Brasilien will einen globalen Waldschutz-Fonds

Die riesigen tropischen Regenwälder spielen eine wichtige Rolle für das Weltklima. Ihr Schutz muss daher belohnt werden, findet Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva.

awp |

Beim Klimagipfel in der Amazonas-Stadt Belém, zu dem bis Freitag etwa 50 Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, will Brasiliens Staatschef da Silva daher für einen Waldschutz-Fonds namens Tropical Forests Forever Facility (TFFF) w erben und möglichst Zusagen für einen Teil der dafür vorgesehenen 125 Milliarden Dollar erhalten.

Warum wird der TFFF-Fonds gebraucht?

Die meisten naturbelassenen Regenwälder befinden sich in ärmeren Tropenländern. Bislang bringt ihnen Waldzerstörung für Landwirtschaft oder Bergbau mehr ein als Waldschutz. Die zahlreichen Versprechen der reichen Industrieländer, die Zerstörung der Wälder zu bekämpfen, seien nicht ausreichend umgesetzt worden, sagt der Klimaberater des brasilianischen Finanzministeriums, João Paulo de Resende.

Auch wenn etwa in Brasilien die Waldzerstörung in den vergangenen Jahren verringert wurde, bleibt sie weltweit immer noch auf Rekordstand: 2024 ging jede Minute Urwald von einer Fläche so gross wie 18 Fussballfelder verloren. Für die Erde ist das eine alarmierende Entwicklung, denn die Regenwälder sind wichtig für den Artenschutz und die Stabilisierung des Klimas, ihre Zerstörung setzt riesige Mengen klimaschädliches CO2 frei.

Wie soll der TFFF funktionieren?

Der Fonds beruht auf der Idee, eine verlässliche, langfristige Einnahmequelle für den Waldschutz zu haben. Zunächst sollen 25 Milliarden Dollar (20,17 Milliarden Franken) von Förder-Staaten eingesammelt werden, die ihr Klima-Image aufpolieren wollen und bereit sind, eventuelle anfängliche Verluste des Fonds auszugleichen. Mithilfe dieser staatlichen Absicherung sollen dann weitere 100 Milliarden Dollar (80,67 Milliarden Franken) von privatwirtschaftlichen Investoren wie Anlagefonds eingesammelt werden. Als Anreiz sollen sie bei Auszahlungen aus dem Fonds den Vortritt vor den staatlichen Investoren haben.

Das TFFF-Kapital soll in Kapitalmärkte insbesondere in Schwellenländern gesteckt werden, um Gewinne zu erzielen. Diese sollen – abzüglich der Zinsen für die Investoren – an tropische Länder mit niedrigen Entwaldungsraten für jeden erhaltenen Hektar Urwald fliessen. Überprüft werden soll der jeweilige Walderhalt eines Landes mithilfe von Satelliten.

Diese Herangehensweise unterscheidet sich vom Emissionshandel oder traditionellen Hilfskrediten, bei dem die Gelder in bestimmte Waldschutzprojekte fliessen. «Es ist für beide profitabel: Die Tropenwald-Länder, die dieses Geld bekommen, (...) und Investoren, die in den Erhalt investieren», sagt Pakhi Das, die den geplanten Fonds für die Non-Profit-Initiative Plant-for-the-Planet analysiert hat.

Wer profitiert?

Die brasilianische Regierung erwartet nach eigenen Angaben, dass der Fonds jährlich vier Milliarden Dollar für den Waldschutz generiert. Es wurden 74 waldreiche Länder identifiziert, die davon profitieren könnten. In der Realität dürfte die Zahl zumindest am Anfang aber deutlich niedriger sein.

Nur Länder mit einer niedrigen jährlichen Entwaldungsrate von unter 0,5 Prozent sollen Auszahlungen bekommen. Dies müssen sie Jahr für Jahr erneut nachweisen. «Ich denke, das ist ziemlich unkompliziert: Wird die Entwaldung verringert oder nicht?', sagt der Chef von WWF Brasilien, Mauricio Voivodic, der Nachrichtenagentur AFP. «Und wenn nicht – dann gibt es kein Geld mehr.»

Das Fonds-Konzept soll Experten zufolge auch anderen Länder einen Anreiz zum Schutz ihrer Wälder bieten. Schliesslich seien die in Aussicht stehenden Ausschüttungen doppelt oder drei Mal so hoch wie die jeweiligen nationalen Waldschutz-Ausgaben. Die drei äusserst waldreichen Länder Brasilien, Indonesien und die Demokratische Republik Kongo könnten zumindest theoretisch jeweils hunderte Millionen Dollar jährlich aus dem Fonds erhalten, wenn sie die Waldzerstörung vollständig stoppen.

Wird das funktionieren?

Bislang hat nur Brasilien Geld für den neuen Fonds zugesagt, und zwar eine Milliarde Dollar. Brasiliens Finanzminister Fernando Haddad geht davon aus, dass bis Jahresende zunächst zehn Milliarden Dollar zusammenkommen werden.

Die britische Regierung, die die TFFF-Initiative mit ausgearbeitet hat, kündigte am Mittwochabend an, dass sie den Plan zwar weiter unterstütze, wegen der angespannten Haushaltslage aber vorerst keine Staatsmittel dafür bereitstelle.

Laut dem brasilianischen Klima-Berater Resende kann der Fonds auch schon starten, wenn noch nicht 25 Milliarden Dollar an staatlichem Startkapital beisammen sind. Die UN-Klimakonferenz in Belém solle vor allem eine «politische Botschaft» aussenden, «dass dies der Weg vorwärts ist», sagt Resende.

Zweifel an Überprüfungsverfahren

Einige Diplomaten und Experten haben Zweifel an den Überprüfungsverfahren des Fonds angemeldet. Auch ist unklar, ob er die guten Kreditwürdigkeitsnoten erhält, die er zur Gewinnung von genügend Investoren braucht, und ob er die erhofften Auszahlungen erwirtschaftet. Beobachter heben zudem hervor, dass es derzeit schwierige Zeiten sind, um Regierungen um grosse Beiträge für den Waldschutz zu bitten. Im Laufe der Zeit könne das Langfrist-Projekt aber an Zulauf gewinnen.

Die Waldschutzorganisation Global Forest Coalition kritisiert den Fonds als «Scheinlösung». Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland hält den TFFF zumindest für «noch nicht reif». Es seien noch einige Fragen bei der Ausgestaltung zu klären, damit der Fonds nicht für «Greenwashing» missbraucht werde.

Kaisers WWF-Kollege Voivodic ist da optimistischer: «Wenn er erfolgreich ist, wird er für immer bleiben und für immer Wälder schützen», sagt er über den Fonds. Es sei daher «viel besser, das zu machen, als auf eine andere Lösung zu warten, die perfekt ist».

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