
SBV-Präsident Markus Ritter führte durch die Versammlung.
Daniel Salzmann
«Mein persönlicher Blutdruck schnellt bei einem weiteren Trigger in die Höhe.» Mit diesen Worten stieg Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV), am Donnerstag in seine Eröffnungsrede zur 93. SBV-Delegiertenversammlung (DV) im Kursaal in Bern ein. Der erwähnte «Trigger»: die Produzentenpreise.
«Ein Pfünderli Brot für 99 Rappen – wer soll daran noch etwas verdienen?», fragte er und ergänzte: «Das ist wie ein Elektrovelo für 150 Franken auf Temu, das kostenlos aus China geliefert wird. Da sind himmeltraurige Arbeitsbedingungen sowie keinerlei Umwelt- oder Klimaschutz inklusive.» Gerade Brot werde sehr häufig weggeworfen, so Ritter weiter.
Je billiger ein Produkt sei, desto weniger werde es geschätzt. Die «unnötige Wertvernichtung durch Dumpingpreise bei verschiedenen Lebensmitteln» sei eine von zwei grossen Wolken am Horizont, die der SBV derzeit ausmache.
Damoklesschwert Entlastungspaket
Die zweite dunkle Wolke ist für den SBV das Entlastungspaket 2027 – das Hauptthema der diesjährigen DV. Der Bund will damit seine Finanzen stabilisieren und sieht im Bereich Landwirtschaft Massnahmen im Umfang von 259 Millionen Franken vor. Laut Berechnungen des SBV würde die Landwirtschaft damit fast 9 Prozent zum Sparpaket beitragen, obwohl ihr Anteil an den Bundesausgaben nur 4,3 Prozent beträgt. «Das ist unfair.
Die Ausgaben in der Landwirtschaft sind seit 2000 nominal stabil und real sogar um 15 Prozent gesunken», betonte Michel Darbellay, stellvertretender SBV-Direktor. Würden alle Bereiche so wirtschaften wie die Landwirtschaft, hätte der Bund in den letzten 14 Jahren – seit Ritter im Parlament sitzt – über 30 Milliarden Franken Überschuss erzielt.
SBV-Direktor Martin Rufer sprach von einem deutlichen Signal Richtung Bundeshaus, das man mit einer Resolution zum Entlastungsprogramm 2027 noch vor Beginn der Wintersession senden wolle. Am 17. Dezember steht das Paket im Ständerat auf der Traktandenliste. Rufer warnte vor weitreichenden Folgen für den Agrarsektor, die weit über direkte finanzielle Einbussen hinausgingen. Die durchschnittlichen Stundenlöhne in der Landwirtschaft lägen bei lediglich 17 Franken – viel zu wenig, um eine nachhaltige, einheimische Produktion zu sichern.
Die DV stimmte der Resolution mit folgenden Kernpunkten zu:
Der Beitrag der Landwirtschaft zu stabilen Bundesfinanzen bei gleichbleibenden Ausgaben seit 2000 und steigenden Anforderungen ist anzuerkennen. Die prekäre Einkommenssituation der Bauernfamilien ist zu berücksichtigen. Die Resolution fordert klar: «Die im Bereich Landwirtschaft und Ernährung vorgesehenen Massnahmen im Entlastungsprogramm 2027 sind vollständig zu streichen.»
Neue Vorstandsmitglieder und Rochaden in der Laka
Die 392 stimmberechtigten Delegierten genehmigten eine Statutenanpassung, welche die maximale Zahl der Vorstandssitze von 25 auf 27 erhöht, und wählten drei neue Mitglieder:
- Cédric Blaser folgt als Vertreter von Prométerre auf Claude Baehler.
- Hanspeter Renggli übernimmt den Sitz der Junglandwirte von Ursin Gustin
- Ruedi Thomann, Präsident des St. Galler Bauernverbands, besetzt einen der neu geschaffenen Sitze.
