Erfolgskontrolle. Ein Beispiel: Man vermutet, dass dank der EP/APP-Sanierung bei den Schweinen und der BVD-Sanierung bei den Rindern der Antibiotikaverbrauch gesenkt werden konnte. Beweise hat man aber keine.
Gelbe und Rote Karten
Für Heim brächte eine Datenbank noch einen weiteren Nutzen: «Man könnte z.B. Vielverbraucher identifizieren, also Betriebe mit deutlich überdurchschnittlichem Antibiotikaverbrauch. » Solche könnten, wie im Fussball, zuerst eine Gelbe und dann eine Rote Karte bekommen. Dieses System wird in anderen Ländern bereits erfolgreich angewendet. Die genaue Ausgestaltung in der Schweiz muss diskutiert werden. Heim vermutet: «Einer Gelben Karte könnte ein Tierarztbesuch oder eine amtliche Kontrolle folgen. Bei einer Roten Karte könnte man sich Massnahmen wie eine Bestandessanierung, eine befristete Verabreichung der Antibiotika oder eine Verabreichung nur noch durch den Tierarzt vorstellen.»
Gemäss Heim ist das elektronische Rezeptformular – die Voraussetzung, damit die Verbrauchsdaten in eine Datenbank aufgenommen werden können – fast fertig programmiert. Gegenwärtig ist nur für orale Gruppentherapien das amtliche Rezeptformular vorgeschrieben. Geht es nach dem BVet, könnte die Verpflichtung, das amtliche Rezeptfomular auszufüllen, aber laufend ausgedehnt werden. «Elektronische Rezepte haben auch Vorteile», betont Heim, «sie sind besser lesbar, und man kann die Dosierung nicht zu hoch oder zu tief eintragen.»
Schulfach Antibiotika
Auch für die Bauern sind Massnahmen in Diskussion. So sollen sie auf dem Gebiet der Tierarzneimittel besser ausgebildet werden, beispielsweise an den Landwirtschaftsschulen.
Zudem sollen sie neue Erkenntnisse aus der Forschung besser umsetzen können. Es gibt etwa eine Studie, in der Risikofaktoren für erhöhten Antibiotikaverbrauch in Schweinebetrieben erarbeitet wurden. Darauf basierend könnten Massnahmen – etwa in Form einer Broschüre – aufgezeigt werden.
Leitfaden gilt für alle
Bei den Tierärzten sieht Heim ebenfalls Handlungsbedarf: «Es gibt heute schon einen Leitfaden zum sinnvollen Umgang mit Antibiotika. Ob dieser eingehalten wird, wissen wir nicht. Da stellt sich die Frage, ob er nicht für obligatorisch erklärt werden sollte.» Ergänzt werden könnte der Leitfaden mit konkreten Behandlungsrichtlinien. Bei Kälberdurchfall könnte z.B in einer Prioritätenliste festgelegt werden, welches Antibiotikum zuerst eingesetzt werden muss und welches erst an zweiter oder dritter Stelle. «So könnte man vermeiden, dass Antibiotika mit kritischer Resistenzlage oder solche aus dem Humanbereich zu früh angewendet werden.»
Epidemiegesetz
Rechtliche Grundlage der nationalen Strategie ist unter anderem das revidierte Epidemiengesetz. Dagegen wurde allerdings das Referendum ergriffen. Die Volksabstimmung findet am 22. September statt.