«Durch Absage werden 80 Tonnen nicht verarbeitet»

Swisswool hat alle Wollabnahmen im Frühling abgesagt. Dadurch werden rund 80 Tonnen Wolle nicht aufgekauft und verarbeitet. Geschäftsführer Friedrich Baur erklärt, wie es dazugekommen ist und wie es weitergeht.

ats |

«Schweizer Bauer»: Sie sind Wollunternehmer und kaufen im Normalfall jedes Jahr rund 200 Tonnen Schweizer Schafschurwolle. Wieso haben Sie die Frühlingswollannahme dieses Jahr abgesagt? Friedrich Baur: Es gibt drei Gründe, die zu dieser aussergewöhnlichen Situation führen, dass wir die traditionelle Wollannahme im Frühling dieses Jahr erstmals seit vielen Jahren aussetzen müssen.

Was sind das für Gründe? Wir haben einerseits volle Lagerkapazitäten, andererseits hat die aktuelle wirtschaftliche Lage zu einem Rückgang der Nachfrage nach Wollprodukten geführt, und der letzte entscheidende Faktor ist die unsichere Lage unserer langjährigen Wollwäscherei in Belgien. Diese ist in einer wirtschaftlichen Schieflage, und es ist nicht abzusehen, wie es dort weitergeht.

Was für Konsequenzen hat die Schliessung der Wollwäscherei? Für uns bringt das grosse Herausforderungen bei den logistischen Abläufen mit sich. Bisher wurde die Wolle direkt nach der Annahme zur Wäscherei transportiert. Da wir keine eigene Lagerhalle für Rohwolle haben, ist die Wäscherei für uns ein zentraler Bestandteil der Wertschöpfungskette, quasi unser Rohwolllager.

Können Sie nicht einfach eine neue Wollwäscherei beauftragen? In Europa gibt es nur drei grosse Wollwäschereien, die unterschiedliche Waschverfahren anbieten: unsere in Belgien, eine in England und eine in Osteuropa. Derzeit ist unklar, ob und wo wir eine vergleichbare Qualität und Kapazität in Auftrag geben können.Es gibt verschiedene Waschverfahren, je nach Endprodukt braucht es eine andere Waschqualität der Wolle. Wir sind daran, Waschproben bei anderen Wäschereien einzuholen.

«Wir handeln nicht mit Wolle, sondern verarbeiten alle aufgekaufte Wolle selbst. Darum ist unser Einkauf von dem Absatz unserer Produkte abhängig.»

Friedrich Baur

Wieso wollen Sie kein eigenes Rohwolllager einrichten? Ein eigenes Wolllager zu betreiben, steht nicht zur Option. Die Verarbeitung der Wolle ist sowieso schon kostenintensiv. Mit einem Lager kommen weitere Kosten für die Infrastruktur, Mitarbeitende, doppelte Transportkosten und so weiter dazu. Das Endprodukt würde noch teurer, und noch weniger Leute würden Wollprodukte kaufen.

Gibt es ein Absatzproblem für Swisswool-Produkte? Die aktuelle wirtschaftliche Lage hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach Wollprodukten, insbesondere solchen, die einen hohen Wollbedarf haben, spürbar zurückgegangen ist. Dies hat direkte Auswirkungen auf unsere Produktionskapazitäten und die Verarbeitung der bereits gelagerten Wolle. Wir haben nicht nur die Produkte, die unter unserer Eigenmarke vertrieben werden, sondern vertreiben auch andere Produkte wie Hausisolationen aus Schafwolle und beliefern die Matratzenindustrie. Auch wenn wir es nicht denken, in Deutschland herrscht wirklich eine Wirtschaftskrise. Seitdem ist der Absatz in Deutschland runtergegangen. In der Schweiz war der Absatz für Matratzen aus Schafwolle auch schon einmal besser. In den letzten Jahren ist er stagnierend. Wir handeln nicht mit Wolle, sondern verarbeiten alle aufgekaufte Wolle selbst. Darum ist unser Einkauf von dem Absatz unserer Produkte abhängig.