In der Landwirtschaftskammer (Laka) kam es zu insgesamt acht Rochaden:
- Beim Berner Bauernverband ersetzt Martin Kohli (Perrefitte) Olivier Carnal (Moutier), und Martin Schlup (Schüpfen) folgt auf Bernhard Fuchs (Brienz)
- Vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband rückt Brigitte Haas Wigger (Marbach) für Hella Schnider (Flühli) nach.
- Bei Prométerre übernimmt Cédric Blaser (Vufflens-Château) den Sitz von Claude Baehler (Chamby).
- Vom St. Galler Bauernverband kommt Fredi Louis (Ennetbühl) für Peter Nüesch (Widnau), und Hansruedi Thoma (Müselbach) ersetzt Mathias Rüesch (St. Margrethen).
- Vom Schaffhauser Bauernverband übernimmt Christian Müller (Thayngen) den Sitz von Christoph Graf (Ramsen)
- Beim Solothurner Bauernverband folgt Christoph Haefely (Hägendorf) auf Karin Lindenberger (Meltingen).
- Vom Verband Thurgauer Landwirtschaft rückt Peter Hinder (Braunau) für Jürg Fatzer (Weinfelden) nach.
- Bei den Junglandwirten übernimmt Hanspeter Renggli (Ruswil LU) den Platz von Ursin Gustin (Donat GR).
Im Rahmen der üblichen Geschäfte verabschiedeten die Delegierten die Flächenbeiträge 2026, die Produzentenbeiträge 2026–29, den Jahresbericht 2024 und das Tätigkeitsprogramm 2026.
«Mit Folgen sogar für unsere Enkelkinder»
Zum Abschluss zeigte sich Markus Ritter kämpferisch: «Unsere Betriebe – unsere Familien – arbeiten jeden Tag hart. Sie produzieren hochwertige Lebensmittel, pflegen die Landschaft, sorgen für Tierwohl. Sie verdienen Respekt, geeignete politische Rahmenbedingungen und kostendeckende Erlöse. Für dieses Gleichgewicht setzen wir uns als Bauernverband und ich mich als Präsident tagtäglich ein.»
Er betonte zudem die Bedeutung der eidgenössischen Wahlen 2027. Das neu zusammengesetzte Parlament werde die Agrarpolitik ab 2030+ gestalten – mit weitreichenden Auswirkungen: «Für uns, unsere Kinder, vielleicht sogar unsere Enkelkinder.»
Nicht zur Sprache kamen an der DV das Meldesystem Digiflux und die Lenkungsabgaben auf Kraftfutter, Mineraldünger und Herbiziden die Rede, welche das Bundesamt für Landwirtschaft mit der AP 2030 plant. Vielleicht hat sich der SBV mit beiden Reformpunkten inzwischen arrangiert, auch wenn weite Teile der Basis das keine gute Idee finden.
Unentschiedene Stellungnahme zum EU-Vertragspaket
Auch vom Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU war nicht die Rede. Hier will der SBV zurzeit weder Ja noch Nein sagen, sondern hat eine unentschiedene Stellungnahme publiziert. Er macht Druck für Verbesserungen im Parlament, z. B. für eine höhere Verkäsungszulage. Doch nach der Behandlung durchs Parlament wird er Ja, Nein oder Stimmfreigabe beschliessen müssen.
Beim EWR-Vertrag im Jahr 1992, dass sich die Delegiertenversammlung nach einem flammenden Votum von Alt-Nationalrat Heinz Schwab (SVP, BE) für die Nein-Parole ausgesprochen hatte, während weite Teile des Vorstandes und der Agrar-Elite dafür votiert hatten. Wenn es dann um die Parole geht, wird sich vermutlich SVP-Präsident Marcel Dettling zu Wort melden. Auch er nahm an der Versammlung teil.

Auch Marcel Dettling, SVP-Präsident und Präsident des Kälbermästerverbands, nahm an der DV teil.
Daniel Salzmann










