Gesamtzuchtwert für grobe Sortierung nutzen

Nach welchen Kriterien lassen sich gewinnbringend Holsteinkühe züchten? Während für den Verkauf exterieurstarke nach wie vor interessant sind, könnte der Gesamtzuchtwert ISET die Herde fitter und leistungsfähiger machen.

Adrian Haldimann |

Zum Glück darf jeder Züchter nach seinen Wünschen und Zielen Stiere auswählen und einsetzen ‒ egal, welcher Rasse. Jeder einzelne Betriebsleiter beeinflusst damit auch die Wirtschaftlichkeit auf seinem Betrieb. Der Gesamtzuchtwert ISET wäre bei Holstein ein interessantes Werkzeug, um die Herde fruchtbarer, langlebiger und leistungsfähiger zu machen. Er wäre ein hilfreiches Instrument, um die Stierenliste grob zu sortieren.

So sind es zum Beispiel die Zuchtwerte Eiweiss kg, Zellzahl und Fruchtbarkeit, die im ISET stark gewichtet werden (siehe Tabelle). Ausgerechnet die im ISET nur schwach gewichteten Exterieurmerkmale sind aber für viele Holsteinzüchter besonders wichtig – wie auch weitere individuelle Zuchtkriterien wie Milchfluss, Zitzenverteilung, Kuhfamilien, Mutterleistungen oder Schauerfolge.

Gertsch und Sätteli

Ein Beispiel eines Landwirts, der exterieurstarke Holsteinkühe züchtet, ist Bernhard Gertsch aus Frutigen BE. Bevor er einen KB-Stier einsetzt, will er die Vorfahren und ihre Qualitäten kennen. Er setzte zuletzt Stiere wie Mystique Avenger (1248 ISET, 124 ITP), Blondin Alpha (1222 ISET, 126 ITP) oder MB-Luckylady Eye Candy (1202, 126 ISET) ein.

«Wir setzen auch Stiere wie Chief ein, die sich in unserem Stall mit ihren Töchtern bereits bewährt haben.»

Dominik Sätteli, Züchter aus Mörsch­wil SG

Auch der Ostschweizer Züchter Dominik Sätteli aus Mörsch­wil SG ist wie Gertsch in der Viehvermarktung aktiv und setzt jährlich über 40 Kühe von seinem Betrieb ab. Für ihn zählen beim Stiereneinsatz die Langlebigkeit und die Leistungen der Vorfahren, ein ausgeglichenes Exterieurprofil und nicht zu viel Körpergrösse.

«Der Gesamtzuchtwert spielt bei uns eine untergeordnete Rolle, auch weil wir nicht das Ziel haben, KB-Stiere zu züchten. Wir setzen auch Stiere wie Chief ein, die sich in unserem Stall mit ihren Töchtern bereits bewährt haben», sagt Sätteli. Neben Stantons Chief (1291 ISET, 126 ITP) setzt er im Moment Stiere wie Farnear Delta-Lambda (1225 ISET, 127 ITP), Pellegrino (1427 ISET, 124 ITP) und Hellender Brandy P (1273 ISET, 119 ITP) ein.

Exterieurstiere beliebt

Die jetzigen Verkaufsschlager bei Swissgenetics bestätigen die Aussagen und Zuchtrichtungen der beiden Züchter. Die KB-Hitparade wird vor allem von Stieren mit hohem ITP dominiert, die kaum Fehler im Linearprofil aufweisen und auch Schaukühe in der Abstammung haben. Der derzeit meistverkaufte rote Holsteinstier bei Swissgenetics ist Londaly Jasper, der einen ISET von lediglich 1260 aufweist und mit einem IFF von 105 nicht als Fitnessstier bezeichnet werden kann.

Dafür brilliert er mit einem hohen Exterieurzuchtwert ITP von 127 und stammt aus der schauerfahrenen Familie von Londaly Armani Lovely EX-95. Zum Vergleich: TGD-Holstein Beautyman aus dem Angebot von Selectstar, die Nr. 1 nach ISET, punktet mit 1601 und 145 IFF, hat dafür einen ITP von nur 110. Er züchtet im Vergleich zu Jasper deutlich kleinere Kühe mit weniger Körpertiefe.

