Friedensschluss im Krieg um den Wolf

Schafhalter, Jäger, ProNatura und WWF Schweiz haben sich auf gemeinsame Grundsätze zur Grossraubtierpolitik geeinigt. Die einen akzeptieren die natürliche Rückkehr von Bär und Wolf, die anderen die Bestandesregulation.

Samuel Krähenbühl |

Schafhalter, Jäger, ProNatura und WWF Schweiz haben sich auf gemeinsame Grundsätze zur Grossraubtierpolitik geeinigt. Die einen akzeptieren die natürliche Rückkehr von Bär und Wolf, die anderen die Bestandesregulation.

Der Schweizer Schafzuchtverband, JagdSchweiz, WWF Schweiz und Pro Natura luden gestern zu einer Pressekonferenz in Bern zum Thema Grossraubtiere. Sie stellten vier gemeinsame Grundsätze zur Grossraubtierpolitik vor (siehe Kasten). Schon allein die Tatsache, dass diese Verbände zusammen einluden, war in Anbetracht der bisher  emotional aufgeladenen Stimmung bemerkenswert. Auch der Grossaufmarsch von Journalisten zeigte, dass Luchs, Wolf und Bär die Gemüter in der Schweiz bewegen.

Mythos Wolf

Kurt Eichenberger, Grossraubtier-Experte von WWF Schweiz, rechnete denn auch vor, dass im eidgenössischen Parlament schon mindestens gleich viele Vorstösse zum  Thema Grossraubtiere eingereicht worden seien, wie es Wölfe in der Schweiz gebe. Der Wolf sei ein Mythos: «Die einen finden ihn ein Symbol für die Rückkehr der Natur, die andere finden ihn eine Bedrohung.» Doch diese Frontstellung soll in Zukunft aufgebrochen werden: «Bei uns vier Verbänden hat ein Denkprozess eingesetzt.» Mirjam Ballmer, Projektleiterin Naturschutzpolitik Pro Natura, brachte die gemeinsamen Grundsätze auf folgende Formel: «Jäger und Schafhalter auf der einen Seite akzeptieren die Rückkehr der Grossraubtiere. Pro Natura und WWF hingegen akzeptieren Jagd und Schafsömmerung.»

Abschüsse möglich

Und sogar Regulationsabschüsse sollen möglich sein, wenn der Bestand nicht  gefährdet wird. Wie bisher sollen Einzeltiere, die Schäden an  Nutztieren verursachen, abgeschossen werden können.    «Die Regulation von Grossraubtieren ist für uns kein Tabu mehr»,  betonte Ballmer. Es sei aber auch allen Beteiligten klar, dass die Vereinbarung nicht alles regle. Es sei nicht mehr und nicht weniger als eine Absichtserklärung. Und die vier Verbände seien sich auch noch nicht überall einig.

«Züchter und Halter sind bereit, unter Berücksichtigung der  regionalen Verhältnisse zumutbare Massnahmen zum Schutz der Herden  zu ergreifen, um ein Nebeneinander von Grossraubtieren mit der  nachhaltigen Nutztierhaltung sowie Alpsömmerung zu ermöglichen»,  sagte German Schmutz, Präsident des Schweizerischen  Schafzuchtverbandes. Auch er betonte, dass es  erst ein Vorprojekt sei, und nicht die Umsetzung von morgen. «Wenn die neue Jagdverordnung abgesegnet ist, wollen wir Hauptprojekt und Ausführung ausarbeiten», fügte er an.

Nur natürliche Rückkehr

Auch der vierte im Bunde, Peter Zenklusen, Vizepräsident JagdSchweiz, ist bereit, in den für ihn sauren Apfel zu beissen und die «natürliche Rückkehr» von Grossraubtieren zu akzeptieren. Er legte aber Wert auf die Feststellung, dass die Jäger eben nur eine natürliche Einwanderung und nicht etwa eine gezielte Ansiedlung wie damals beim Luchs akzeptieren.

Die vier Grundsätze

Grundsatz 1: In der Schweiz gibt es zahlreiche naturnahe Kulturlandschaften, in denen trotz menschlicher Nutzung die einheimische Tierwelt erhalten bleibt. In diesen Lebensräumen kommen Grossraubtiere vor.

Grundsatz 2:  Die nachhaltige Nutztierhaltung und -sömmerung sind Bewirtschaftungsformen, die wichtige gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringen (sichere Versorgung, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, Pflege der Kulturlandschaft und dezentrale Besiedlung).

Grundsatz 3: Die Jagd in der Schweiz richtet sich nach den Kriterien der Nachhaltigkeit. Sie trägt zur Regulierung der Wildtierbestände und zur Verhütung von untragbaren Schäden in Wald und Landwirtschaft bei.

Grundsatz 4: Die beteiligten Interessengruppen (Jagd, Naturschutz und Schafhaltung) arbeiten lösungsorientiert und konstruktiv zusammen. Bei Konflikten um die Grossraubtiere, die Nutztierhaltung und die jagdliche Nutzung von Wildtieren sind sie bereit, mit einem pragmatischen Vorgehen nach Kompromissen und gemeinsam getragenen Lösungen zu suchen.

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