Bei der Biestmilch sind viele Faustregeln widerlegt

Dickes, gelbes Kolostrum hat nicht mehr Immunglobuline als weisses. Und es reicht nicht, wenn es in den ersten 24 Stunden vertränkt wird.

Susanne Meier |

«Viel, so früh wie möglich und gute Qualität», rät Thomas Brand vom deutschen Fütterungsunternehmen Schaumann auf die Frage, was bei der Kolostrumversorgung des Kalbes gilt. «Je stärker das passive Immunsystem in den ersten Tagen dank dem Kolostrum wird, desto stärker bildet sich das aktive Immunsystem aus.» Das fördere langfristig Gesundheit und Vitalität.

Sofort melken

Die Swissgenetics-Tierärztinnen der Beratungsplattform «Die fruchtbare Kuh» betonen diesbezüglich, dass die Qualität der Biestmilch umso besser ist, je schneller die Kuh nach dem Kalben gemolken wird. Insbesondere der Gehalt an Immunglobulinen (IgG) sinkt danach sehr schnell. Das Einsetzen der Milchproduktion verdünnt die Biestmilch stündlich.

14 Stunden nach dem Kalben ist der Gehalt an IgG bereits um ein Drittel gefallen. Und auch beim Tränken eilt es. Die alte Annahme, dass es reicht, wenn das Kalb die Biestmilch in den ersten 24 Stunden trinkt, sei ebenso falsch: «Der Kälberdarm kann je länger, desto weniger IgG aufnehmen – die Darmschranke für die grossen IgG-Moleküle schliesst sich zunehmend und lässt sie bereits nach einem Tag gar nicht mehr hindurchtreten.» 

Farbe ist kein Indiz

Die Swissgenetics-Tierärzte räumen noch mit einem weiteren Vorurteil auf: «Neue Untersuchungen zeigen, dass es für den IgG-Gehalt der Biestmilch keine Rolle spielt, ob man die Kuh vor dem Kalben trockenstellt oder durchmelkt.» Und, widerlegen sie das Gerücht, dass gutes Kolostrum honigfarben ist: «Die Farbe der Biestmilch sagt nichts über ihren IgG-Gehalt. Je gelber die Milch ist, umso höher sind aber die Inhaltsstoffe und der Energiegehalt.»

Hingegen stimme, dass das Kalb umso breiter geschützt sei, je mehr Kontakt zu den betriebseigenen Keimen die Kuh gehabt habe, von der die Biestmilch stamme. «Kühe, die schon lange im Bestand sind, haben daher eine passendere Biestmilch. Hochtragend zugekaufte Tiere sollten sich mindestens drei Wochen lang mit der Keimflora dort auseinandersetzen können, bevor sie kalben. Aber: «Das bedeutet nicht automatisch, dass alte Kühe die bessere Biestmilchqualität produzieren. Es gibt auch alte Kühe, die nur wenig IgG in der Milch haben.»

Acht Tage weitermachen

Wenn das Kalb seine qualitativ hochwertige Biestmilch in den ersten Lebensstunden bekommen hat, heisst das laut dem deutschen Magazin «Der Hoftierarzt» aber nicht, dass die Sache erledigt ist. Die folgenden Gemelke bis zur Ablieferung der Milch – in der Schweiz nach frühestens acht Tagen – sind ebenso wichtig: «Die im Kolostrum enthaltenen weissen Blutzellen wirken lokal auf die Entwicklung der Immunität im Darm, doch im Blut wird die Bereitstellung von Abwehrzellen nach der Kolostrumaufnahme durch die Transitmilch weiter beschleunigt.»

200 g Immunglobuline

Um die Versorgung aller Kälber des Betriebs zu optimieren, kann man gutes Kolostrum einfrieren. Die Qualität kann etwa mit einem Refraktometer mit Brix-Skala gemessen werden. «Der Grenzwert für eine gute Kolostrumqualität liegt bei 21 bis 22 Prozent Brix, entsprechend etwa 50 g IgG/l», so Berater des deutschen Fütterungsunternehmens Sano. «Topkolostrum mit über 30 Prozent Brix enthält über 100 g IgG/l.»

Am besten friert man es in Portionen von 0,5 bis 1 l ein; bei Bedarf schonend auftauen und langsam im Wasserbad nicht über 40 Grad erwärmen. Auf keinen Fall in der Mikrowelle zu stark erhitzen, weil die Proteine sonst denaturieren und die Antikörper zerstört werden. Die Swissgenetics-Tierärztinnen bestätigen: «Gute Biestmilch enthält 50 mg IgG/ ml. Ein Kalb sollte in den ersten beiden Lebensstunden mindestens 100 g IgG aufnehmen – also im Minimum 2 l Biestmilch von guter Qualität.» Die amerikanische Dairy Calf and Heifer Association empfiehlt als Faustregel für die Biestmilchmenge, den Kälbern 10 Prozent ihres Körpergewichts in den ersten beiden Lebensstunden zu trinken zu geben. sum

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