Nr.-1-ISET-Stier

Weiter der RH-Stier swissgen Lewitan, die Nr.2 nach ISET mit 1551 Punkten, weist mit 144 einen haushohen IFF auf, hat aber einen ITP von nur 114 und liegt in der RH-Verkaufshitparade bei Swissgenetics «nur» auf Platz 8. Kaum anders sieht es bei den schwarzen Holsteinstieren aus.

Der Nr.-1-ISET-Stier Cookiecutter Hadley mit 1600 ISET ist mit einem ITP von 119 und trotz extremen Leistungszahlen (163 IPL) nicht in den Top 16 im Verkauf zu finden – wobei dieser bei Swissgenetics nur über die Reservation angeboten wird. Der meistverkaufte Stier ist hingegen Progenesis Poprock. Mit einem IFF von 105 ist er kein Überflieger in Fitnessmerkmalen, sein ISET liegt bei 1415, dafür hat er mit 125 ITP ein starkes Exterieur.

Überarbeitung läuft

Der ISET wurde von den Zuchtverbänden Swissherdbook und Holstein Switzerland entwickelt. Alex Barenco von Swissherdbook bestätigt Rückmeldungen von Züchtern, denen der ISET nicht entspricht, und sagt: «Die Kritik am ISET bezieht sich weniger auf das Exterieur oder den IFF direkt, sondern vielmehr auf die starke Gewichtung funktioneller Merkmale, insbesondere Töchterfruchtbarkeit und eingespartes Futter, im Verhältnis zur Leistung.»

«Ein wirtschaftlicher Gesamtzuchtwert macht in der Schweiz wenig Sinn.»

Alex Barenco, Swissherdbook

Die Gesamtzuchtwerte würden regelmässig überarbeitet, um dem Zuchtziel besser zu entsprechen. Das nächste Mal soll der ISET ab 2026 angepasst werden. Eine Arbeitsgruppe werde dieses Thema bei der Planung des neuen ISET vertieft diskutieren, so Barenco weiter.

Könnten nicht zwei Gesamtzuchtwerte die Lösung sein, wie es etwa in den USA der Fall ist (siehe Kasten)? Barenco verneint. «Ein wirtschaftlicher Gesamtzuchtwert macht in der Schweiz wenig Sinn, da sowohl die Produktionskosten, z. B. Futterbau, Futterration, als auch die Erträge, z. B. Milchpreis, zwischen den Betrieben zu stark variieren.»

Fokus auf Wirtschaftlichkeit

Der ISET entspricht heute einem auf Wirtschaftlichkeitsmerkmale ausgerichteten Gesamtzuchtwert. Andere Länder kennen zwei Gesamtzuchtwerte, und einer davon orientiert sich an ökonomischen Kriterien. In den USA ist es der Index Net Merit (NM), der vom Merit vom USDA/CDCB entwickelt wurde. Er schätzt den Unterschied im Lebensgewinn, den jedes Tier voraussichtlich an seine Nachkommen weitergeben wird, ausgedrückt in US-Dollar. In den USA beinhaltet der andere Gesamtzuchtwert, der TPI im Besitz der Privatorganisation Holstein USA, fast die gleichen Merkmale wie der NM.

Während die Gewichtung von Merkmalen wie Leistung eher deren wirtschaftliche Bedeutung widerspiegelt, spiegeln andere Merkmale, insbesondere im Bereich des Exterieurs, eher die Richtung wider, in die die Züchter die Rasse entwickeln möchten. Viele US-Züchter fokussieren auf die Wirtschaftlichkeit. Gegenüber «Holstein International» äussert sich zu diesem Thema Greg Andersen von Seagull Bay in Idaho, der auch mit Winstar Genetics (700 Kühe, die von zwölf Melkrobotern gemolken werden) und Andersen Dairy (2000 Kühe) zusammenarbeitet.

Er vergleicht die beiden Gesamtzuchtwerte wie folgt: «Sowohl der TPI als auch der NM legen grosses Gewicht auf Leistung und enthalten genügend Gesundheits- und Fruchtbarkeitsmerkmale, um uns vor den Fallstricken der Vergangenheit zu bewahren, wo die Fitnessmerkmale nicht genügend berücksichtigt wurden.» Diese Gesamtzuchtwerte hätten sicherlich dazu beigetragen, die Rentabilität der Milcherzeugung zu verbessern.  hal

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