Die letzte Station der Waadtländer Wölfe

Auf dem Gebiet des Kantons Waadt verunglückte oder abgeschossene Wölfe landen im Naturéum in Lausanne, dem naturhistorischen Museum des Kantons. In der Präparationswerkstatt des Museums werden einige Tiere für die Ausstellung hergerichtet, von allen wissenschaftliche Daten erhoben werden.

sda |

Jedes Exemplar erweitert so die naturwissenschaftlichen Sammlungen der Institution. Seit knapp zwei Jahren steht «M236» mit erklärenden Tafeln im Palais de Rumine – nicht weit vom Sibirischen Tiger und dem Eisbären entfernt.

Publikumsmagnet

«Der Wolf schielt ein bisschen», sagt Präparator André Keiser schmunzelnd, als er von den hierher ausgestellten Wölfen spricht. Aber das störe kaum jemanden, die Vitrine sei ein Publikumsmagnet. Der elf Monate alte Rüde aus einem Wurf von fünf Jungtieren, der 2021 am Marchairuz-Pass zur Welt kam, wurde im März des darauffolgenden Jahres im Rahmen eines Regulierungsabschusses getötet. Er ist einer jener Wölfe, die in den letzten drei Jahren in Lausanne präpariert wurden.

In einer Ecke der Werkstatt, direkt beim Haupteingang, liegt ein weiterer Wolf auf einem Holzbrett: «Gros Pépère», der männliche Leitwolf (M95) des Marchairuz-Rudels und Vater von M236, der oben in der Ausstellung zu sehen ist. Weiter hinten steht ein Wolf in aufrechter Haltung. Die übrigen Tiere sind noch nicht an der Reihe – einige befinden sich im Gefrierlager.

Handwerk zwischen Tradition und Moderne

«Wir können nicht alle Tiere präparieren», sagt Keiser, dessen Beruf in der Schweiz immer seltener wird. Die Präparation eines etwa 40 Kilogramm schweren Wolfes dauert zwischen zwei Monaten und einem Jahr – vom Eintreffen des Tierkörpers bis zur fertigen Montage. Keiser und seine Lernende Céline Mouillé arbeiten dabei Hand in Hand: häuten, gerben, modellieren, trocknen. Der heikelste Teil? «Ganz klar die Augen», sagt Keiser.

Diese stammen wie andere Bestandteile des Präparats nicht vom Tier selbst, sondern sind künstlich. Der Kiefer ist zu fragil, die Zunge nicht haltbar, und das Skelett wird für wissenschaftliche Zwecke oft separat entnommen. Nur die Haut bleibt als Original erhalten. Seit der Arbeit an M236 – «dem Wolf mit dem schielenden Blick» – seien die beiden Präparatoren «deutlich besser geworden», betont Keiser. Traditionelle Handwerkskunst verbinde sich heute mit modernen Techniken. Ein zeitgemäss präpariertes Tier sei «auf lange Haltbarkeit ausgelegt».

Flut an Wolfskadavern

Eine informelle Vereinbarung mit dem kantonalen Umweltdepartement räumt dem Museum die Priorität bei der Übernahme von Wolfskadavern ein, erklärt Olivier Glaizot, leitender Konservator der zoologischen Abteilung. Als die Vereinbarung vor rund drei Jahren getroffen wurde, erhielt das Museum ein bis zwei Exemplare von «Canis lupus» pro Jahr.

Seither wirke der «Albert-Rösti-Effekt». Die 2022 in Kraft getretene Revision des eidgenössischen Jagdgesetzes, die auch den Abschuss ganzer Rudel ermöglicht, habe eine regelrechte Flut an Wolfskadavern ausgelöst, sagt Glaizot. Die Tiere durchlaufen mehrere Stationen, bevor sie in Lausanne ankommen. Zunächst geht es nach Bern zum Institut für Fisch- und Wildtiergesundheit, wo sie obduziert und identifiziert werden. Erst danach kommen sie über die kantonalen Stellen zurück ins Waadtländer Naturéum.

Spuren für die Wissenschaft

In Lausanne beginnt eine neue Arbeit. Jedes Wirbeltier, das die Museumstüren passiert, wird Teil der wissenschaftlichen Sammlung. Die Entnahme genetischen Materials – meist eines kleinen Muskelstücks – gehört zur Routine. Die Proben fliessen in eine nationale Datenbank, die der Forschung zur Verfügung steht.

Zudem gehe es darum, «das Mythische im Kanton festzuhalten – ob Wolf, Wildkatze oder Luchs», betont Glaizot. Langfristig strebt das Museum sogar die Präparation eines vollständigen Rudels an. «Aber wir lassen uns Zeit. Wir arbeiten nur mit dem, was wir bekommen – wir bestellen keine Tiere.»

Ein sensibles Thema

Die Tätigkeit der Institution wird oft missverstanden, denn sie bewegt sich zwischen Handwerk und politisch aufgeladenen Debatten rund um den Wolf. «Eine der Fragen ist, ob Museen Position beziehen sollten oder einfach Fakten zeigen», sagt Glaizot.

«Es sind grossartige Tiere. Wenn das Tier erst einmal auf dem Tisch liegt, behandeln wir es mit Respekt», sagt Keiser. Ganz verbergen kann er «gewisse Emotionen» nicht, die er verspürt, wenn er daran denkt, dass Gros Pépère nun auf seiner Werkbank ruht – statt durch den Waadtländer Jura zu streifen.

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