
Die falsche Bewertung des Methans betrifft Raufutterverzehrer sowie deren Fleisch und Milch.
Anna-Katharina Flükiger
Landwirt Heinz Siegenthaler aus Fankhaus BE ist Präsident des Bäuerlichen Zentrums Schweiz (BZS). Er schreibt dem «Schweizer Bauer», es enttäusche ihn, ja er verurteile es zutiefst, dass die Absichtserklärung zum Klima vom 14. Juli nicht nur von Bio Suisse und IP-Suisse, die den Detailhändlern Coop und Migros nahestehen, sondern auch vom Schweizer Bauernverband unterzeichnet worden sei.
Ungerechtfertigt hoher CO₂-Ausstoss
Denn in der Absichtserklärung stehe nichts davon, dass die Viehhaltung in sich (bezogen auf den Methanausstoss der Tiere) klimaneutral sei. So werde den Tierhaltern mit Raufutterverzehrern, die Methan ausstossen, ein ungerechtfertigt hoher CO₂-Ausstoss in die Schuhe geschoben, die Bauern würden so zu Klimasündern. Siegenthaler bezieht sich auf die Studie*, die hochkarätige Wissenschaftler der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 2022 veröffentlicht haben.

Detailhandel, Landwirtschaft und Verarbeitung haben eine Absichtserklärung für eine klimafreundliche Landwirtschaft verabschiedet.
Reto Blunier
Dort steht, dass die international angewandte, vom Pariser Klimaabkommen vorgegebene Metrik GWP100 mit dem Methan falsch umgeht. Stattdessen wird die Metrik GWP* als die wissenschaftlich korrekte vorgestellt. In der Metrik GWP* ist berücksichtigt, dass sich Methan innert etwa zwölf Jahren abbaut.
SBV kämpft für GWP*
Sandra Helfenstein, Kommunikationschefin beim Schweizer Bauernverband (SBV), sagt dazu: «Wir haben die Absichtserklärung unterschrieben, weil darin erstmals und auch vom Handel festgehalten ist, dass Klimaleistungen entschädigt sein müssen. Es geht also überhaupt nicht darum, dass die Bauernbetriebe oder ihre Tiere Klimasünder sind und nun ‹Ablass› leisten müssen.» Die Sache mit den Metriken sei eine völlig andere Geschichte und habe mit der Absichtserklärung nichts zu tun. Denn die Absichtserklärung entschädige die Reduktionsleistungen.
«Wo diese starten aufgrund unterschiedlicher Berechnungsweisen, spielt keine Rolle», so Helfenstein. Man sei mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) im engen Austausch über die Metriken. Der SBV kämpfe dafür, dass die nationalen Grundlagen mit GWP* gerechnet werden. In dieselbe Kerbe haut auch Nationalrat Martin Haab (SVP, ZH) in einem Vorstoss.
Absichtserklärung
Die Absichtserklärung soll eine Grundlage für die Entwicklung eines nachhaltigen Systems auf Basis des Pariser Klimaschutzabkommens bilden. Sie enthält fünf Kernelemente:
1. Reduktion der Treibhausgasemissionen Richtung Netto-Null durch wirkungsvolle Massnahmen, die eine gesamtheitlich nachhaltige Anbaupraxis anstreben – ohne Reduktion der inländischen Produktion .
2. Einheitliche Emissionsfaktoren gemäss SBTi-Standards für alle relevanten Rohstoffe, inklusive periodischer Aktualisierung. Die SBTi-Methode zeigt Unternehmen auf, wie schnell sie ihre CO₂-Emissionen senken müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
3. Standardisierter Datenaustausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
4. Finanzierungsmodell , das Herkunft und Verwendung der Mittel sicherstellt und Marktverzerrungen verhindert.
5. Die von den Produzenten erbrachten Leistungen (inklusive der vorgängigen Datenerhebungen) werden durch höhere Zuschläge (beispielsweise Richtpreiszuschlag im Milchbereich) am Markt durch die jeweiligen Abnehmer (Verarbeitung, Handel und Industrie) abgegolten. Diese Abgeltungen werden separat ausgewiesen.
Auch BOM möchte GWP*
Die Branchenorganisation Milch (BOM) hat in einer Medienmitteilung die Absichtserklärung zum Klima vom 14. Juli ausdrücklich begrüsst. Mit ihrem Klimarechner steht sie in der Poleposition, was die Bereitstellung der «einheitlich berechneten SBTi-konformen Emissionsfaktoren für alle relevanten Rohstoffe» (Punkt 2 der Erklärung) betrifft. Auf die Frage nach der angewandten Methodik zur Erfassung des Methanausstosses sagt Geschäftsführer Stefan Kohler, dass «SBTi-Konformität» die Anwendung der GWP100- Methodik bedeute, dies aufgrund internationaler Konventionen. Er selbst anerkennt, dass damit der Methankreislauf nicht korrekt erfasst wird.
Die BOM setze sich dafür ein, dass dies mittel- bis langfristig angepasst werde, sodass einer dauerhaften Senkung des Methanausstosses gemäss der Metrik GWP* eine kühlende Wirkung aufs Klima zugeschrieben werde. «Für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen auf einem Milchviehbetrieb ist es aber nicht relevant, auf welchem Ausgangsniveau diese startet. Die Milchbranche will Teil der Lösung sein», so Kohler.
Bislang hat sich innerhalb der BOM eine konkrete Lösung für einen höheren Richtpreis als Finanzierungsquelle für das Ausfüllen des Klimarechners und die Abgeltung der Leistungen zum Klimaschutz noch nicht durchsetzen können. Dass jetzt in der Absichtserklärung unter Punkt 5 steht, dass ausdrücklich auch die Datenerhebung bei den Produzenten am Markt durch die jeweiligen Abnehmer abgegolten werden sollen, erachtet Kohler diesbezüglich als wichtiges Signal.
*Die Studie von 2022 heisst «Klimawirkung und CO₂-Äquivalent-Emissionen von kurzlebigen Substanzen» . -> Hier könnt Ihr die Studie herunterladen