Emmental: So halten sich die Käsereien

Immer mehr Käsereien hören auf, Emmentaler AOP zu produzieren. Auch im Emmental. Wie trotzen die verbliebenen in der Ursprungsregion dem Strukturwandel?

Susanne Graf |

«Wenn im Urgebiet plötzlich kein Emmentaler mehr produziert wird, müssen wir uns dann schon an der Nase nehmen und uns fragen, was wir falsch gemacht haben.» So zitierte die «Berner Zeitung» 2004 einen Eggiwiler Milchproduzenten. An einer Medienorientierung stellte er die soeben gegründete Interessengruppe «Milch aus dem Emmental» vor. Ihr Ziel war es, dass die im Grasland Emmental gewonnene Milch auch hier verarbeitet wird. Und dass die Bauern motiviert bleiben, silofrei zu produzieren.

Seit Jahren Absatzprobleme

«Diese IG kam gar nie richtig zum Fliegen», stellt Hans Neuenschwander heute fest. Als Landwirt und Berater am Inforama Bäregg war er damals mit von der Partie. Doch der Emmentaler AOP kämpft seit Jahren mit Absatzproblemen, vor allem verursacht durch billige Nachahmerprodukte aus dem Ausland. So kam es, dass auch das Emmental, das dem Käse seinen Namen gab, von Käsereischliessungen nicht verschont blieb.

Gemäss der Sortenorganisation hörten in den letzten fünf Jahren schweizweit 18 Betriebe auf, Emmentaler AOP zu produzieren. Damit waren Ende 2024 noch deren 93 aktiv. Nachdem Cremo die Käsekaufverträge nicht erneuert hat, stellen weitere Käsereien die Produktion ein. Im Emmental trifft es die Schaukäserei in Affoltern, Arni und Mutten in Signau.

Genug Käsereimilch

Doch was braucht es, damit trotz schwierigem Umfeld jene Käsereien, die im Verwaltungskreis Emmental und im nahen angrenzenden Gebiet noch Emmentaler AOP produzieren, auch in Zukunft eine Chance haben? Die Frage geht an Roland Sahli, Co-Geschäftsführer der Gourmino AG. Die von Käsern gegründete Affineurin und Händlerin mit ihrem Reifungsbetrieb in Langnau im Emmental hat die Marke «Save the Emmentaler» lanciert und setzt sich damit für einen urtümlichen, traditionellen Emmentaler AOP ein, der in dezentralen Strukturen entstanden ist.

Die Gourmino vermarktet unter anderem den Emmentaler AOP der Käsereien Hüpfenboden, Mühlekehr/Trub und Oberei. Erste Bedingung, damit eine Käserei langfristig Bestand habe, sei der Zugang zu silofreier Milch, sagt Sahli. Diese Garantie habe nur, wer den Lieferanten einen überdurchschnittlichen Preis bezahlen könne.

Monobetrieben, also Käsereien, die ausschliesslich Emmentaler produzieren und keine zusätzliche Wertschöpfung mit anderen Produkten generieren können, dürfte es angesichts der Einschränkungen durch die Mengensteuerung der Sortenorganisation langfristig schwerfallen, die silofrei Produzierenden bei der Stange zu halten. «Aber grundsätzlich muss jede Käserei aus betriebswirtschaftlicher Sicht individuell betrachtet werden, ein Standardrezept gibt es nicht», betont Sahli.

Wichtige Rolle der Käsereien

Auch die Lage der Käserei spiele eine Rolle: «Ein Milchbetrieb zuhinterst im Trub hat andere Voraussetzungen als einer in Konolfingen.» In Trub kann ein Bauer nicht davon ausgehen, dass die Silomilch abgeholt wird. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb sich Sahli wenig Sorgen um die dortige Käserei Mühlekehr macht. Sie ist für ihn ein gutes Beispiel für den zweiten wichtigen Punkt: die Zusammenarbeit zwischen der bäuerlichen Käsereigenossenschaft und dem Käser als Milchkäufer.

«Die Käserei Mühlekehr ist sehr gut unterhalten.» Und mit dem mehrfach ausgezeichneten Gold-Käser Fritz Baumgartner wird sie von einem Milchkäufer geführt, der neben Bio- und konventionellem Emmentaler AOP auch Halbhartkäse produziert. Trotz eingeschränkter Freigabe durch die Sortenorganisation werde «praktisch keine Milch unverarbeitet aus dem Trub abgeführt», sagt der Käser. Aber er gibt zu bedenken: «Den Markt für den Halbhartkäse musste man zuerst aufbauen.»

