Hier erkannten sich die Soldaten am Lauch

Vom Lauch über Lammfleisch-Eintopf und vegetarische Glamorgan-Wurst bis zum trendigen Superfood Laver ‒ die walisische Küche wartet mit ein paar ganz besonderen kulinarischen Spezialitäten auf. Hier erfahren Sie auch, was der Lauch mit der walisischen Kriegsführung zu tun hatte. 

Petra Jacob |

«Als ich in die Schule ging, war das noch essbarer Lauch, den wir uns mit einer Sicherheitsnadel an der Schuluniform festmachten», sagt Mark Williams, der einen Souvenirladen in Swansea, der zweitgrössten Stadt von Wales, betreut. «Der Lauch war ziemlich gross und unpraktisch. Doch wenn die Schule aus war, haben wir das Gemüse aufgegessen», schmunzelt er.

Tief verwurzelt

Lauch ist tief in der walisischen Geschichte und Esskultur verwurzelt. Der heilige David lebte im sechsten Jahrhundert und war ein Prediger, der den christlichen Glauben unter die Kelten brachte. Er gilt als Symbolfigur des walisischen Widerstands gegen die Angelsachsen. Einer Legende nach soll er den Soldaten vor einer Schlacht empfohlen haben, sich Lauch an die Helme zu stecken, um die eigenen Soldaten leichter zu erkennen.

Und im zehnten Jahrhundert wurde der Anbau sogar in Gesetzen festgeschrieben. Heute stecken sich Soldaten des walisischen Regiments am 1. März essbaren Lauch an ihre Mützen, und überall werden Lauchanstecker aus Filz verkauft.

Pfeffrig und dunkelgrün

Auch das Gemüse selbst ist noch immer sehr beliebt – nicht nur zum St David’s Day. Allerdings müssen fast 90  Prozent des Lauchs zum grössten Teil aus England, Spanien und den Niederlanden eingekauft werden. Denn in Wales gibt es nur begrenzt Flächen. Der kommerziell erzeugte Lauch kommt aus den Küstenregionen Flintshire und Pembrokeshire und wächst dort auf 283 Hektaren.

Durch die steinigen Böden bekommt er einen ausgeprägten pfeffrigen Geschmack und lange dunkelgrüne Blätter, die die Waliser «Flagge» nennen. Die traditionelle walisische Küche ist praktisch und deftig. «Flagge» wird in traditionellen Rezepten wie Lammfleisch-Eintopf verwendet. Lauch kommt aber auch in die Glamorgan-Wurst, benannt nach der Grafschaft Glamorgan, in der sich die beiden grössten walisischen Städte Cardiff und Swansea befinden.

Keine Wurst im herkömmlichen Sinne

Es ist keine Wurst im herkömmlichen Sinne, da sie neben Lauch vorwiegend aus Brotkrümeln und Käse besteht. Es ist auch keine trendige vegetarische Wurst unserer Zeit, sondern sie ist seit mindestens den 1850er-Jahren in aller Munde, als der englische Reiseschriftsteller George Borrow begann, über sie zu schreiben. Die vegetarische Wurst war vor allem während des Zweiten Weltkriegs sehr populär, als Fleisch sehr knapp war.

Der Käse in der Wurst ist traditionell ein Caerphilly, ein krümeliger, leicht salziger Kuhmilchkäse, der bereits nach ein bis drei Wochen Reifezeit verzehrt wird, benannt nach der gleichnamigen Stadt, die 30 Autominuten nördlich von Cardiff liegt. Dort ist an einer viel befahrenen Strasse, gegenüber der beeindruckenden Burg – der grössten in Wales – dem Caerphilly-Käse mit einem überdimensionalen Käselaib aus Polystyrol und Glasfaser ein Denkmal gesetzt worden.

Käseproduktion teils verschwunden

Traurig und dreckig schaut er aus, genauso traurig wie die Tatsache, dass heute die Produktion von Caerphilly-Käse aus der Stadt verschwunden ist und der Grossteil industriell in England produziert wird. Nur mit grosser Mühe, wenn überhaupt, findet man Caerphilly-Käse in Supermärkten.

Im ehemaligen Besucherzentrum mit Blick auf die Burg ist inzwischen ein Café eingerichtet, wo es noch traditionell hergestellten Caerphilly gibt. In einer Vitrine mit grosser Kuchenauswahl sind die kleinen, in Kartons verpackten Käselaibe leicht zu übersehen. «Ffili» steht in Walisisch auf den Schachteln, hergestellt auf dem Hof von Familie Adams, zwei Autostunden entfernt im Westen von Wales.

