Bodenrecht: «Staatlich verordnete Bauernhofromantik»

Raphael Bühlmann ist Betriebsleiter eines eigenen Hofes, Betriebswirt FH und Redaktor beim «Schweizer Bauer». In seinem Kommentar beleuchtet er die geplante Revision des bäuerlichen Bodenrechts. Statt echter Gleichstellung drohe eine rechtliche Verklärung traditioneller Rollenbilder. 

Raphael Bühlmann |

Wenn der Bundesrat ein Herz für Bäuerinnen entdeckt, muss man eigentlich applaudieren. Frauen auf dem Land leisten viel, oft im Schatten. Die über Jahre unterschlagene Wertschätzung muss beseitigt werden – nicht aber kompensiert. Doch genau das scheint mit der aktuellen Revision des bäuerlichen Bodenrechts (BGBB) zu geschehen. Die Änderung soll – so steht es in der Botschaft – die Stellung der Ehepartnerinnen auf Landwirtschaftsbetrieben stärken.

«Landfrauenküche»- Frauenbild

Mehr Rechte für die Bäuerin, mehr Schutz im Erbfall, mehr Anerkennung. Man darf sich an der Stelle aber doch fragen, ob sich der Bundesrat bei seinem Vorschlag an der Realität oder doch eher an einem wie beispielsweise auch durch das Schweizer Radio und Fernsehen quotenoptimiert inszenierten «Landfrauenküche»- Frauenbild orientiert hat. Von wem ist denn heute eigentlich die Rede, wenn man von «der Bäuerin» spricht?

Von der Frau, die täglich im Stall steht, melkt, füttert und die Buchhaltung führt? Oder von der modernen Partnerin, die einen eigenen Beruf hat, vielleicht in der Stadt arbeitet und mit der Bewirtschaftung des Hofs wenig oder gar nichts zu tun hat? Die Politik tut so, als sei jede Bäuerin eine «Mithofbetreiberin». Doch viele junge Frauen wählen heute bewusst einen anderen Weg: Sie sind Agronominnen, Floristinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen, Coiffeurunternehmerinnen – aber keine «helfende Ehefrau» mehr. Sie führen ihre eigene Karriere, oft unabhängig vom Betrieb des Partners.

Das Gesetz hingegen geht von einem Idealbild aus, das nicht nur für mich längst überholt ist. Die Revision sieht vor, dass Ehepartnerinnen künftig ein bevorzugtes Vorkaufsrecht erhalten, sofern sie zur Selbstbewirtschaftung geeignet sind und diese auch ausführen wollen. Was gut gemeint ist, könnte in der Praxis groteske Schieflagen erzeugen.

Entwurzelung statt Schutz

Wenn der Landwirt stirbt oder der Hof übergeben wird, kann plötzlich eine Partnerin mit wenig Bezug zur Landwirtschaft einen gesetzlichen Vorteil gegenüber Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern haben, die tatsächlich im Betrieb mitarbeiten. Das ist kein Fortschritt, sondern eine Verschiebung von Erbverhältnissen zugunsten einer Rolle, die in vielen Fällen gar nicht mehr existiert. Besonders brisant wird die Revision dort, wo kein Nachwuchs vorhanden ist.

Martin Goldenberger, Leiter Agriexpert, bringt es auf den Punkt: «Wenn ein verheiratetes Ehepaar keine Kinder hat und es zur Scheidung kommt, kann ein Hof die Seite wechseln.» Mit anderen Worten: Eine Frau ohne Bezug zur Landwirtschaft kann durch die neuen Regeln rasch Eigentümerin eines Betriebs oder zumindest einer Liegenschaft werden. Was als Schutz gedacht war, kann also zur Entwurzelung führen.

Der Hof, über Generationen aufgebaut, landet plötzlich ausserhalb der bäuerlichen Familie – ein Szenario, das weder der Tradition noch der Zukunft dient. Gerade kleinere Betriebe, die auf familiäre Nachfolge setzen, könnten dadurch destabilisiert werden. Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) hat sich lange für diese Reform eingesetzt.

Zusätzliche Konflikte

Aus seiner Sicht ist sie ein Meilenstein: Endlich soll die Ehepartnerin ein privilegiertes Vorkaufsrecht erhalten, wenn der Hof verkauft oder übergeben wird. Sie soll besser abgesichert sein, falls die Ehe scheitert oder der Landwirt stirbt. Ein Mechanismus, den weder die Angehörigen von Metzgern noch die Partnerinnen von Schreinern oder von anderen Selbstständigen kennen.

Zusätzliche Konflikte in Zeiten, in denen die Scheidungsrate in der Landwirtschaft gleich der übrigen Bevölkerung ist, sind vorprogrammiert. Auch beim Schweizer Bauernverband (SBV) gab es bei der Erarbeitung der Vernehmlassung Bedenken. Dem Vernehmen nach stand Markus Ritter, SBV-Präsident, dem Vorschlag zuerst kritisch gegenüber. Doch als gewiefter Taktiker dürfte auch er sich des aktuellen Zeitgeists bewusst sein. Schliesslich weiss Ritter, wie heikel es ist, in Zeiten von Gleichstellungsdebatten als Bremser dazustehen.

Finanzielles Risiko wird höher

Also trägt der Verband die Vorlage inklusive Vorkaufsrecht für Ehegatinnen und Ehegatten im zweiten Rang mit – pragmatisch, aber ohne Begeisterung. Ein Balanceakt zwischen gesellschaftlicher Erwartung und bäuerlicher Realität. Mein bescheidenes Fazit: Wäre ich eine junge Partnerin eines Landwirts oder auch ein junger Partner einer Hofeigentümerin (auch in diesem Fall gälte das neue Gesetz selbstverständlich), ich fühlte mich bevormundet.

Als Landwirt selbst wird mit der Revision einzig das emotionale und finanzielle Risiko einer Ehe noch höher. Zudem drohen zusätzliche Konflikte unter Geschwistern bei der Hofübergabe. Was der Bundesrat in diesem Fall anbietet, ist keine Gleichstellung, sondern staatlich verordnete Bauernhofromantik. Die moderne Bäuerin braucht kein Vorkaufsrecht – sie braucht Respekt, ökonomische Eigenständigkeit und Wahlfreiheit – wie in jeder anderen Branche auch.

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