Milchkäufer als Vorteil

Sind Milchkäufer ein besserer Garant für den Erfolg einer Käserei als Betriebsleiter, die auf Rechnung der Genossenschaft arbeiten? «Es gibt sehr gute Betriebsleiter», betont Roland Sahli. Zu ihnen gehört etwa Alfred Schenk, Betriebsleiter in der Käserei Höhe ob Signau. Sein Emmentaler wurde letztes Jahr von der Sortenorganisation mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Diesem Umstand sei es zu verdanken, so Genossenschaftspräsident Urs Rindisbacher, dass die Käserei Höhe nach dem Cremo-Entscheid in der Alpenswiss AG einen neuen Abnehmer fand und nicht schliessen musste.

Trotzdem ist das Milchkäufermodell in Sahlis Augen generell erfolgversprechender. «Ein Milchkäufer ist unternehmerisch stärker motiviert. Der Käser ist nun mal der Motor, von seinem Antrieb hängt der Erfolg der Käserei ab», so Sahli. Mitentscheidend sei letztlich das Verhältnis zwischen «der Anzahl Garderobenschränke und der verarbeiteten Milchmenge». Deshalb sei etwa auch die Käserei Hüpfenboden ob Trubschachen immer noch dabei. «Seit zehn Jahren heisst es, ein Betrieb dieser Grösse habe keine Existenzgrundlage mehr», so Sahli.

Slow-Food-Emmentaler

Milchkäufer Bernhard Meier und seine Partnerin beweisen mit ihrem Slow-Food-Emmentaler und anderen Spezialitäten das Gegenteil. Auch in der Käserei Heidbühl (Gemeinde Eggiwil) ist man nicht auf möglichst viel Personal aus. Aber die Genossenschaft sucht nun dringend eine Fachkraft, die ihren Käser entlastet. Letzterem hat sie es laut Präsident Hans Stalder zu verdanken, dass sie dank guter Qualität deutlich mehr Emmentaler AOP als die sonst üblichen 39 Prozent der Referenzmenge produzieren kann.

Zudem profitieren die Eggiwiler von einer Produktionsgemeinschaft mit der Grosskäserei Eyweid in Zäziwil und könnten künftig eine zusätzliche Menge Emmentaler fabrizieren. Es würde Stalder arg wurmen, wenn die Käserei diesen Erfolg wegen Personalmangels nicht nutzen könnte. «Aber wir dürfen unseren Käser nicht verheizen», sagt der Präsident.

Auslaufbetriebe

Der Fachkräftemangel ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt, den Käsereien im Auge behalten müssen, wenn sie eine Zukunft haben wollen. «Ist der Käser 50-jährig und älter, muss vor einer Investition die Nachfolge geregelt sein», sagt Roland Sahli. Er weiss: «Es gibt viele Auslaufbetriebe: Sie fabrizieren, bis die nächste Investition oder ein Generationenwechsel bevorsteht.» In dieser Kategorie vermutet er schweizweit 20 bis 30 Emmentaler-Käsereien.

Inforama-Berater Hans Neuenschwander war vor rund zwanzig Jahren auch dabei, als eine Projektstudie «Wertschöpfung Milch im Emmental» erarbeitet wurde. Sie zeigte, dass bei den meisten damals noch aktiven Käsereien «spätestens in zwanzig Jahren» ein grosser Umbau nötig werde. In der Folge sei geprüft worden, ob es sinnvoll wäre, wenn mehrere Genossenschaften gemeinsam in neue Betriebe investierten. «Aber es zeigte sich, dass die Produktionskosten gestiegen wären», so Neuenschwander.

Die Genossenschaften zogen es folglich vor, in den alten Strukturen weiterzufahren. Für Sahli ist heute klar, dass die Strukturbereinigung nicht abgeschlossen ist. Die Zahl der Käsereien, die Emmentaler AOP produzieren, wird sich seiner Meinung nach von heute 85 auf etwa 50 Betriebe reduzieren. Die Grossen unter ihnen wie Gohl und Eyweid müssen laut dem Branchenkenner nicht um ihre Zukunft bangen, im Gegenteil: «Mit jedem Betrieb, der verschwindet, steigt ihre Chance.»

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