Wollabnehmer in der Schweiz

Neben Swisswool gehören Fisolan und Fiwo zu den grösseren Wollabnehmern. Insgesamt engagieren sich gut zwei Dutzend kleine und mittlere Unternehmen, verteilt über die ganze Schweiz, in der Verwer­tung inländischer Schafwolle, wie der Verein Pro Wolle Schweiz mitteilt. Die Branche sammelt jährlich rund 600 Tonnen Rohwolle. Die Schafwollbranche lebe von individuellen Anstrengungen eigenständiger Verwertungsbetriebe, die sich in einem kleinen Markt behaupten müssen. Pro Wolle Schweiz kämpft laut eigenen Angaben als Selbsthilfeorganisation von Schafhaltern und Verwertungsbetrieben für überbetriebliche Zusammenarbeit und möchte diese in der ganzen Branche fördern. ats

Was muss sich aus Ihrer Sicht noch mehr verändern, damit der Wert der Schweizer Wolle wieder mehr erkannt wird? Wolle ist ein Topprodukt. Swisswool und auch alle anderen Wollverarbeiter machen bereits Aufklärungsarbeit. Vielleicht braucht es noch mehr Aufklärung. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist in den letzten Jahren sehr gestiegen. Es braucht Konsumenten, die bereit sind, für die Qualität und den Rohstoff das zu zahlen, was er wert ist und kostet.

«Wenn eine so gute Faser in der Verbrennung landet, ist das tragisch.»

Friedrich Baur

Wie geht es weiter? Solange die Frage der Wollwäsche und der damit verbundenen Lagerung nicht geklärt ist, können wir keine neuen Wollannahmen wie gewohnt durchführen. Wir hoffen, dass wir bis im Herbst Lösungen für die Wäscherei- und Lagerfrage gefunden haben und die Herbstannahmen durchführen können.

Was empfehlen Sie den Wolllieferanten? Wenn die Möglichkeit besteht, die Wolle trocken und sauber zu lagern, empfehlen wir eine Zwischenlagerung und, bei anderen Wollabnehmern anzufragen, ob aktuell Bedarf besteht. Es ist für alle Seiten eine schwierige Situation, und wir bedauern das sehr. Aber wir haben für die Wolle schlichtweg keine Lagerkapazität. Es war immer unser Ziel und sollte auch das Ziel der Schweiz sein, die Rohstoffe, die anfallen, zu verwerten. Wenn eine so gute Faser in der Verbrennung landet, ist das tragisch. Das ändert sich nur, wenn die Verbraucher Produkte mit Schweizer Wolle anderen synthetischen Fasern vorziehen.

Wie viel Wolle kauft Swisswool jährlich auf? Zu Spitzenzeiten haben wir 350 Tonnen Wolle pro Jahr gekauft. In dieser Zeit haben wir mehr angekauft, als effektiv gebraucht wurde. In den letzten Jahren waren es rund 200 Tonnen pro Jahr. Durch die Absage der Frühlingswollannahmen werden rund 80 Tonnen Wolle nicht aufgekauft und verarbeitet.

Seit wann gibt es die Wollannahmen? Swisswool nimmt seit 2010 Wolle an. Es hat eine Weile gedauert, bis die Infrastrukturen organisiert und etabliert waren, und am Anfang galt es vor allem, Aufklärungsarbeit bei den Lieferanten zu leisten.

Wie meinen Sie das? Dem Landwirt musste das Wissen vermittelt werden, dass je nach Wollqualität, Faserlänge und Sauberkeit unterschiedliche Produkte daraus hergestellt werden können und deshalb die Wolle gut sortiert werden muss.

Beenden Sie die Sätze… Die Absage der Frühlingsannahme ist… eine Herausforderung für alle. Wolle ist… eine natürliche Faser mit unglaublich vielfältigen Eigenschaften. Swisswool ist… bestrebt, so viel Schweizer Wolle wie möglich zu verarbeiten. Landwirtschaft ist… der zentrale Bestandteil einer lokalen Versorgung.

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