Superfood Algen

Ein weiteres, zurzeit sehr trendiges Superfood, das in Wales bereits seit mindestens dem 17. Jahrhundert gegessen wird, sind Algen. Es ist das Laver, eine Porphyra-Art, die man vorwiegend in den Gezeitengebieten an der Westküste Grossbritanniens und an den Küsten Irlands findet. Die Alge ist violett bis schwarz und wächst im kalten, flachen Meerwasser auf felsigen Sandstränden.

Bei Ebbe sind diese freiliegenden Felsen besonders einfach zu erreichen und laden auch Privatpersonen zum Algensammeln ein. Ideal dafür sind die Küstenabschnitte der Gower-Halbinsel unterhalb von Swansea oder die Langlandoder Bracelet-Bucht in der Nähe der Ortschaft Mumbles. Erntesaison ist das ganze Jahr über, doch ab Spätherbst und in den Wintermonaten wächst Laver besonders gut.

Geschäft in dritter Generation

«Unser Laver kommt von der Pembrokeshire-Küste», erzählt Ashley Jones von Selwyn’s Seafood. Die Firma befindet sich im Norden der Gower-Halbinsel, und der Anblick ist ungewöhnlich. Ein modernes Fabrikgebäude mit Verkaufsraum liegt einsam und abgelegen. Grasende Schafe zur einen Seite, Blick über unendliche Sandbänke zur anderen und über allem dieser weite Himmel.

Doch genau an diesem Ort begann die Geschichte des Unternehmens mit Grossvater Selwyn Jones, nach dem es benannt ist. Selwyn ist erst elf Jahre alt, als er die Schule verlässt, um der Mutter beim Ernten und Verkaufen von Laver – aber auch Herzmuscheln – zu helfen. Über die Jahre wird er zu einem erfolgreichen Geschäftsmann. Heute führen Enkelsohn Ashley Jones und seine Frau Kate das Geschäft in dritter Generation.

Schwarzes Meeresbrot

In Wales wird Laver traditionell zu Laverbread verarbeitet, zum schwarzen Brot aus dem Meer. Einst gehörte es zu jedem Frühstück. Vor allem bei den Bergleuten von Südwales, deren Arbeit unter Tage nicht sehr gesund war. Laver war die Lösung, da es neben Eisen und Jod sehr reich an Vitaminen und Mineralien ist. Für Laverbread müssen die Algen mehrmals gewaschen werden, um vor allem den Sand zu entfernen. Dann werden sie viele Stunden gekocht, bis ein schleimiges Püree entsteht, dem Spinat nicht unähnlich.

Der Paste wird nur etwas Salz zugegeben, sonst nichts. Laverbread wird als Brotaufstrich gegessen oder mit Hafer zu einem vegetarischen Bratling vermischt. «Ja, es braucht viel Strom, um es herzustellen», gesteht Ashley Jones. Doch deswegen die Preise erhöhen, das will er nicht. Die Nachfrage sei sowieso nicht so hoch, und es seien eher die älteren Herrschaften mit weniger Einkommen, die es sich hier im Laden kauften.

«Wir holen es lieber woanders rein», sagt er. Bei Selwyn’s gibt es auch Hummer, Krabben, Austern und vieles mehr. Eine neue Erfindung sind Algen-Chips mit Salz- und Essiggeschmack, die vor allem bei der jungen Generation gut ankommen. Zu den Kunden von Selwyn’s zählen Fischhändler, Restaurants und Geschäfte in ganz Grossbritannien, und die Produkte werden online verkauft.

Legendäre Welsh Cakes

Zu keinem Dessert und auf keiner Feier dürfen sie fehlen: die legendären «Welsh Cakes». Das sind kleine runde Küchlein aus Mehl, Fett, Rosinen und in Zucker gerollt. Am besten schmecken sie frisch gebacken und noch warm. Im Zentralmarkt von Cardiff ist die Bäckerei Bakestones eine Institution.

Hinter der grossen Glaswand kneten, rollen und stechen Frauen den Teig aus, über 100 Küchlein gleichzeitig backen auf einer heissen Platte. Dort steht Chefin Jacqueline Morgan. Die 66-Jährige hat die Welsh Cakes bereits als Kind mit ihrer Mutter gebacken. Bis zu 1’000 Welsh Cakes täglich werden am Stand von Bakestones frisch gebacken.

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